Wie Papst Franziskus Weihnachten 2020 feiert
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Die Christmette in der Heiligen Nacht, zu Weihnachten die große Papstbotschaft mit Segen Urbi et Orbi von der Loggia auf den Petersplatz und in die Welt, das feierliche Te Deum zum Jahresabschluss am Silvestertag, die beiden Eucharistien zum Fest der Muttergottes am 1. Januar und zu Epiphanie am 6. Januar sowie die Kindstaufen, die der Papst am Fest Taufe des Herrn in der Sixtinischen Kappelle vornimmt: Das sind die sechs öffentlichen Fixtermine für das Oberhaupt der katholischen Kirche zu Weihnachten, dem Fest der Geburt des Herrn.
Bis auf die Taufe sind sie inzwischen alle bestätigt, aber sie werden in schmaler Besetzung stattfinden, mit Abstand, Masken und Handgel. Und die Christmette schon um halb acht statt um halb zehn. Papst Franziskus hat nicht lange herumgefackelt und die Seuchenschutzvorgaben aus Italien hingenommen, obwohl er auf eigenem Territorium eigene Fakten hätte schaffen können. Darauf hat er gelassen verzichtet. In Italien gilt eine Ausgangssperre ab 22 Uhr, das hätte die Handvoll Gläubigen, die zur Papstmette in den Petersdom dürfen, im Fall einer römischen Straßenkontrolle in Nöte gebracht.
Keine Privilegien für ohnehin Privilegierte
Eine zweite Option wäre gewesen, die Feier zur gewohnten Stunde anzusetzen, aber bloß Vatikan-Einwohner einzuladen. Dann hätten viele auswärtige Gläubige, die mit Rom die Uhrzeit und das Bekenntnis teilen, spätabends live nach Rom gezappt, statt daheim zur 18-Uhr-Mette zu gehen, aber gesehen hätten sie aus Rom das Bild einer in sich geschlossenen Kirche. Weihnachten im Vatikan – nur für Inländer! Ein Graus für Franziskus. Und bei der Regierung in Italien eine Ausnahmeregelung für seine Mettenbesucher zu erwirken, ähnlich wie Bayerns Bischöfe das in München probiert haben, war auch nicht sein Ding. Keine Privilegien für ohnehin Privilegierte, wenn wir Franziskus hier ausdeutschen dürfen. Sicher interpretiert ihn auch nicht falsch, wer dem Papst unterstellt, dass er sich seine Energien gerade für Anderes aufspart.
Denn wie viel Licht und weihnachtliche Hoffnung braucht die Welt am Ende dieses Jahres! Das Jahr der vielen Sorgen, Abschiede, Ängste und Verluste, das Jahr der wenigen Begegnungen für uns alle. Beide Folgen der Pandemie, das Abwärtsgefühl und die Isolationshaft, hatten unverkennbare Auswirkungen auf Franziskus und seine Art, das Amt auszuüben. Den Ängsten von Menschen überall auf der Welt versuchte er zu begegnen, indem er auf die Zuversicht des Glaubens verwies und das Abwärts als Krise beschrieb, aus der wir besser herauskommen können, als wir hineingegangen sind, sofern wir geschwisterlich handeln. Diese Botschaft hat der Papst auf allen Kanälen verbreitet, in allen seinen General- und in den wenigen Privataudienzen, in seiner Enzyklika "Fratelli tutti", in Interviews, in Tweets, in Dutzenden Videobotschaften, sogar in einem persönlich gehaltenen Buch (Wage zu träumen!).
Was die Isolationshaft anlangt, hat Franziskus sich zuletzt nur wenige Ausreißer genehmigt. Am 4. Oktober ging er nach Assisi, wo er am Grab seines Namenspatrons "Fratelli tutti" unterzeichnete, am 20. Oktober sah man ihn auf dem Kapitol zum ökumenischen Friedensgebet an der Seite von Heinrich Bedford-Strohm und Patriarch Bartholomaios, und am 8. Dezember hätten Frühaufsteher den Papst beim Gebet an der Mariensäule an der Spanischen Treppe ertappen können. Klammheimlich fuhr er morgens um sieben hin statt wie sonst jedes Jahr am Nachmittag im bewegtesten Einkaufstrubel Roms. Ganz abblasen musste Franziskus sein Adventstreffen mit den Kindern der vatikanischen Familienfürsorge Dispensario Santa Marta und seine Visite im päpstlichen Kinderkrankenhaus Bambino Gesù, das er sonst immer zwei Tage vor Weihnachten mit einer großen Ladung Panettone besuchte.
