Weihbischof Lohmann: Zuspruch für Corona-Leugner macht mir Sorgen

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Vergangene Woche machte Rolf Lohmann seine Covid-19-Erkrankung öffentlich. Die Infektion verlief schwer, der Münsteraner Weihbischof musste wegen einer doppelseitigen Lungenentzündung ins Krankenhaus. Nach nicht nur gesundheitlich schwierigen Wochen befindet er sich inzwischen auf dem Weg der Besserung und ist dankbar für die vielfältige Unterstützung, die er erhalten hat – medizinisch wie moralisch.
Frage: Wie geht Ihnen? Wie fühlen Sie sich?
Lohmann: Also ich kann auf jeden Fall sagen, mir geht es viel besser. Wenn ich das vergleiche mit vor vier Wochen, bin ich dankbar, so weit wieder sein zu können. Das heißt, wieder besser Luft zu bekommen. Ich komme gerade aus der Messe. Ich hatte im Xantener Dom das erste Mal wieder die Messe nach über vier Wochen. Und ich merke einfach, wie gut das tut, diese Danksagung zu halten, aber auch wieder mit Menschen zusammen Eucharistie zu feiern.
Um nochmal auf die Frage "Wie geht es" einzugehen: Ja, es gibt kleine Schritte auf dem Weg der Genesung. Aber diese kleinen Schritte zeigen einfach, dass es nach vorne geht. Und dafür bin ich sehr, sehr dankbar. Übrigens allen, die mir in den vergangenen Wochen auf ganz unterschiedliche Weise zur Seite gestanden haben, ob im medizinisch pflegerischen Bereich, ob im Haushalt, ob hier im Bereich des bischöflichen Büros in Xanten, also viele gute Leute, die mir geholfen haben.
Frage: Wie kam das überhaupt dazu, dass Sie sich infiziert haben?
Lohmann: Wir können nicht genau rekonstruieren, wann das war. Natürlich gibt es immer Theorien. Man überlegt – ich habe ja weiterhin gefirmt, natürlich mit all den Bedingungen, die dann mit im Raum standen. Oder ich hatte eine Altarweihe in dieser Zeit. Aber auch das war alles bestens vorbereitet, auch von den Hygienemaßnahmen, von Maske tragen und so weiter.
Aber vor gut vier Wochen war es so, dass ich noch ganz normal unterwegs war, aber merkte, dass so eine kleine Grippe kam, aber wirklich nicht im starken Bereich. Und dann habe ich nach zwei Tagen gedacht: Du musst dich testen lassen. Das ist das Allerbeste. Natürlich in der Hoffnung, dass der Test negativ ausfällt, was dann nicht der Fall war. Dann bin ich in Quarantäne gekommen, habe dann hier im Bischofshaus in Xanten bleiben können, aber nach wie vor wirklich viele Dinge hier erledigt, sowohl mit Videokonferenzen als auch mit Telefonaten. Das ging alles relativ gut.
Nach zehn Tagen merkte ich, wie ich immer schwächer wurde. Also mir fielen einfache Dinge schwer. Ich nehme nur mal als Beispiel das Treppensteigen. Ich bin dann zum Röntgen und auch natürlich zur Blutabnahme ins Krankenhaus gekommen. Und da hat sich das offenbart, dass ich eine doppelseitige Lungenentzündung hatte und die Werte auch alle schlecht waren. Im Krankenhaus ist mir sehr, sehr gut geholfen worden. Aber ich hatte zunächst mal starke Fieberschübe und es ging darum, erst mal dieses Fieber runter zu kriegen. Und da sage ich ganz ehrlich: Das sind schon auch Grenzerfahrungen, die man da macht, wenn man merkt, wie der eigene Körper sich wirklich so zur Wehr setzt und im Widerstreit mit sich selbst liegt.
