Nathanael Liminski: Von der "Generation Benedikt" zu Armin Laschet
Nach der Wahl von Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet zum neuen Bundesvorsitzenden der CDU rückt in diesen Tagen auch das Team hinter dem 59-Jährigen verstärkt in den Fokus. Insbesondere Menschen jenseits des bevölkerungsreichsten Bundeslandes, die mit Laschet und seiner Politik bislang kaum etwas zu tun hatten, wollen wissen, mit wem sich der neue starke Mann der Christdemokraten im politischen Alltag umgibt und wer ihn bei seinen Entscheidungen beeinflusst.
Dabei fällt vor allem ein Name immer wieder: Nathanael Liminski. Der 35-Jährige, der seit 2017 als Chef der nordrhein-westfälischen Staatskanzlei sehr geräuschlos die Regierungsgeschäfte in Düsseldorf organisiert, ist einer der engsten Vertrauten Laschets – und dürfte bei dessen weiteren bundespolitischen Ambitionen eine zentrale Rolle spielen. Manche Beobachter spekulieren sogar schon, dass Liminski unter einem Bundeskanzler Laschet Kanzleramtsminister werden und damit in das Zentrum der Bundespolitik aufsteigen könnte.
Laschets "Schatten" hat eine bemerkenswerte katholische Vita
Es kann sich also durchaus lohnen, sich Laschets "Schatten" genauer anzuschauen – auch aus kirchlicher Perspektive, denn Liminski hat eine bemerkenswerte katholische Vita. Als achtes von zehn Kindern im September 1985 in Bonn geboren, wuchs er in einer katholischen – manche würden wohl sagen: erzkatholischen – Familie auf. Sein Vater war der im Juni verstorbene Journalist und Familienaktivist Jürgen Liminski, der Mitglied der umstrittenen katholischen Gemeinschaft Opus Dei und wiederholt als Redner beim Kongress "Freude am Glauben" des konservativen "Forums deutscher Katholiken" und bei Veranstaltungen der AfD aufgetreten war.
„Ich kenne viele Homosexuelle, und einige tun mir leid. Der Staat muss schon aus reiner Selbsterhaltung die natürliche Form der Ehe und Familie fördern.“
Nathanael Liminski trat 2005, kurz nach seinem Abitur am katholischen Collegium Josephinum in Bonn, erstmals öffentlich in Erscheinung. Ausgelöst durch den umjubelten Besuch von Benedikt XVI. (2005-2013) beim Weltjugendtag in Köln gründeten Liminski und andere junge Katholiken die Initiative "Generation Benedikt" (die heute "Initiative Pontifex" heißt). Das papsttreue Netzwerk wollte den Schwung des Weltjugendtags nutzen, um konservativen Überzeugungen unter Jugendlichen und in den Medien stärker Gehör zu verschaffen.
Als Sprecher der Gruppe trat Liminski, dessen Vorname auf einen der ersten Jünger Jesu zurückgeht (Joh 1,45-50) und übersetzt "Gott hat gegeben" bedeutet, in den Jahren danach als eine Art "Vorzeigekatholik" wiederholt in Fernseh-Talkshows auf. Geradezu legendär wurde dabei 2007 sein Auftritt in der Sendung von Sandra Maischberger, wo er sich zu dem Thema "Keuschheit statt Porno – Brauchen wir eine neue Sexualmoral?" mit der türkischstämmigen Porno-Rapperin Lady Bitch Ray verbal duellierte und trotz ihrer Provokationen ("Ich würde gerne sehen, wie knackig Dein Arsch ist") ruhig und souverän über den Papst und seine persönliche Haltung zur Sexualität ("Kein Sex vor der Ehe") sprach.
