Nach monatelanger Diskussion erfolgt heute die Veröffentlichung

Wer? Was? Wann? Alle Infos rund um das Kölner Missbrauchsgutachten

Veröffentlicht am 18.03.2021 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 

Bonn ‐ Wer war wann im Erzbistum Köln verantwortlich? Um welche Fälle geht es? Was ist in den vergangenen Monaten passiert? Und was unterscheidet staatliches und kirchliches Recht bei Vertuschungen? Heute erscheint nach langem Warten das Kölner Missbrauchsgutachten. Klicken Sie sich durch alle wichtigen Fragen und Antworten.

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Im März 2020 wurde die Vorstellung eines Gutachtens zum Umgang mit Missbrauch im Erzbistum Köln überraschend abgesagt. Seitdem sieht sich Kardinal Rainer Woelki massiver Kritik ausgesetzt. Zeitgleich wurden immer neue Missbrauchsfälle in seiner Erzdiözese bekannt. Jetzt, ein Jahr später, wird ein neues Gutachten veröffentlicht. Alles, was Sie im Vorfeld dazu wissen müssen, finden Sie hier.

Bild: ©KNA/Harald Oppitz

Kardinal Rainer Maria Woelki ist seit Juli 2014 Erzbischof von Köln. Neben ihm trugen in den vergangenen Jahrzehnten aber noch andere ranghohe Geistliche Verantwortung in der Erzdiözese.

Wer war wann verantwortlich?

Kardinal Rainer Maria Woelki

Woelki (64) steht seit September 2014 an der Spitze des Erzbistums Köln. Der aus einer ostpreußischen Familie stammende Geistliche wurde am 18. August 1956 in Köln geboren und empfing 1985 die Priesterweihe. Sein Vorgänger als Erzbischof, Kardinal Joachim Meisner, machte ihn zum Geheimsekretär und zum Leiter der Theologenausbildung im Erzbistum. 2003 wurde Woelki Kölner Weihbischof und 2011 Erzbischof von Berlin, bevor er 2014 nach Köln wechselte. Anfang 2012 erfolgte die Erhebung in den Kardinalsstand.

Erzbischof Stefan Heße

Heße (54) leitet seit 2015 das Erzbistum Hamburg. 2006 wurde Heße Personalchef und ab 2012 Generalvikar in Köln. Nach der Emeritierung von Kardinal Joachim Meisner 2014 war er bis zur Ernennung von dessen Nachfolger Rainer Maria Woelki auch Übergangsverwalter der rheinischen Erzdiözese. Woelki ernannte ihn im September 2014 erneut zum Generalvikar; das Amt übte er bis zu seinem Wechsel nach Hamburg aus.

Weihbischof Dominikus Schwaderlapp

Schwaderlapp (53) ist seit dem 25. März 2012 Weihbischof in Köln und für den Nordteil des Erzbistums zuständig. Zuvor war er acht Jahre lang Generalvikar unter Erzbischof Joachim Meisner. Schwaderlapp, der sich dem Opus Dei verbunden fühlt, wurde am 4. Mai 1967 in Selters im Westerwald geboren. Nach der Priesterweihe 1993 arbeitete er drei Jahre als Kaplan in Neuss, bevor Kardinal Meisner ihn 1996 zum Erzbischöflichen Kaplan und Geheimsekretär und 2004 zum Generalvikar berief.

Weihbischof Ansgar Puff

Puff (65) ist seit siebeneinhalb Jahren Weihbischof in Köln und für den Süden der Erzdiözese zuständig. Davor war er von Mai 2012 bis August 2013 Personalchef. Der gebürtige Mönchengladbacher gehört der neuen geistlichen Gemeinschaft "Neokatechumenaler Weg" an. Er studierte zunächst Sozialarbeit und dann in Bonn Theologie. Nach Kaplansjahren in Köln wurde er 1996 Pfarrer in Düsseldorf, wo er von 2004 bis 2012 stellvertretender Stadtdechant war. Kardinal Joachim Meisner weihte ihn 2013 zum Bischof.

