Ein Kommentar von Björn Odendahl

Fehlerhafte Steuern in Essen: Nicht böswillig, sondern unprofessionell

Veröffentlicht am 12.03.2021 um 15:45 Uhr – Lesedauer: 

Bonn ‐ Das Bistum Essen musste Steuern in Millionenhöhe nachzahlen. Solche finanziellen Missgeschicke sind kein Einzelfall in der katholischen Kirche in Deutschland. Dadurch wird deutlich: Transparenz in Sachen Finanzen reicht alleine nicht aus. Es braucht mehr, kommentiert Björn Odendahl.

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Als sich der Essener Generalvikar Klaus Pfeffer Anfang März im Interview mit unserem Portal unterhalten hat, ging es um kirchliche Strukturen, um Hierarchien und um Macht, um Intransparenz und um die Herausforderungen komplexer Leitungsaufgaben. Auch über sich selbst und seine Rolle als Generalvikar sprach er dabei. Es habe viele Situationen gegeben, in denen er sich hilflos gefühlt habe, weil mit dem Handwerkszeug aus Theologiestudium und Priesterseminar viele Leitungsprobleme nicht zu lösen gewesen seien. "Rückblickend sehe ich deshalb meine offizielle Ausbildung sehr kritisch", so der Generalvikar.

Jetzt, rund zwei Wochen später, bekommen diese Worte eine neue Bedeutung. Es war kein abstraktes, theoretisches Reden über fehlende Aufgaben- und Gewaltenteilung in der Kirche oder über die Überforderung Einzelner, die man qua Weiheamt auch für Finanzexperten und Top-Manager hielt. Denn wie an diesem Freitag bekannt wurde, hat das Bistum Essen seit 2008 fast zehn Jahre lang Steuern fehlerhaft abgeführt – nicht nur, aber auch in der Amtszeit von Pfeffer selbst. Das alles geschah, und das klingt glaubhaft, nicht absichtlich, böswillig und mit krimineller Energie, sondern aus Unwissenheit und Unprofessionalität. Fünf- bis sechsstellige Steuerbeträge sollen es jährlich gewesen sein, über drei Millionen Euro insgesamt. Inklusive Strafzahlungen macht das etwa 5,8 Millionen Euro. Mit Blick auf die gesamte Kirche in Deutschland mögen das nur "Peanuts" sein. Für das finanzschwache Bistum Essen, das sich seit Jahren auf Sparkurs befindet, ist es eine zusätzliche Belastung.

Zugutehalten kann man der Diözese, dass die Nach- und Strafzahlungen im September 2020 aus eigenem Antrieb geschehen sind – und nicht etwa, weil ihr Steuerprüfer oder die Presse im Nacken gesessen haben. "Selbstverständlich unterstützen wir uneingeschränkt die Aufklärung des Sachverhalts mit Aufrichtigkeit, Verantwortungsbewusstsein und Steuerehrlichkeit", sagt Pfeffer dazu.

Der Schaden ist dennoch da: Denn der "Spiegel" spricht in seiner neuesten Ausgabe von "vertuschen, verschleppen, verschleiern" und nennt Essens Bischof Franz-Josef Overbeck in einem Atemzug mit Bischof Franz-Peter Tebartz-van Elst und dessen 40 Millionen teuren Bischofshaus. Die Analogie zur egoistischen Baubegeisterung des ehemaligen Limburger Oberhirten trägt selbstverständlich nicht. Im Gegenteil: Die im Kern mit Blick auf die Zahlen saubere Artikel des "Spiegel" wird durch solche und andere Polemiken entwertet. Das zeugt vielleicht von Unkenntnis der Autoren, vielleicht aber auch von einem Skandalierungsauftrag, der vor dem Ende der Recherche bereits feststand. Für den Einen oder Anderen, der sowieso schon mit der Kirche hadert, dürfte solche Details aber keine Rolle spielen.

Generalvikar Klaus Pfeffer
Bild: ©Bistum Essen/Nicole Cronauge

Klaus Pfeffer (*1963) ist seit 2012 Generalvikar im Bistum Essen.

Die Steuernachzahlung in Essen ist aber  kein Einzelfall und steht symbolisch für die Herausforderungen, die sich die deutschen Diözesen mit Blick auf Strukturen und Finanzen künftig stellen müssen – und das schnell. Auch im Erzbistum Freiburg gab es 2017 Versäumnisse mit Blick auf zu leistende Steuern und Abgaben. Das Bistum Eichstätt war wegen riskanter Finanzgeschäfte in einen Skandal verwickelt – und Diözesen wie Mainz und Würzburg sind unter ihren aktuellen Bischöfen zu radikalen Sparkursen gezwungen, weil zuvor über Jahre schlecht gewirtschaftet wurde.

In der Konsequenz bedeutet das: Die nach der Affäre Tebartz-van Elst versprochene Transparenzoffensive, etwa das Offenlegen von Vermögen der Diözesen, der Bischöflichen Stühle und anderer Rechtsträger ist ein erster wichtiger Schritt. Sie reichen aber nicht aus, wenn es keine umfassende Beteiligung unabhängiger Kontrollgremien gibt; wenn Aufgaben nicht flächendeckend neu verteilt werden, etwa wie es erste Bistümer mit einer Doppelspitze aus Generalvikar und Verwaltungsexpertin oder -experte versuchen; oder wenn die Verwaltung generell nicht noch stärker professionalisiert wird, so dass das BWL-Studium mehr Gewicht hat als das Theologie-Studium und die Weihe.

Generalvikar Pfeffer sagte im Interview vor zwei Wochen, dass viele der jungen Priester und solche, die es werden wollten, sich nicht mehr wie die ältere Generation über Leitungsaufgaben definieren würden. Spiritualität und Seelsorge stünden bei ihnen im Mittelpunkt. Eine noch stärkere Abkoppelung der Leitungs- und Verwaltungsaufgaben vom Weihesakrament würde ihnen die Chance dazu geben.

Von Björn Odendahl

Der Autor

Der Autor ist Redaktionsleiter bei katholisch.de.