Kardinal Schönborn: Donald Trump hat sein Volk zu Gewalt verführt
Der Wiener Kardinal Christoph Schönborn wirft dem scheidenden US-Präsidenten Donald Trump Verführung zur Gewalt vor. In seiner Freitagskolumne in der Zeitung "Heute" warnt Schönborn vor der "Macht der Lüge". Die Bilder vom Sturm auf das Kapitol gingen ihm nicht aus dem Kopf, so der Kardinal: "Fünf Menschen sind tot, zahlreiche verletzt, Büros verwüstet, die Rechtsstaatlichkeit mit Füßen getreten. Jetzt wird gesagt: Das war ein übler 'Mob', der Abschaum der zivilisierten Menschheit." Dem widerspricht Schönborn: "Nein, das waren sie nicht! Sie waren Verführte, Belogene. Man hat ihnen eingehämmert: Die da oben, Regierung und Parlament, haben euch die Wahl gestohlen. Die Wahlen waren manipuliert. Ihr müsst euch wehren!"
Dies sei den Menschen pausenlos über Twitter und andere Kanäle vom Präsidenten des mächtigsten Landes der Welt eingehämmert worden. Schon lange vor den Wahlen habe Trump verkündet, wenn er nicht wiedergewählt werde, könne das nur Wahlbetrug sein. Er habe zu Protest aufgefordert und seinen Anhängern gesagt "Geht zum Kapitol!" Schönborn: "Die Menge, die das Kapitol stürmte, war fälschlich davon überzeugt, gegen den größten Wahlbetrug in Amerikas Geschichte zu kämpfen." Nichts rechtfertige deren Gewalt; noch weniger aber "die Lügen, die zur Gewalt geführt haben", so der Wiener Kardinal. Und weiter: "So weit kommt es, wenn Wahrheit nicht mehr von Lüge unterschieden wird. Welch eine Warnung vor der Macht der Lüge!"
Der Kapitol-Sturm am 6. Januar hatte weltweit für Entsetzen gesorgt. Führende US-amerikanische Kirchenvertreter forderten Trump am vergangenen Freitag zum sofortigen Rücktritt auf. Einzelne US-Bischöfe meldeten sich bereits unmittelbar nach den Ausschreitungen kritisch zu Wort; zuletzt gab auch der einstige Trump-Verbündete und New Yorker Kardinal Timothy Dolan dem Noch-Präsidenten die Schuld am Kapitol-Sturm. In Deutschland forderte der Bamberger Erzbischof Ludwig Schick eine konsequente juristische Aufarbeitung der Vorfälle in Washington. Diejenigen, die in das Kapitol eingedrungen seien, "müssen vor Gericht", erklärte Schick. "Davon kann auch der Präsident nicht ausgenommen sein." Inzwischen läuft ein zweites Amtsenthebungsverfahren gegen Trump. Am Mittwoch wird sein Nachfolger Joe Biden als US-Präsident inauguriert. (tmg/KNA)