Mehr als 1.000 Seelsorger wollen weiter homosexuelle Paare segnen
"Mit so einer Resonanz haben wir nicht gerechnet", sagt Bernd Mönkebüscher. Zusammen mit dem Würzburger Hochschulseelsorger Burkhard Hose hat der Paderborner Pfarrer nach dem Nein der Glaubenskongregation zur Segnung von gleichgeschlechtlichen Partnerschaften aufgerufen, sich zu outen: "Wir werden Menschen, die sich auf eine verbindliche Partnerschaft einlassen, auch in Zukunft begleiten und ihre Beziehung segnen. Wir verweigern eine Segensfeier nicht", heißt es in dem kurzen Aufruf, der sich seit Montagabend über soziale Netzwerke und Messenger verbreitet. Wenige Tage nach dem Aufruf seien es bereits mehr als 1.000 Rückmeldungen. "Wir kommen gar nicht hinterher, alle Antworten zu sortieren und in die Liste einzutragen", erzählt er am Mittwoch. Noch bis Palmsonntag soll gesammelt werden.
Zu den Unterzeichnern gehörten Priester, Diakone, Gemeinde- und Pastoralreferenten, Religionslehrer und Professoren, die überwiegende Mehrheit direkt aus der Pastoral. "Ordensobere sind dabei, auch Spirituale von Priesterseminaren, Mitarbeitende aus Pfarreien und aus Generalvikariaten", zählt der Pfarrer von St. Agnes im westfälischen Hamm auf. "Im Grunde ist das natürlich erfreulich", sagt er. Aber er stellt auch die Frage, was das für die Kirche bedeutet: "Das zeigt doch, wie weltfremd die Entscheidung aus Rom ist. Die Praxis ist doch eine ganz andere."
Roms Antwort war klipp und klar
Mit dem Aufruf wollen sich Mönkebüscher und Hose an den Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz (DBK), Bischof Georg Bätzing, wenden. Der hatte sich in seiner Rolle als Vorsitzender am Montag, kurz nach dem Bekanntwerden des Dokuments der Glaubenskongregation, sehr vorsichtig und zurückhaltend geäußert. "In Deutschland und in anderen Teilen der Weltkirche gibt es seit längerem Diskussionen, in welcher Weise diese Lehre und Lehrentwicklung allgemein mit tragfähigen Argumenten vorangebracht werden kann – auf der Basis grundlegender Wahrheiten des Glaubens und der Moral, der fortschreitenden theologischen Reflexion und ebenso in Offenheit für neuere Ergebnisse der Humanwissenschaften und der Lebenssituationen heutiger Menschen", hieß es darin, und: "Auf Fragen dieser Art gibt es keine einfachen Antworten" – dabei sah man das in Rom ganz offensichtlich ganz anders. Die römische Antwort auf die Frage, ob die Kirche die Vollmacht habe, gleichgeschlechtliche Partnerschaften zu segnen, war nämlich sehr einfach: "Nein."
Gegen das klare und einfach Nein stellen sich nun immer mehr Seelsorger – nicht nur in Deutschland. In Österreich hat die gut organisierte reformorientierte Pfarrerinitiative am Dienstag einen "Aufruf zum Ungehorsam 2.0" veröffentlicht. "Wir werden – in Verbundenheit mit so vielen – auch in Zukunft kein liebendes Paar zurückweisen, das darum bittet, den Segen Gottes, den sie alltäglich erleben, auch gottesdienstlich zu feiern", versichert die österreichische Initiative, zu der nach eigenen Angaben über 380 Priester und Diakone gehören.
So professionell organisiert ist der deutsche Aufruf nicht. "Burkhard Hose und ich haben am Montag kurz geredet, in einer Viertelstunde hat sich die Idee entwickelt", berichtet Mönkebüscher. Daher ist auch vieles improvisiert: Was genau passiert mit den Unterschriften? Werden die Namen veröffentlicht werden? Gibt es eine Strategie? Vieles ist noch ungeklärt. Wichtig ist dem Hammer Pfarrer, dass die Initiative auch Auswirkungen auf den Synodalen Weg hat. Am liebsten wäre ihm eine Sondersitzung, bis zum nächsten Treffen im Herbst könne das kaum warten.
Zweckoptimismus beim Synodalen Weg
Offiziell zeigt man sich beim Synodalen Weg verhalten optimistisch. Eine gemeinsame Stellungnahme des Aachener Bischofs Helmut Dieser und der ZdK-Vertreterin Birgit Mock, die gemeinsam das Synodalforum "Leben in gelingenden Beziehungen – Liebe leben in Sexualität und Partnerschaft" leiten, verspricht, den römischen Zwischenruf "eingehend zu diskutieren". Mit viel Zweckoptimismus nehmen sie im Dokument aus Rom "ganz überwiegend dynamische Begrifflichkeiten" wahr, die "auf eine mögliche Weiterentwicklung der Lehre der Kirche" hoffen lasse.