Ex-Generalvikar Norbert Feldhoff

Feldhoff (81) diente zwei Kölner Erzbischöfen als Generalvikar. Mit 35 Jahren machte ihn 1975 Kardinal Joseph Höffner zum Verwaltungschef. Unter dessen Nachfolger, Kardinal Joachim Meisner, behielt er das Amt. Ende Mai 2004 schied Feldhoff nach fast 30 Jahren als Generalvikar aus. Danach war er zehn Jahre Dompropst, bevor er am 1. März 2015 mit 75 Jahren in den Ruhestand trat. Als Rechtsexperte und langjähriger Vizepräsident des Deutschen Caritasverbandes wirkte er mit an der Weiterentwicklung des kirchlichen Arbeitsrechts.

Offizial Günter Assenmacher

Assenmacher (69) leitet seit 1995 das Kirchengericht des Erzbistums Köln. Der Offizial wurde 1952 geboren und empfing 1977 die Priesterweihe. 1980 ging er zum Kirchenrechtsstudium nach Rom. Zehn Jahre später wurde Assenmacher Leiter der Stabsabteilung Kirchenrecht im Kölner Generalvikariat, bevor Kardinal Joachim Meisner ihn 1995 zum Offizial ernannte. In dieser Funktion ist er seit Oktober 2010 auch für das Bistum Limburg tätig; von Mai 2009 bis Oktober 2019 war Assenmacher überdies Offizial im Bistum Essen.

Kardinal Joachim Meisner (1933-2017)

Meisner war 25 Jahre Erzbischof von Köln. Zuvor war er zu DDR-Zeiten seit 1975 Weihbischof in Erfurt und seit 1980 Bischof in der geteilten Stadt Berlin. 1989 wechselte er auf Wunsch von Papst Johannes Paul II., mit dem er eng verbunden war, nach Köln. Im Februar 2014 trat er in den Ruhestand. Meisner starb am 5. Juli 2017 im Alter von 83 Jahren.

Kardinal Joseph Höffner (1906-1987)

Höffner leitete die Erzdiözese von 1969 bis 1987. Zuvor war er Bischof von Münster (1962-1969). Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde der gebürtige Westerwälder Professor für Pastoraltheologie sowie christliche Soziallehre am Priesterseminar Trier. 1951 gründete er das Institut für Christliche Sozialwissenschaften an der Uni Münster, bevor er 1962 Bischof wurde. Von 1976 bis 1987 leitete Höffner die Deutsche Bischofskonferenz. Der Kardinal starb nach kurzer Krankheit am 16. Oktober 1987, nur einen Monat nach seiner Emeritierung als Erzbischof.

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Bild: ©picture alliance/Christian Ohde

Obwohl noch keines der beiden Gutachten öffentlich zugänglich ist, sind bereits mehrere Fälle und die vermeintlichen Täter bekannt. Zum Schutz der Persönlichkeitsrechte werden die vollen Namen nicht genannt. Umso schwieriger sind die Fälle O., U. oder A. auseinanderzuhalten. Hier gibt es einen Überblick.

Diese Fälle sind bereits bekannt

Pfarrer O. – ein Freund des Erzbischofs

Der frühere Düsseldorfer Pfarrer O. soll sich in den 1970er Jahren an einem Jungen im Kindergartenalter vergangen haben. 2010 meldete sich ein Betroffener beim Erzbistum Köln und erhielt in Anerkennung des Leids 15.000 Euro - das Dreifache des damals üblichen Regelsatzes. Eine Meldung an den Vatikan unterblieb. Kardinal Rainer Maria Woelki erfuhr erstmals als Kölner Weihbischof 2011 von den Missbrauchsvorwürfen gegen den mit ihm befreundeten Pfarrer, der ihn ein Jahr später zu seiner Kardinalserhebung in Rom begleiten durfte.

Wenige Monate nach seinem Amtsantritt als Erzbischof von Köln sichtete Woelki 2015 die Akte von O., meldete aber den Fall nicht nach Rom und verzichtete auf eine kirchenrechtliche Voruntersuchung. Kritiker werfen dem Erzbischof deshalb Fehlverhalten und Vertuschung vor. Woelki begründete sein Vorgehen damit, dass der Priester sich wegen seiner Demenz nicht mehr habe befragen lassen. Der Erzbischof bat Papst Franziskus um Prüfung der Vorwürfe gegen ihn. Der Vatikan sieht allerdings kein Fehlverhalten. Als O. 2017 verstarb, hielt der Kardinal die Trauerrede.

