Trierer Bischof berichtet über bisher nicht öffentlich bekannte Beschuldigungen

Ackermann: Neuer Missbrauchsvorwurf gegen Kentenich wird untersucht

Veröffentlicht am 10.03.2021 um 09:25 Uhr – Lesedauer: 

Trier ‐ Bisher waren gegen den Gründer der Schönstatt-Bewegung Vorwürfe ehemaliger Schwestern seiner Gemeinschaft bekannt. Nun berichtet der für die Seligsprechung zuständige Bischof Stephan Ackermann von einem weiteren Fall aus Kentenichs Zeit in Milwaukee.

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Der Gründer der Schönstatt-Bewegung, Pater Josef Kentenich, soll in den Jahren 1958 bis 1962 einen amerikanischen Staatsbürger sexuell missbraucht haben. In einem Interview mit der Kirchenzeitung Paulinus (Mittwoch) gab der für das Seligsprechungsverfahren zuständige Trierer Bischof Stephan Ackermann bekannt, dass im Rahmen der Prüfung der Vorwürfe durch eine neu eingerichtete Expertengruppe auch solche Anschuldigungen überprüft werden, die im Jahr 1994 gegenüber der Erzdiözese Milwaukee vorgebracht und dort durch ein kirchliches Gericht geprüft wurden. Das amerikanische Kirchengericht habe keinen Anlass gesehen, die Sache weiter zu verfolgen. Der Vorgang und die dazugehörenden Unterlagen seien in der diözesanen Phase des Seligsprechungsverfahrens im Bistum Trier bekannt gewesen.

"Sie sind mit dem Ergebnis bewertet worden, dass die Untersuchung der Erzdiözese Milwaukee stimmig ist und als abschließend betrachtet werden kann", so Ackermann. Der Bischof kündigte an, aufgrund der seit der Überprüfung der Vorwürfe gesammelten Erfahrungen mit der Aufklärung von Verdachtsfällen den Fall noch einmal neu zu bewerten und zu überprüfen, "ob die damalige Untersuchung auch nach heutigen Kriterien als ausreichend betrachtet werden kann, oder ob Aspekte unberücksichtigt geblieben sind, die für eine abschließende Bewertung unbedingt noch mit einbezogen werden müssen". Gegebenenfalls könne das Ergebnis korrigiert werden.

Die Schönstatt-Bewegung reagierte umgehend mit einer Stellungnahme ihres Leiters Pater Juan Pablo Catoggio. Die Bewegung habe bereits 1997 von den Beschuldigungen erfahren, als die Unterlagen aus Milwaukee dem Bistum Trier übergeben wurden. Das Generalpräsidium habe jedoch weder Kenntnis vom genauen Inhalt der Vorwürfe noch Einblick in die Akten erhalten. "Da der Vorgang ausschließlich in die Zuständigkeit der beiden genannten Diözesen fällt, war es den Verantwortlichen der Schönstattbewegung bislang nicht erlaubt, darüber zu informieren", so Catoggio. Das Generalpräsidium begrüße das Vorgehen Ackermanns, die Vorwürfe im Sinn einer umfassenden Klärung noch einmal einer Prüfung zu unterziehen.

Bisher nur Andeutungen bekannt

Öffentlich war der Fall aus der Zeit der von Rom verfügten Trennung Kentenichs von der Schönstatt-Bewegung in den Jahren 1952 bis 1965 bisher nicht bekannt. Die Kirchenhistorikerin Alexandra von Teuffenbach, die im vergangenen Jahr erstmals Vorwürfe sexualisierter Gewalt gegen Kentenich auf der Grundlage ihrer Recherche in vatikanischen Archiven veröffentlicht hatte, hatte jedoch nach Publikation ihrer Dokumentation unter anderem von Akten aus dem Limburger Pallottiner-Archiv angekündigt, eine weitere Archivdokumentation vorzulegen, in der neben Akten aus den Vatikan-Archiven auch erstmals Akten zu "einem bisher nicht bekannten Vorgang während der Zeit der Trennung Kentenichs von seinem Werk in Milwaukee" enthalten sein würden. Am Wochenende wurde bekannt, dass die Schönstätter Marienschwestern rechtliche Schritte gegen die Veröffentlichung Teuffenbachs ergriffen haben.

Im Interview mit der Trierer Kirchenzeitung äußert sich Ackermann auch erstmals ausführlicher zu den Beweggründen, statt wie zunächst angekündigt eine Historikerkommission eine Expertengruppe einzuberufen. Die neue Vorgehensweise ermögliche eine größere Freiheit in der Arbeitsweise. "Ich kann zusammen mit den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern verschiedene Arbeitsaufträge definieren, die sich etwa auf historische, psychologische oder pädagogische Aspekte beziehen. Wir können Zwischenergebnisse vergleichen und diskutieren, und vor allem können wir offen damit umgehen", so Ackermann. Dagegen wäre eine Historikerkommission, wie sie die Instruktion "Sanctorum Mater" vorsieht, zur Geheimhaltung verpflichtet. "Und das halte ich für nicht angemessen", betont Ackermann. Seine Beweggründe für das Vorgehen seien einerseits der Respekt vor möglichen Betroffenen, deren Vorwürfe er ernst nehmen wolle. Andererseits treibe ihn auch der Respekt vor der Schönstatt-Bewegung, einer Bewegung "mit ausgesprochen großer Strahlkraft im Dienst des Evangeliums". Er sei ihr schuldig, die Vorwürfe hinreichend zu prüfen. "Und die Schönstatt-Familie selbst will das auch", so Ackermann weiter.

Die nächsten Schritte seien die Klärung der Arbeitsaufträge in der Expertengruppe und eine Kontaktaufnahme mit den Zuständigen für die Vorwürfe in Milwaukee. Damit solle mehr Klarheit gewonnen werden, ob der Seligsprechungsprozess überhaupt weitergeführt werden könne. Die Zusammensetzung der Expertengruppe ist weiterhin nicht bekannt. Ihr sollen Vertreter der Pallottiner und der Schönstatt-Bewegung angehören. Nach Informationen von katholisch.de waren für die Historikerkommission ein Pallottiner, ein Jesuit, ein Schönstattpater und die Schönstätter Marienschwester Doria Schlickmann vorgesehen, außerdem Vertreter von Pastoraltheologie und Religionspädagogik. (fxn)