"Abtreibungen finde ich ethisch nicht vertretbar"
Einblick in sein Weltbild hatte Liminski kurz zuvor auch dem "Spiegel" gegeben, wo er im Rahmen einer Serie über 21-Jährige porträtiert wurde. In dem Text beklagte er, dass die Medien beim Weltjugendtag nicht die "authentische Begeisterung" wiedergegeben, sondern Zerrbilder von Jugendlichen gezeichnet hätten. Außerdem schilderte er seinen katholischen Werdegang und seine Haltung zu kirchlichen Reizthemen wie Abtreibung ("Finde ich ethisch nicht vertretbar, aber ich kann es noch verstehen, wenn es um Gesundheitsgefahren für die Mutter oder um eine Schwangerschaft nach einer Vergewaltigung geht. Aber die allermeisten Abbrüche haben mit persönlicher Lebensplanung zu tun, darüber muss man reden.") und Homo-Ehe ("Ich kenne viele Homosexuelle, und einige tun mir leid. Der Staat muss schon aus reiner Selbsterhaltung die natürliche Form der Ehe und Familie fördern.").
Von 2006 bis 2010, kurz nach einem Praktikum bei dem evangelikalen US-Politiker Mark Souder, studierte Liminski in seiner Heimatstadt Bonn Mittelalterliche und Neuere Geschichte, Politikwissenschaft und Staatsrechtslehre; ein Auslandssemester verbrachte er an der Pariser Universität Sorbonne. Während seines Studiums schrieb er 2009 mehrere Texte für die rechtskonservative Internetseite freiewelt.net, deren Herausgeber Sven von Storch, der Ehemann der heutigen AfD-Bundestagsabgeordneten Beatrix von Storch, ist.
Unmittelbar nach seinem Studium startete Liminski dann unter prominenten Unionspolitikern schnell eine beachtliche Karriere in der Ministerialbürokratie. 2010 wurde er zunächst Redenschreiber des hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch, bevor er bald darauf – noch unter Karl-Theodor zu Guttenberg – in das Verteidigungsministerium wechselte. Dort arbeitete er sich schnell bis in das Ministerbüro von Guttenbergs Nachfolger Thomas de Maizière hoch, dem er Anfang 2014 auch in das Innenministerium folgte.
Zur selben Zeit war Armin Laschet als Oppositionsführer in Düsseldorf auf der Suche nach einem Geschäftsführer für die tief zerstrittene CDU-Landtagsfraktion – und konnte schließlich nach längerem Werben den ihm empfohlenen Liminski für den Posten gewinnen. Nach seinem Wechsel an den Rhein entwickelte sich der damals 28-Jährige schnell zum unersetzlichen Alter Ego Laschets. Liminski gilt als fleißiger und genauer Aktenleser, zuverlässiger Zuarbeiter und geschickter Organisator. Für Laschet ist er aber auch deshalb wertvoll, weil er ihm mit seinem Netzwerk Zugang zu konservativeren Milieus in der CDU und unter katholischen Gläubigen verschafft, die dem neuen Bundesvorsitzenden zumindest in der Vergangenheit mitunter skeptisch gegenüberstanden. Teilweise netzwerkt Liminski sogar bis in die eigene Familie hinein: CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak, mit dem er eng befreundet ist, machte er zum Patenonkel eines seiner drei Kinder – von denen das erste übrigens schon zwei Jahre vor Liminskis Heirat geboren wurde.
Über seinen Glauben spricht er öffentlich nicht mehr
Seit er für Armin Laschet arbeitet, hält sich Liminski mit öffentlichen Wortmeldungen zurück. Das Rampenlicht überlässt er seinem Chef, er selbst ist nur noch selten in Talkshows zu Gast. Auch seinen Glauben und seine katholischen Überzeugungen macht er in der Öffentlichkeit heute nicht mehr zum Thema. Sicher auch, weil er weiß, dass er damit heute beruflich und politisch Probleme bekommen könnte. Schließlich passen seine konservativen Aussagen aus den 2000er-Jahren so gar nicht zu Laschets liberalerem "Maß und Mitte"-Kurs
Die kommenden Monate, in denen sich Armin Laschet an der Spitze der CDU etablieren muss und in denen auch die Frage des Unions-Kanzlerkandidaten beantwortet wird, dürften auch für Nathanael Liminski und seine weitere Karriere spannend werden. Es wird sich zeigen, ob der ehrgeizige Katholik seinen rasanten politischen Aufstieg wird fortsetzen können und wie er – dann eventuell in Berlin – seine persönlichen Glaubensüberzeugungen künftig in die Politik einbringt.
Dieser Texte wurde erstmals am 1. Februar 2021 veröffentlicht und jetzt neu publiziert.