Vatikan sieht im Fall O. kein Fehlverhalten Woelkis
Der Vatikan plant im Missbrauchsfall des verstorbenen Düsseldorfer Pfarrers O. offenbar keine kirchenrechtlichen Schritte gegen den Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki. Nach Einschätzung der zuständigen römischen Kurienbehörde habe Woelki den Fall 2015 nach damals geltendem Recht nicht zwingend nach Rom melden müssen. Eine entsprechende Einschätzung der römischen Glaubenskongregation sei vergangene Woche an die Bischofskongregation gegangen. Dies erfuhr die Katholische Nachrichten-Agentur (KNA) aus dem Umfeld der Kurie.
Zuvor hatte bereits die "Welt am Sonntag" über die jüngste Entwicklung in dem Fall berichtet. Laut der Zeitung soll Papst Franziskus Woelkis Bitte, den Fall O. und seine eigene Rolle dabei zu überprüfen, zunächst an die Bischofskongregation übermittelt haben. Die habe die Sache nach einiger Verzögerung mit der Bitte um Prüfung an die Glaubenskongregation weitergegeben, die schließlich zu der Auffassung gekommen sei, dass der Kölner Kardinal korrekt gehandelt habe. Dieses Ergebnis wiederum sei umgehend dem Präfekten der Bischofskongregation, dem kanadischen Kurienkardinal Marc Ouellet, mitgeteilt worden.
Wie geht der Papst mit der Einschätzung seines Apparats um?
Ob Ouellet bereits Papst Franziskus über das Prüfergebnis informiert hat, ist laut der Zeitung unklar. Es sei allerdings schwer vorstellbar, dass es bei der jüngsten wöchentlichen Audienz des Kurienkardinals beim Kirchenoberhaupt nicht auch um Woelki gegangen sei. Offen sei aber auch, wie der Papst mit der Einschätzung seines Apparats umgehen werde. Das Erzbistum Köln teilte laut der Zeitung mit, noch keine Antwort aus Rom erhalten zu haben.
Der Fall des Düsseldorfer Pfarrers O., dem der Missbrauch eines Kindergartenkindes vor mehr als 40 Jahren vorgeworfen wird, ist für Woelki besonders heikel, da ihm in diesem Fall eigenes Fehlverhalten vorgeworfen wird. Der Kölner Erzbischof, der bei dem Geistlichen als Praktikant und Diakon erste Seelsorgeerfahrungen gemacht hatte, soll den Vorwurf gegen O. im Jahr 2015 zwar zur Kenntnis genommen, eine kirchenrechtliche Voruntersuchung und eine Meldung nach Rom aber unterlassen haben. Woelki begründete dieses Vorgehen mit der damals schon weit fortgeschrittenen Demenz des Pfarrers. In einem Interview hatte Woelki vor wenigen Tagen seine Sichtweise in dem Fall bekräftigt: "Ich habe mein Gewissen geprüft, und ich bin persönlich der Überzeugung, dass ich mich korrekt verhalten habe."
Fall O. auch Bestandteil der Diskussion um Kölner Missbrauchsgutachten
Der Vatikan hatte die kirchenrechtlichen Bestimmungen zur Ahndung von Missbrauchsfällen 2010 verschärft. In Artikel 16 der Normen über schwerwiegende Straftaten (Normae de gravioribus delictis) der Glaubenskongregation heißt es: "Wann immer der Ordinarius oder Hierarch eine mindestens wahrscheinliche Nachricht über eine schwerwiegendere Straftat erhält, muss er nach Durchführung einer Voruntersuchung die Kongregation für die Glaubenslehre darüber informieren." 2019 hatte es mit dem Apostolischen Schreiben "Vos estis lux mundi" noch eine weitere Verschärfung der Vorgaben gegeben. Worauf sich der Vatikan bei seiner Beurteilung des Falls O. beruft, ist allerdings bislang unklar.
Die Vorgänge um Pfarrer O. sind auch Bestandteil der Diskussion um zwei Missbrauchsgutachten im Erzbistum Köln. Woelki steht hier ebenfalls unter Druck, weil er eine bei der Münchner Kanzlei Westpfahl Spilker Wastl (WSW) in Auftrag gegebene Untersuchung über den Umgang aktueller und früherer Bistumsleitungen mit Missbrauchsfällen nicht zur Veröffentlichung freigibt. Dabei beruft er sich auf andere Juristen, nach deren Einschätzung das Papier "methodische Mängel" hat. Der von ihm neu beauftragte Strafrechtler Björn Gercke soll am 18. März ein Gutachten über das Verhalten der Bistumsverantwortlichen vorlegen. (stz/KNA)
08.02.2021, 14:13 Uhr: ergänzt um einen Absatz zu den kirchenrechtlichen Bestimmungen