Standpunkt

"Widerspruch aus Loyalität" ist ein Dienst an der Kirche

Veröffentlicht am 04.02.2021 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 

Bonn ‐ Widerspruch und Konflikt sind in der Kirche seit jeher schwierige Themen. Doch für Ricarda Menne ist "Widerspruch aus Loyalität" ein Dienst am Glauben – und das sowohl bei den großen als auch kleinen Problemfeldern der Kirche.

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"Widerspruch aus Loyalität ist ein Dienst an jeder Gemeinschaft, die lebendig bleiben will", lautet das Fazit in dem schmalen Bändchen Widerspruch aus Loyalität von Klaus Mertes, das in den letzten Tagen meine Abendlektüre war.

Gewiss, Widerspruch geschieht nicht per se aus Loyalität, sondern kann auch Ausdruck von kindischem Trotz sein oder der Versuch, Sand ins Getriebe zu streuen und Prozesse zu blockieren. Daher tun beide Seiten – derjenige, der Widerspruch übt, wie derjenige, dem widersprochen wird – gut daran, sich ehrlich zu prüfen: "Welche persönlichen Interessen oder Befindlichkeiten schwingen in meinem Widerspruch mit?" Beziehungsweise: "Was, wenn der Widerspruch berechtigt ist und nicht einem Willen zur Zerstörung entspringt, sondern in Treue wurzelt?"

Weiter heißt es über den loyalen Widerspruch: "Er bringt Kirche, Kultur, Gesellschaft voran, gerade sofern sie noch in der Finsternis des Schweigens stehen." Die "Finsternis des Schweigens" als eine Realität auch in der Kirche – kein neues aber leider immer noch ein aktuelles Thema. Brandaktuell. Und da ist nicht nur die "große" Finsternis des Vertuschens und Verschweigens von – nennen wir es beim Namen: Verbrechen. Sie wirkt wie ein Schwarzes Loch, das auch das unbestreitbar Gute in der Kirche zu verschlucken droht. Da ist auch die "kleine" Finsternis, wo Menschen aus Resignation, Vorsicht oder Angst schweigen oder zum Schweigen raten:

"Ich habe das Gefühl, dass ich meinen Freund verleugnen muss, weil wir schon zusammenleben aber noch nicht verheiratet sind", sagte mir vor etlichen Jahren eine Mitreferendarin mit Blick auf die Missio Canonica. "Pass auf, was Du schreibst oder postest; nicht, dass Dir mal irgendjemand daraus einen Strick dreht", rieten mir vor Kurzem meine Eltern.

Szenenwechsel: In gut zwei Monaten wird wieder eine brennende Osterkerze in die dunkle Kirche getragen, wird der Priester oder Diakon den Ruf "Lumen Christi" – "Christus, das Licht" anstimmen, wird die Gemeinde (wenn sie denn singen darf) antworten: "Deo Gratias" – "Dank sei Gott". Es ist höchste Zeit, dass die Finsternis in der Kirche nicht nur in ritualisierter Form in der Osternacht erhellt und bekämpft wird, sondern konkret – gerade dort, wo es schmerzt und wo sich zeigt, wie tief die Abgründe sind, die ausgeleuchtet werden müssen. Und das Licht muss offenbar (auch) von außen hineingetragen werden: zum Beispiel von Journalisten und unabhängigen Gutachtern.

Von Ricarda Menne

Die Autorin

Ricarda Menne ist Lehrerin für Englisch, Geschichte und katholische Religion. Außerdem ist sie in der Hochschulpastoral der Bergischen Universität Wuppertal tätig.

Hinweis

Der Standpunkt spiegelt nicht unbedingt die Meinung der Redaktion von katholisch.de wider.