Pfarrer A. – drei Bistümer involviert

Pfarrer A. wurde 1972 wegen "fortgesetzter Unzucht mit Kindern und Abhängigen" zu einer Haftstrafe verurteilt; 1988 erhielt er wegen erneuter Vorfälle eine Bewährungsstrafe. Dennoch war er weiter als Seelsorger aktiv - in den Bistümern Köln, Münster und Essen. Erst 2019 verbot Woelki dem Geistlichen die Ausübung des priesterlichen Dienstes. Inzwischen ist er aus dem Klerikerstand entlassen worden.

Im Zusammenhang mit A. wird dem früheren Kölner Personalchef und heutigen Hamburger Erzbischof Stefan Heße angelastet, einen Verdacht gegen den Priester nicht an die dafür zuständige Person im Erzbistum Köln weitergeleitet zu haben. Heße weist das zurück. Der damalige Generalvikar Dominikus Schwaderlapp sei informiert gewesen.

In dem Fall werden auch den verstorbenen Kölner Kardinälen Joseph Höffner und Joachim Meisner sowie dem Münsteraner Bischof Heinrich Tenhumberg Fehler vorgeworfen. Der amtierende Essener Bischof Franz-Josef Overbeck nannte es ein Versäumnis, dass er sich die Personalakte von A. nicht habe kommen lassen, nachdem er kurz nach seinem Amtsantritt von den Vorwürfen erfahren habe.

Pfarrer U. – von der Staatsanwaltschaft angeklagt

Zwischen 1993 und 1999 soll sich U. mehrfach an seinen drei minderjährigen Nichten vergangen haben. Im Sommer 2020 klagte die Staatsanwaltschaft Köln den Geistlichen an. Sie hatte aber bereits 2010 gegen ihn ermittelt. Kardinal Meisner suspendierte U. damals, hob diesen Schritt aber wieder auf, nachdem der Staatsanwalt die Ermittlungen einstellte. 2019 untersagte dann Woelki dem Pfarrer die Ausübung priesterlicher Dienste.

Der Hamburger Erzbischof Stefan Heße weist Vorwürfe zurück, er habe 2010 als damaliger Kölner Personalchef U. geschützt. Auch Heße hat den Vatikan um Überprüfung seines Vorgehens gebeten.

Pfarrer F. – Autor pädagogischer Bücher

Der 73-jährige Kölner Priester und religionspädagogische Sachbuchautor F. soll in den 1990er Jahren eine Mutter mit mehreren Söhnen aufgenommen und die Kinder missbraucht haben. Laut "Bild"-Zeitung hat der Pfarrer sich das Stillschweigen der Mutter für 30.000 Mark erkauft. Obwohl im Jahr 2000 und 2004 in den endgültigen Ruhestand versetzt, soll es danach wieder zu Beschwerden gegen den Geistlichen gekommen sein. Laut "Bild" verbot ihm erst Kardinal Woelki im Jahr 2018 die Ausübung priesterlicher Dienste. Nach erneuten Vorwürfen im März 2019 habe der Erzbischof eine kirchenrechtliche Voruntersuchung eingeleitet und den Fall der Glaubenskongregation in Rom übergeben.

Pfarrer F. – Aussage gegen Aussage

Dieser Pfarrer - ebenfalls mit der Initiale F. - soll laut "Christ & Welt" zwischen 1968 und 1972 einen Jungen sexuell missbraucht und vergewaltigt haben. Der Betroffene habe 2011 die damalige Opferbeauftragte des Erzbistums Köln, Christina Pesch, kontaktiert. Personalchef Heße soll daraufhin mit dem Betroffenen und seinem Anwalt ein Gespräch geführt und wenig später auch Pfarrer F. befragt haben, der die Anschuldigungen abgestritten habe. Kurz darauf soll Heße gegenüber dem Opfer-Anwalt sowie Pesch erklärt haben, die Vorwürfe gegen F. hätten sich nicht erhärtet. Pesch hingegen will ein Glaubwürdigkeitsgutachten zur weiteren Klärung empfohlen haben. Heße soll 2020 schriftlich erklärt haben, dass es "keine Grundlage für eine weitere Tätigkeit der kirchlichen Stellen" gegeben habe. F. ist mittlerweile verstorben.

