Ein Jahr Synodalversammlung: Was geschafft wurde – trotz Corona
Begonnen hatte der Synodale Weg eigentlich bereits am 1. Advent 2019 mit Gottesdiensten in den meisten der 27 deutschen Diözesen und dem Entzünden von Synodalkerzen – richtig Fahrt nahm der Reformdialog jedoch mit den Beratungen der ersten Synodalversammlung auf. Heute vor genau einem Jahr begaben sich die 230 Mitglieder des beschlussfassenden Gremiums des Synodalen Wegs nach Frankfurt am Main zu ihrem ersten Treffen, das aufgrund der Corona-Krise das bislang einzige in dieser Zusammensetzung bleiben sollte.
Gleich zu Beginn stand jedoch das Scheitern des Reformprozesses im Raum, weil einige Synodale in der Verabschiedung der Geschäftsordnung nicht nur einen schnell abzuhandelnden Tagesordnungspunkt sahen. Vielmehr forderte eine Gruppe rund um den Bonner Stadtdechanten Wolfgang Picken, die sich von den Organisatoren nicht genügend eingebunden fühlten, eine "gleichberechtigte und transparente Gestaltung" des Synodalen Wegs. Nach einer Grundsatzdiskussion und mehrstündigen Verspätung im geplanten Ablauf wurde die Geschäftsordnung schließlich angenommen.
Regionenkonferenzen ersetzen zweite Synodalversammlung
In der nun folgenden inhaltlichen Diskussion zeigten sich jedoch schnell große Differenzen zwischen den Teilnehmern: So bezeichnete der Hamburger Erzbischof Stefan Heße die kirchliche Lehre zur Homosexualität als "verletzend und nicht weiterführend". Der Kölner Weihbischof Dominikus Schwaderlapp warb hingegen für die Anerkennung der Einheit von Leib und Seele und die "Theologie des Leibes" von Johannes Paul II. Weitere emotionale Wortmeldungen prägten die Synodalversammlung, wie etwa das Bekenntnis von Janosch Roggel aus dem Erzbistum Paderborn, transsexuell zu sein. Und weiter: "Der Missbrauch durch einen Priester ist für mich das Schlimmste gewesen." Nach anfänglicher Stille erhoben sich die Synodalen und zollten Roggel für die Offenheit mit Applaus ihren Respekt.
Damals ahnte wohl keiner der Synodalen, wie die derzeitige Pandemie die inhaltliche Arbeit des Reformprozesses prägen würde. Corona-bedingt musste die für Anfang September angesetzte zweite Plenarversammlung abgesagt werden. Bereits im Mai hatte das Präsidium des Synodalen Wegs daher in Absprache mit der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) und dem Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) beschlossen, anstelle einer Zusammenkunft der 230 Synodalen sogenannte Regionenkonferenzen zu veranstalten. So trafen sich am 4. September in Berlin, Dortmund, Frankfurt, Ludwigshafen und München jeweils rund 50 Teilnehmer, um an einem Tag über die Themen des Synodalen Wegs zu sprechen.
Was als Notlösung unter dem Leitwort "Fünf Orte – ein Weg" gedacht war, entpuppte sich für viele Synodale als schlüssiges Konzept: Die Regionenkonferenzen ermöglichten eine persönliche Begegnung der Teilnehmer und zielführende Diskussionen. Wie etwa Irmentraud Kobusch vom "Netzwerk Diakonat der Frau", die am Treffen in Frankfurt teilnahm, bezeichneten viele Synodale die Gespräche als "konstruktiv und positiv". Doch wie schon bei der ersten Synodalversammlung traten auch bei den Regionenkonferenzen die zum Teil sehr weit auseinanderliegenden Ansichten der Teilnehmer zutage: Besonders bei der der Ämterfrage und dem Thema Sexualmoral zeigten sich große Unterschiede. Während die einen Priesterinnen fordern, verwiesen die anderen vehement darauf, dass dies nicht mit der Lehre der Kirche vereinbar sei.
Auch in den vier Synodalforen ist die Arbeit an den Themen des Reformprozesses von diesen scheinbar unüberbrückbaren Differenzen geprägt. Erneuerungsbedarf bei der Kirche sehen wohl alle Mitglieder der Arbeitsgruppen zu den Punkten "Macht und Gewaltenteilung", "Priesterliche Existenz", "Frauen in Diensten und Ämtern" und "Sexualität und Partnerschaft" – doch die konkrete Ausrichtung von Reformen ist umstritten. Zudem ist das Arbeitstempo in den einzelnen Foren sehr unterschiedlich: So konnte das Macht-Forum bereits eine nahezu fertige Beschlussvorlage in seinen Online- und Präsenzsitzungen erarbeiten, die etwa neue Standards bei der Finanzverfassung der Diözesen vorschlägt. Die anderen Arbeitsgruppen hingegen sind noch nicht so weit.
Synodaler Weg als "letzte Chance"?
Hatten die Veranstalter im September noch gehofft, die zweite Synodalversammlung Anfang Februar 2021 im geplanten Rahmen stattfinden zu lassen, machte ihnen die zweite große Corona-Welle einen weiteren Strich durch die Rechnung. Die reguläre Plenarsitzung musste in den Herbst verschoben und durch einen Online-Zwischenschritt ersetzt werden. Am kommenden Donnerstag und Freitag treffen sich die Synodalen nun digital zu einer aktuellen Bestandaufnahme. Dabei soll es neben Berichten aus den Foren um weitere Themen gehen, die von den Teilnehmern eingebracht werden können. Sicherlich wird dazu auch die Aufarbeitung des sexuellen Missbrauchs in der Kirche gehören: Die Nicht-Veröffentlichung des Missbrauchsgutachtens im Erzbistum Köln hat in den vergangenen Monaten viele Gläubige verärgert.
Die Corona-Krise hat den Synodalen Weg zwar ausgebremst und um ein Jahr verlängert. Doch viele Gläubige halten ihn mit Blick auf die derzeitige Situation der Kirche in Deutschland für notwendiger denn je – so auch DBK-Vorsitzender Bischof Georg Bätzing. Der Limburger Oberhirte verglich den Reformprozess kürzlich mit der Würzburger Synode, die vor 50 Jahren die Beschlüsse des Zweiten Vatikanischen Konzil (1962-65) für Deutschland umsetzte. Die Synodale Michaela Labudda sieht in ihm – dem Titel des von ihr jüngst herausgegebenen Buches zufolge – als "letzte Chance" für die Kirche. Ihr macht besonders große Sorgen, dass 2019 mehr als 270.000 Personen der Kirche durch ihren Austritt den Rücken zugekehrt haben. Ob die Beschlüsse des Synodale Weg diese Entwicklung jedoch aufhalten können, bleibt abzuwarten.