Die Glaubenskongregation dagegen wiederholt, was die Kirche schon lange zu Homosexualität sagt. Gleichgeschlechtliche Partnerschaften sind "nicht auf den Plan des Schöpfers hingeordnet". Die Kirche verfüge "weder über die Vollmacht, Verbindungen von Personen gleichen Geschlechts im oben gemeinten Sinne zu segnen, noch kann sie über diese Vollmacht verfügen." Nach "dynamischer Begrifflichkeit" klingt das nicht, und auch nicht danach, seitens Rom den Dialog mit dem Synodalen Weg zu suchen.
Das Nein der Glaubenskongregation scheint vielmehr die Absage an deutsche Dialogversuche zu sein, auch wenn das so nicht explizit in der erläuternden Note steht, die die Kongregation ihrer Antwort beigegeben hat. Dort ist nur ganz allgemein von "einigen kirchlichen Bereichen" die Rede, in denen sich "Projekte und Vorschläge von Segnungen für Verbindungen von Personen gleichen Geschlechts" verbreiteten. Vatikanbeobachter berichten schon länger über das römische Unbehagen über den vermeintlichen nationalen Sonderweg in Deutschland.
Machtansage an diejenigen, die man noch kontrollieren kann
Mönkebüscher und Hose streben auf jeden Fall ein Gespräch mit dem DBK-Vorsitzenden Bätzing an – und sie hoffen auch darauf, dass sich Bischöfe klar äußern. Offen ungehorsam zeigt sich von den Bischöfen keiner – doch deutliche Aussagen gibt es. Der Dresdner Bischof Heinrich Timmerevers nannte die Erklärung "enttäuschend", sein Osnabrücker Amtsbruder Franz Josef Bode sah durch "solch einfache Antworten" die Diskussion eher befeuert denn als beendet an. Den Zwiespalt, in dem Bischöfe sich sehen, macht der Mainzer Bischof Peter Kohlgraf transparent, der sich erst vor wenigen Wochen wertschätzend über Segnungsfeiern geäußert hatte. Nach wie vor steht er zu seinen Äußerungen aus dem Februar. Jetzt stellt er sich die Frage, wie er nach dem römischen Dokument als Bischof damit umgehen soll: "Kann ich als Bischof einen Segen rückgängig machen? Will ich derart viel zartes Porzellan bei glaubenden Menschen zerbrechen? Mir erscheint dies wenig sinnvoll", so Kohlgraf am Dienstag in einer auf der Bistumswebseite veröffentlichten Erklärung. Der Speyerer Generalvikar Andreas Sturm wird auf Facebook noch deutlicher: "Ich habe Wohnungen, Autos, Fahrstühle, unzählige Rosenkränze usw. gesegnet und soll zwei Menschen nicht segnen können, die sich lieben? Das kann nicht Gottes Wille sein." Als Priester werde er auch zukünftig Menschen segnen.
Mit dem Aufruf, sich zum Segen zu bekennen, möchte Mönkebüscher die Spannung zwischen Lehre und Praxis in der Realität aufzeigen – und durch die Menge auch die Seelsorger schützen. Ihm sind Beispiele von Priestern bekannt, denen mit Suspendierung gedroht wurde, wenn sie noch einmal eine Segensfeier leiten würden. "So viele Kolleginnen und Kollegen, wie jetzt unterschrieben haben, können aber gar nicht abgestraft werden", sagt er bestimmt. Denn für Mönkebüscher ist klar: Es geht um Macht. "Das römische Dokument ist doch nichts als eine Machtansage an Priester und Diakone – die einzigen, über die man noch Macht ausüben kann", ergänzt er.
Der Pfarrer, der sich selbst vor zwei Jahren als schwul geoutet hat, hat noch keine Segnungsfeier für ein gleichgeschlechtliches Paar geleitet. "Welches schwule Paar, welches lesbische Paar würde denn in dieser Situation überhaupt um einen Segen bitten?", fragt er. Natürlich sind auch bei ihm im Gottesdienst viele Homosexuelle, auch Paare. Die würden aber von der Kirche in Richtung Segen nichts erwarten. "Wer will denn Bittsteller bei der Kirche sein, dem dann gnädig geheim und unter der Hand ein Segen erteilt wird oder der entwürdigend abgewiesen wird?" Gleichwohl: Er stünde bereit für eine Segnungsfeier, wenn er gefragt würde. Ihn stört die Doppelmoral der Kirche: "Wenn wir unsere eigene Sexualmoral ernst nehmen würden, dann müssten wir doch auch jedes heterosexuelle Paar vor der Trauung zur Beichte zwingen. Aber das tun wir nicht." Hier nehme sich die Kirche nicht ernst – aber bei Homosexualität werde die Lehre eingeschärft: "Und die gleichgeschlechtlichen Paare lässt man dann gegen eine Wand fahren".