Interview mit Autor Daniel Gewand über geistliche Impulse aus dem Alltag

Verkündigung im Radio: 90 Sekunden für den Glauben

Veröffentlicht am 06.02.2021 um 15:29 Uhr – Lesedauer: 

Bonn ‐ Wie von Gott, Glaube und Kirche sprechen, wenn man nur 90 Sekunden dafür zur Verfügung hat? Pastoralreferent Daniel Gewand spricht seit etwa zehn Jahren geistliche Impulse im WDR. Im Interview verrät er, warum er oft Geschichten aus dem Alltag erzählt und weshalb Gott wie ein Bademeister ist.

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Die Verkündigung im Radio ist eine Herausforderung, denn in nur 90 Sekunden sollen die Hörer etwas vom Glauben verstehen und in ihren Alltag mitnehmen. Daniel Gewand erzählt im Interview, wie er beim Verfassen seiner geistlichen Impulse vorgeht. Erst jüngst hat er einige seiner Texte in einem Buch veröffentlicht.

Frage: Herr Gewand, Sie haben ein Buch mit Ihren geistlichen Impulsen beim WDR-Radiosender "1 Live" veröffentlicht. Wie schafft man es, die doch sehr umfangreichen Themen Religion und Kirche in nur 90 Sekunden unterzubringen?

Gewand: Die saloppe Antwort ist "Üben, üben, üben"! (Lacht) Die ausführliche Antwort ist, dass man die Kunst des Reduzierens beherrschen muss. Ich gehe immer von Erfahrungen aus meinem Alltag aus. Viele Geschichten in dem Buch sind Erlebnisse von mir, bei denen ich meine, etwas über Gott und das Leben verstanden zu haben. Was mir geschehen ist, bringe ich auf den Punkt. Im Radio und in den Medien allgemein spricht man vom sogenannten "Küchenzuruf", also der auf einen Kernsatz reduzierten Botschaft, die nach dem Hören eines Beitrags hängen bleiben muss. Diesen Satz schreibe ich mir vor dem Verfassen des Beitrags auf. Dann fällt viel von der eigentlichen Geschichte weg, etwa Details, die zwar zum Erlebten dazugehören, aber für den wesentlichen Punkt unwichtig sind. Diese Reduzierung auf das Wichtigste ist gerade für Theologen eine große Herausforderung. (Lacht) Wir formulieren ja gerne und viel. Aber das muss man lernen, wenn man in der Radioverkündigung nur 90 Sekunden oder manchmal sogar weniger Zeit für seinen Beitrag hat. Aber die Erfahrung zeigt, dass es geht: 90 Sekunden sind länger, als man denkt.

Frage: Bei Lesen Ihres Buches ist mir aufgefallen, dass einige Themen öfter vorkamen, etwa das Marathonlaufen oder Freibadbesuche. Außerdem gibt es viele Alltagsvergleiche nach dem Motto "Gott ist wie…", bei denen Sie sich auf persönliche Erfahrungen beziehen. Was macht es mit Ihnen, dass die Hörer Sie auf diese Weise so persönlich kennenlernen?

Gewand: Mein Grundsatz in der Verkündigung ist: "Sprich von Dir, sprich von Gott und sprich verständlich." Ich habe vor etwa zehn Jahren damit begonnen, im Radio von Gott zu sprechen. Dabei habe ich schnell gelernt, dass Alltagsnähe gute Anschlussmöglichkeiten für Hörerinnen und Hörer bietet. Außerdem gilt: Der Glaube kommt immer auf zwei Beinen. Warum nicht auch durch mich? Schließlich stehe ich als Person für den christlichen Glauben und muss deshalb auch persönlich davon erzählen. Ich spreche nicht von mir, weil ich toll oder ein besserer Christ wäre. Ganz und gar nicht! Sondern ich möchte einfach davon erzählen, wie ich Gott im Alltag erlebe. Dass man mich dadurch besser kennenlernt, finde ich nicht problematisch.

Frage: Haben Sie eine Lieblingsgeschichte in Ihrem Buch?