Dann hat man natürlich auch die Lungenentzündung behandelt und ich konnte dann am Heiligen Abend entlassen werden und war dann hier wieder in meinem Haus, in meiner Wohnung, und bin jetzt wirklich dabei, mich zu erholen. Das ein oder andere kann ich wieder machen, aber wirklich mit kleinen Schritten. Und das ist für mich auch ehrlich gesagt eine neue Erfahrung, denn ich gebe es gerne zu, nicht unbedingt der geduldigste Mensch zu sein, aber das lernt man dann doch.

"Das sind schon auch Grenzerfahrungen, die man da macht, wenn man merkt, wie der eigene Körper sich wirklich so zur Wehr setzt und im Widerstreit mit sich selbst liegt", sagt Rolf Lohmann über seine Corona-Infektion.
Frage: Was denkt man denn in dem Moment, wenn man diese Diagnose bekommt?
Lohmann: Ich war schon erschrocken, und wusste auch, die Feiertage standen an, wusste, was das bedeutet, zunächst mal in Quarantäne zu gehen. Als sich das weiter zuspitzte – das ist schon eine persönlich schwierige Erfahrung, die man macht. Ich habe früher, glaube ich, auch in den Wochen vorher, das sehr ernst genommen. Und ich muss sagen, mit all den Abstandsregeln und Hygienevorschriften, das habe ich ernst genommen, aber ich hatte keine Furcht, keine allzu große Sorge.
Und das ist schon so, dass sich da auch innerlich was ändert. Der Respekt auch vor diesem Virus wird einfach sehr viel größer und die Ernsthaftigkeit, die hinter der gesamten Corona-Thematik steht, ist auf einmal sehr nahe bei einem selbst an der eigenen Tür. Und die Gedanken, die dann eine Rolle spielen, sind eben sehr ernsthafter Natur.
Frage: Was sagen Sie denn dann den Corona-Leugnern, Kritikern und "Querdenkern", die das alles runterspielen?
Lohmann: Ich kann das einfach nicht begreifen. Es ist für mich wirklich absolut erschreckend. Und jetzt, nachdem, was ich selber erlebt habe, noch erschreckender. Denn wenn man sich die Zahlen anschaut – für mich kriegen die Zahlen, wenn ich abends Nachrichten sehe, ob das die Neuinfektionen sind, ob das die Toten sind, nochmal eine ganz andere Bedeutung, wenn man selber so damit zu tun hatte. Und für mich ist das wirklich erschreckend und das dürfte nicht sein. Also ich muss wirklich sagen, mir macht das große Sorgen, dass diese Gruppen auch nach wie vor Zuspruch erfahren. Das ist ein schlechter Weg.
Frage: Schauen wir nochmal zurück auf die Zeit, die Sie in Quarantäne und im Krankenhaus verbracht haben. Sie haben weiter versucht, zu arbeiten. Nun haben Sie ja als Weihbischof viel mit Menschen zu tun. Ich weiß, Ihre Mitarbeiter mussten dann auch in Quarantäne gehen – und das gerade kurz vor Weihnachten. Wie ist das denn alles organisatorisch abgelaufen?
Lohmann: Das war natürlich auch etwas chaotisch, das stimmt. Hier im Büro – von den drei Sekretärinnen waren zwei auch positiv getestet. Mein Fahrer war positiv getestet. Wir haben natürlich dann das Büro hier geschlossen und konnten dann glücklicherweise weiterleiten nach Münster zum bischöflichen Generalvikariat. Das war dann schon wichtig und auch eine gute Hilfe. Aber natürlich ist wahnsinnig viel auch liegengeblieben. Aber ich sage Ihnen das ganz ehrlich: Das kriegt auf einmal eine andere Bedeutung. Ich bin sonst sehr bestrebt, die Dinge schnell zu bearbeiten und auch zu schauen, dass dann der Schreibtisch abgearbeitet ist. Aber das kriegt einen anderen Hintergrund. Von der Bedeutung wird das unwesentlicher. Und man sieht: Naja, dann bleibt's eben liegen und wird eben in vier oder fünf Wochen bearbeitet oder erledigt.
