Vertuschungsvorwürfe: Missbrauchsopfer widerspricht Kardinal Woelki
Im Zusammenhang mit Vertuschungsvorwürfen gegen Kardinal Rainer Maria Woelki hat das mutmaßliche Missbrauchsopfer den Angaben des Kölner Erzbischofs widersprochen. Woelki hatte in Bezug von Missbrauchsanschuldigungen gegen den Düsseldorfer Priester O. gesagt, er habe unter anderem deshalb keine Voruntersuchung eingeleitet, weil das mutmaßliche Opfer an der Aufklärung nicht habe mitwirken wollen. Dies könne er "so nicht bestätigen", sagte der Mann gegenüber dem Düsseldorfer "Express" am Dienstag. "Ich habe detailliert über die Tat berichtet und habe gebeten, soweit wie möglich außen vor gelassen zu werden.". Eine generelle Verweigerung der Mithilfe habe jedoch nicht stattgefunden.
Woelki steht in der Kritik, weil er keine Voruntersuchung eingeleitet und den Fall nicht an den Vatikan weitergeleitet habe. Das Erzbistum hatte Woelkis Vorgehen bislang damit verteidigt, der mittlerweile verstorbene beschuldigte Priester sei wegen Demenz und eines Schlaganfalls nicht ansprechbar gewesen. Zudem habe der Betroffene sich nicht in der Lage gesehen, "sich weiter zur Sache zu äußern". Mittlerweile sei es zu einem weiteren Gespräch zwischen dem Betroffenen und Woelki gekommen. Über dessen Inhalt sagte die Diözese nichts.
Kirchenrecht verlange "Kunde von der Straftat"
Das Vorgehen des Kardinals steht jedoch weiterhin in der Kritik. So sagte der emeritierte Münsteraner Kirchenrechtler Klaus Lüdicke der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) am Dienstag, selbst ohne kirchenrechtliche Voruntersuchung hätte der Erzbischof den Missbrauchsfall dem Vatikan melden müssen. Wenn der Beschuldigte nicht reden könne und der Betroffenen nicht reden wolle, könne zwar die Voruntersuchung entfallen, die Meldung an die Glaubenskongregation jedoch nicht. Das Kirchenrecht verlange "nicht den Bericht über die Voruntersuchung, sondern über die Kunde von der Straftat".
Themenseite: Debatte um Kölner Missbrauchsstudie
Die Aufarbeitung sexualisierter Gewalt im Erzbistum Köln sorgt momentan für Diskussionen. Ein Gutachten der Münchner Kanzlei Westpfahl Spilker Wastl über den Umgang mit Missbrauchsfällen soll wegen "methodischer Mängel" nicht veröffentlicht werden. Experten vermuten, dass der Bericht mehrere hochrangige (ehemalige) Mitarbeiter des Erzbistums der Vertuschung bezichtigt. Die neuesten Entwicklungen erfahren Sie hier.
Der Betroffene hatte sich im Jahr 2010 beim Erzbistum gemeldet und berichtet, Ende der 1970er als Kindergartenkind von einem Düsseldorfer Geistlichen missbraucht worden zu sein. 2015 nahm Woelki wenige Monate nach seinem Amtsantritt in Köln Kenntnis von der Personalakte des Pfarrers. Der Beschuldigte und Woelki kannten sich gut, Woelki hatte zur Zeit seiner Priesterausbildung als Praktikant und Diakon in einer Pfarrei O.s gearbeitet. Mittlerweile hat der Kardinal Papst Franziskus um eine Prüfung des Falls und der Vorwürfe gegen ihn gebeten.
O. kommt in neuem Gutachten vor
Die Vorgänge um O. sind auch Bestandteil der Diskussion um zwei Missbrauchsgutachten im Erzbistum Köln. Eine erste Untersuchung der Münchner Kanzlei Westpfahl Spilker Wastl (WSW) hatte die Diözese Ende Oktober wegen methodischer Mängel überraschend abgesagt. Die Kanzlei selbst bestreitet die Mängel. Das neue Missbrauchsgutachten soll nach Worten seines Verfassers, des Kölner Strafrechtlers Björn Gercke, allerdings umfassender und schmerzlicher werden. Im Gegensatz zum ersten Gutachten werde der Fall O. in seinem Bericht vorkommen, so Gercke am Dienstag gegenüber dem Kölner Domradio. "Wir gehen weit über das hinaus, was das Münchner Gutachten präsentiert." Das neue Gutachten soll bis zum 18. März vorgelegt werden. "Bereits nach relativ kurzer Zeit der Aktensichtung war für uns klar, dass wir sehr konkrete, systemische, aber auch persönliche Verantwortlichkeiten benennen werden können", ergänzte Gercke. "Wir werden da in der Sache keine Rücksicht nehmen. Das weiß der Kardinal auch."
Angesichts des Falls O. fordert der Münsteraner Kirchenrechtler Thomas Schüller von Woelki, dem Papst seinen Rücktritt anzubieten. Woelki sei inzwischen weitgehend isoliert in der Deutschen Bischofskonferenz und erweise der Kirche mit seiner Haltung einen Bärendienst, so Schueller im Deutschlandfunk am Mittwoch. "Aber er klammert sich ans Amt, fast wie der ausscheidende US-Präsident Trump." Schüller forderte außerdem, der katholischen Kirche die Verantwortung für die Aufklärung von Fällen sexualisierter Gewalt zu entziehen. Man solle ähnlich wie etwa in Großbritannien eine "unabhängige Wahrheitskommission" installieren, deren Mitglieder über entsprechende Fachkenntnisse verfügten, aber ausdrücklich nicht mit der Kirche in Verbindung stünden. Ähnliches hatten zuvor bereits der Jesuit Klaus Mertes und der Leiter der MHG-Studie über Missbrauch in der Kirche, Harald Dreßing, gefordert. (cph/KNA)