Gewand: Es gibt viele Geschichten im Buch, die ich sehr gerne mag. Aber den Vergleich von Gott mit dem Büdchen-Besitzer Husemann aus meiner Kindheit mag ich besonders. Deswegen ist er auch auf dem Buchdeckel und die Budenästhetik hat das Buchlayout inspiriert. Ich versuche wie Jesus in Gleichnissen zu erzählen, aus dem Alltag meiner Hörerinnen und Hörer. Der ist heute für viele Menschen nicht mehr landwirtschaftlich geprägt, wie zu Jesu Zeiten, sondern eher städtisch. Deshalb spreche ich von Gott, der wie meine Hausärztin, wie ein Bademeister oder eben wie der besagte Kioskbesitzer ist. Auch die Geschichte "Da kommt noch was" finde ich sehr schön: Darin gehe ich ausgehend vom Dessert-Löffel im Restaurant darauf ein, dass wir Hoffnung haben können, auch nach dem Leben noch etwas zu erleben, auf das wir uns freuen können. Es ist als Kirche unsere Aufgabe, die Frohe Botschaft weiterzuerzählen und sich dabei Jesus zum Vorbild zu nehmen. Denn er hat vom Himmelreich und von Gottvater so gesprochen, dass die Menschen der damaligen Zeit ihn verstehen konnten. Deshalb auch die Bilder vom Hirten oder vom Sämann. Heute brauchen wir neue Bilder in der Tradition Jesu. Und auch, wenn ich deswegen einen Disput mit einem meiner Professoren an der Uni hatte, der meinte, man könne nicht so profan von Gott reden, glaube ich, dass man das durchaus darf und vielleicht sogar tun muss. Natürlich ist nicht jeder Bademeister wie Gott oder Gott genauso wie ein Bademeister, ganz klar. Aber gewisse Eigenschaften, die ich in Gott sehe, lassen sich mit diesem Vergleich einleuchtend kommunizieren.

Daniel Gewand am Mikro
Bild: ©Johannes Hörnemann

Pastoralreferent Daniel Gewand aus dem Bistum Münster gründete 2016 den "frei.raum.coesfeld", ein pastorales Angebot für junge Erwachsene in Coesfeld im Münsterland. Seit etwa zehn Jahren spricht er zudem geistliche Impulse beim WDR-Radiosender "1 Live".

Frage: Welche Rückmeldungen bekommen Sie von den Hörern auf Ihre Radio-Beiträge?

Gewand: Negative Resonanz gibt es kaum. Wenn dann nur anonym per Mail, wenn ich mich zu bestimmten politischen Haltungen und ihrer Unvereinbarkeit mit dem christlichen Glauben geäußert habe. Was öfter passiert, sind meist witzige Sachen, wie etwa der Anruf eines Handwerkers, der vor einem halben Jahr etwas in meinem Büro repariert hatte, und mich nach einiger Zeit anrief und sagte, er habe mich gerade im Radio gehört. Es gibt viel positives Feedback und auch Rückfragen: "Schön, dass du das erzählt hast! Ich wusste gar nicht, dass du das so siehst." Und nicht nur für mich, sondern oft auch für die Kolleginnen und Kollegen.

Frage: Gerade bei der Verkündigung im Radio kann man mit Glaubensimpulsen Gefahr laufen, zu wenig Tiefe in den Beiträgen zu haben. Was machen Sie, um das zu vermeiden?

Gewand: "Sprich von Gott!" (Lacht) In einigen Texten geht es expliziter um Gott, Glaube und Kirche, in anderen geht es eher implizit darum. Beides hat seine Berechtigung, doch ich nutze die 90 Sekunden im Radio gerne dazu, bewusst von Gott zu erzählen. Man muss sich einfach trauen, vom Glauben zu sprechen und die Erfahrungen, die man gemacht hat, auch rüberzubringen. Dann sind es nicht "nur" nette Geschichten, sondern Erzählungen mit Tiefe.