Überraschend fanden dafür zwei interne Audienzen statt, Montagvormittag für die Kurienleiter und gleich darauf fürs päpstliche Fußvolk der gemeinen Angestellten. Bei den Chefs trug der Papst diesmal Samthandschuhe, kein Hauch von Gardinenpredigt war zu hören, und uns normalen Weinberg-Arbeitern versprach er, niemanden zu kündigen, auch wenn und gerade weil die Zeiten hart sind. Er herzte ein paar Kleinkinder, wobei er keinen Mundschutz trug. Viele im Vatikan gehen übrigens davon aus, dass Franziskus regelmäßig Coronatests macht, das aber – aus welchen Gründen auch immer – nicht offensiv kommuniziert haben will. Dass er sich alsbaldig impfen lässt, gilt als ausgemachte Sache.
Weihnachten im vatikanischen Lockdown-Modus wird sparsam
Es liegt auf der Hand: Weihnachten im vatikanischen Lockdown-Modus wird sparsam. Keine zusätzliche Andacht wie die sehr eindrucksvolle in der Fastenzeit, bei der Franziskus allein auf dem Petersplatz betete. Weder Pilger noch Neugierige, keine Diplomaten im Feststaat, keine Hundertschaften an Konzelebranten und Kommunionspendern in der Mette. Der Papstchor Cappella Sistina darf die Messen begleiten, aber nur zwölf Männer und fünf Knaben hoch, alle mit Mundschutz, der einzig zum Singen abgenommen wird. Den Segen Urbi et Orbi spendet Franziskus nicht von der Loggia der Basilika auf einen gesteckt vollen Petersplatz mit Musikkapellen und frohgestimmten Gläubigen, sondern vor Fernsehkameras im Saal hinter der Loggia. Weg vom Fenster wandern zu Weihnachten auch die Angelusgebete an den Sonn- und Feiertagen, der Papst wird sie im Inneren des Apostolischen Palastes sprechen. Ob er nach der Dankesmesse am 31. Dezember wie sonst auf den Petersplatz geht und die Krippe segnet, ist auch deshalb offen, weil die diesjährige Krippe am ästhetisch-religiösen Empfinden außerordentlich vieler Gläubiger vorbeigeht. Das Ensemble aus Keramik, Werk italienischer Kunstgymnasiasten aus den 60er und 70er Jahren, beinhaltet einen Astronauten, der Stall von Bethlehem ist ein kantiges weißes Metallgerüst, bestrahlt von kaltem Licht. Sicher seuchenfest.
Wie Franziskus das Fest privat feiert, ist ein noch besser gehütetes Geheimnis als sonst. Er bleibt zu Hause in der Residenz Santa Marta, wird wohl mit Privatsekretären und Küchenpersonal ein Festtagsgläschen erheben, und am Weihnachtstag wird er seiner eigenen Taufe vor 84 Jahren gedenken. Die Zahl seiner öffentlichen Feiern ist dieselbe wie sonst. Ihre frugale Form soll nicht in Endzeitstimmung versetzen, sie führt ganz im Gegenteil direttissimo zur Botschaft der Geburt des Herrn. Jesus ist "die Neuheit inmitten einer alten Welt", er ist gekommen, "um zu heilen und wiederaufzubauen, um unser Leben und die Welt wieder in ihren ursprünglichen Glanz zu versetzen" (aus "Admirabile Signum" über die Bedeutung der Krippe). Das ist, wie Franziskus Weihnachten begangen und gelebt wissen möchte – 2020 und immer.
Kolumne "Römische Notizen"
In der Kolumne "Römische Notizen" berichtet die "Vatikan News"-Redakteurin Gudrun Sailer aus ihrem Alltag in Rom und dem Vatikan.