Und Sie haben das ja auch gesehen, wie stark auch in unseren Pfarreien man mit diesem Thema ringt und was das bedeutet hat für Gottesdienste – Präsenz-Gottesdienste oder gestreamte Gottesdienste – und wie auch da nochmal ganz starke Anfragen durch die Wirklichkeit des Virus bis in die Pastoral, Seelsorge und Liturgie unserer Gemeinden hineingetragen worden ist.
Frage: Also man lernt ein wenig das Wichtige vom Unwichtigen zu unterscheiden?
Lohmann: Ja, absolut. Nun ist jetzt eine Menge aufzuarbeiten und mir hat das natürlich auch Leid getan, dass Leute, die jetzt Anfragen hatten, dass wir das nicht in dem Maße beantworten konnten. Aber da hofft man einfach auch auf Verständnis. Und ich glaube auch, dass das im Großen und Ganzen da ist.

"Ich kann das einfach nicht begreifen": Dass Corona-Leugner immer mehr Zulauf erhalten, findet Weihbischof Lohmann "erschreckend".
Frage: Wie haben denn die Menschen im Bistum, also die Gläubigen in den Gemeinden auf Ihre Erkrankung reagiert?
Lohmann: Ich habe wahnsinnig viele Zuschriften bekommen, ob per Brief, per E-Mail, auf die unterschiedlichste Art und Weise. Und das ist schon bestärkend, zu erleben, wie viele Menschen in so einer Phase an einen denken, dass man alles andere als alleine ist. Also die an alle denken, die für einen beten, die mit in Sorge sind. Das ist für mich nochmal eine ganz positive Erfahrung gewesen, gerade auch hier in meiner Region, wie viele Menschen wirklich mitgedacht und mitgebetet haben. Also alle Achtung, ich bin da sehr, sehr dankbar dafür.
Frage: Diese Woche hat Deutschland noch mal den Lockdown verschärft. Bei Ihnen im Bistum Münster gibt es mit Recklinghausen auch einen der Hotspots, wo die 15 Kilometer-Regel gilt. Auf solche Debatten schauen Sie jetzt bestimmt auch mit anderen Augen, oder?
Lohmann: Man ist noch stärker sensibilisiert für diese Themen. Natürlich sind das ganz schwierige Entscheidungen, die auch von politischer Seite zu treffen sind. Trotzdem finde ich, dass die politischen Entscheidungsträger und auch die kirchlichen Entscheidungsträger gut zusammen gewirkt haben, verantwortungsvoll gewirkt haben. Immer stellt man sich die Frage: Ist das richtig? Wie stark brauchen wir weitere Einschränkungen? Aber bei der Dramatik dieser Krankheit, bei den Zahlen, die wir sehen, trotz des Lockdowns, glaube ich, ist es richtig, soviel Vorsicht walten zu lassen, auch wie eben möglich ist.
Frage: Herr Weihbischof, was bringt Ihnen Hoffnung?
Lohmann: Eine ganz starke Hoffnung, das habe ich gerade noch gedacht, als ich aus dem Dom kam, ist natürlich mein Glaube und dass ich weiß, dass Gott in jeder Situation auch an meiner, an unserer Seite ist. Er setzt sich gerade der Krise aus, also ist kein Schönwetter-Gott für tolle Zeiten, sondern er ist da, gerade wenn es schwierig ist und das zeigt uns ja die ganze Thematik auch des Kreuzes, um das mal auch theologisch zu sagen.
Auf der anderen Seite finde ich ganz wichtig zu sagen, wie viele Menschen da sind, die so einen Weg auch mit einem gehen, die auch an der Seite sind. Zuallererst nenne ich da wirklich, weil ich es selbst erlebt habe, diejenigen, die mich im Krankenhaus ärztlich begleitet oder auch gepflegt haben. Tolle Leute, kann ich nur sagen. Und das gilt hier jetzt für das häusliche Umfeld in ähnlicher Weise. Man erlebt, auch wenn es einem schlecht geht, viel Bestärkung, Hilfe, Unterstützung. Und auch das ist eine Erfahrung, dass eben in dem Maße auch annehmen zu können.