Frage: Wie wird der Erfolg der Radioverkündigung gemessen? Oder anders gefragt: Wäre die Zeit, die Seelsorger dafür investieren, nicht besser in der Gemeindepastoral aufgehoben?

Gewand: Der Mehrwert von Radioverkündigung ist natürlich schwer zu messen – etwas das vielleicht auch insgesamt für die Tätigkeit in der Seelsorge gilt. Denn wir verkaufen schließlich nichts, was man an Zahlen messen könnte. Man kann sich zwar die Klickzahlen der Beiträge im Internet anschauen, aber die sind nur bedingt aussagekräftig. Die Kirche tut sehr gut daran, mit ihrer Botschaft in den Medien präsent zu sein. Die Grundvollzüge der Kirche sollte man nicht gegeneinander ausspielen: Wir sprechen hier über die Martyria, das Zeugnisgeben. Es ist wichtig, dass wir als Kirche alle Grundvollzüge leben, also auch Gottesdienst feiern und karitativ tätig sind.

Husemanns Büdchen
Bild: ©Aschendorff Verlag

Büdchenästhetik vom Cover des Buchs "Gott ist wie Husemann" von Daniel Gewand. Es ist im Aschendorff Verlag in Münster erschienen und kostet 14,80 Euro.

Frage: Nun gibt es auch Kritik daran, dass die Kirche in den Medien präsent ist, vor allem wegen des massiven Bedeutungsverlusts der Glaubensgemeinschaften…

Gewand: Für die Kirche ist es sehr gut, dass sie Sendezeit im Radio hat. So erreichen wir viele Menschen, die wir sonst nicht erreichen würden. Das ist schließlich der Auftrag der Kirche, der sich aus den Evangelien heraus ergibt: "Gehet hinaus in alle Welt." Ich verstehe die gesellschaftlichen Diskussionen, um die Sendeplätze der Kirchen in Rundfunk und Fernsehen, glaube aber, dass die Kirche ihre Möglichkeiten hier gut nutzen sollte.

Frage: Vielleicht auch eher durch Information zu Kirche und Glaube statt mit Verkündigung?

Gewand: Beim Thema Berichterstattung und Informationen zu den Religionen ist ganz klar der Journalismus gefragt. Wenn ich Verkündigung sage, meine ich ein für die Hörerinnen und Hörer passendes Zeugnis des Glaubens, das mit ihrem Alltag zu tun hat. Das kann manchmal auch Information über die Kirche sein – etwa, wenn ich für den 11.11. einen Beitrag mache. Dann muss ich natürlich erklären, wer Sankt Martin war und wie das Brauchtum an diesem Tag aussieht – auch, weil ich heutzutage nicht mehr davon ausgehen kann, dass alle Menschen wissen, was der heilige Martin gemacht hat. Diese Art von Information ist Teil unseres Auftrags. Aber Verkündigungssendungen sollten verkündigen und Zeugnis geben von unserem Glauben an Gott.

Frage: Sie arbeiten hauptsächlich in der Pastoral für junge Erwachsene. Was haben Sie von Ihrer Arbeit im Radio für diese Aufgabe gelernt?

Gewand: Ich habe sehr viel vom Radio für die Seelsorge vor Ort mitgenommen. Beim Radio muss klar sein, für wen einen Beitrag macht. Und vor allem: Für wen nicht. Wir stellen uns unsere Hörerinnen und Hörer vor: Wer hört uns eigentlich? Wie alt ist diese Person? Was sind ihre Interessen? Dementsprechend versuche ich die Themen der Verkündigung herauszuarbeiten. Auch ein Grund, warum viel Alltag in meinen Beiträgen vorkommt, denn so bieten sich viele Möglichkeiten zum Andocken im Leben der Menschen. Gleichzeitig darf man nicht anbiedernd sein und sollte dabei helfen, Gott im eigenen Alltag zu entdecken. Wenn ich einen ausgefallenen Zug mit einem Wink Gottes zum Innehalten verbinde, können das die Hörer nachvollziehen und vielleicht genauso sehen. Das funktioniert sowohl im Radio als auch in der Seelsorge vor Ort.

Von Roland Müller