Pfarrer M. – Anzeige vier Jahre nach Geständnis

Nach Medienberichten soll der 1943 geborene Geistliche im September 2014 der Personalabteilung im Erzbistum Köln gestanden haben, von 1971 bis 1996 Kinder und Jugendliche beiderlei Geschlechts missbraucht zu haben. Ein Strafanzeige erfolgte 2018, also vier Jahre später. Die Staatsanwaltschaft Düsseldorf stellte das Verfahren ein. Nach den damals geltenden Gesetzen seien alle vor November 1993 begangenen Taten verjährt gewesen, so eine Sprecherin. In der Anzeige des Erzbistums sei es um Taten zwischen 1982 und 1988 gegangen.

Laut Erzbistum waren nicht alle von dem Pfarrer beschriebenen Situationen Übergriffe oder Straftaten gewesen - darunter der letzte Vorfall von 1996: "Sicher ist, dass bereits im Jahr 2014 alle Vorgänge strafrechtlich verjährt waren." 2016 verbot Woelki laut Erzbistum dem Geistlichen die priesterlichen Dienste und den Kontakt zu Minderjährigen. Zudem ging eine Meldung an den Vatikan. Dieser verfügte, gegen M. wegen Alter und Verjährung kein kirchliches Strafverfahren mehr zu führen, bestätigten aber die Auflagen gegen ihn. M. ist mittlerweile verstorben.

Pfarrer E. – möglicher Missbrauch im Internat

2015 beteiligte sich das Erzbistum Köln an einer Missbrauchsstudie der Deutschen Bischofskonferenz und rollte auch die Akten des früheren Jungeninternats Collegium Josephinum in Bad Münstereifel auf. Im Zuge dieser Untersuchung schilderte Anfang 2017 ein ehemaliger Schüler einen Übergriff durch Pfarrer E. in den 1980er Jahren. Der Geistliche soll sich laut "Spiegel" bereits 2002 sexuell grenzüberschreitend gegenüber einer Jugendlichen verhalten haben.

Woelki versetzte E. nach Angaben der Erzdiözese Köln am 1. September 2017 in den einstweiligen Ruhestand und meldete den Fall der Glaubenskongregation. Diese erklärte zunächst, dass auf Basis der bisherigen Erkenntnisse kein Strafverfahren durchzuführen sei. Im November 2016 nahm der aus dem Rheinland stammende Geistliche an einer Privatmesse mit dem Papst teil, der den Priester segnete und von diesem eine Karnevalsmütze geschenkt bekam. Im Oktober 2017 wandten sich weitere Betroffene an das Erzbistum, wie dieses mitteilte. Ein Jahr später wurden die neuen Verdachtsmomente an die Staatsanwaltschaft weitergeleitet, die ihre Ermittlungen dann aber wegen Verjährung einstellte.

Das Erzbistum verhörte E. erst wieder im November 2018. Als Grund nannte es eine zuvor laufende Krebstherapie, der sich der Pfarrer unterziehen musste. Nach einem Schriftverkehr zwischen dem Kölner Kirchengericht, der Glaubenskongregation und dem Anwalt des Pfarrers teilte das Erzbistum schließlich im November 2019 seine Erkenntnisse Rom mit. Die Glaubenskongregation bevollmächtigte im Februar 2020 das Erzbistum, gegen E. ein Strafverfahren mit dem Ziel zu führen, diesen aus dem Klerikerstand zu entlassen. Allerdings konnte das Verfahren seitdem nicht weitergeführt werden, da der Priester nicht verhandlungsfähig ist.

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Bild: ©KNA/Harald Oppitz

Die MHG-Studie der Deutschen Bischofskonferenz wurde am 25. September 2018 bei der Vollversammlung in Fulda vorgestellt. Es war der Auftakt für weitere Untersuchungen und Gutachten in den einzelnen Diözesen.

Das ist bisher passiert

25. September 2018: Die Deutsche Bischofskonferenz stellt eine bundesweite Studie zu Missbrauch an Minderjährigen durch katholische Geistliche vor. In den Kirchenakten von 1946 bis 2014 fanden die Autoren Hinweise auf bundesweit 3.677 Betroffene sexueller Übergriffe und 1.670 beschuldigte Priester, Diakone und Ordensleute. Im Erzbistum Köln verzeichnen sie mindestens 135 Betroffene und 87 beschuldigte Priester.

13. Dezember 2018: Der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki beauftragt die Münchener Kanzlei Westpfahl Spilker Wastl (WSW), in einem Gutachten zu prüfen, ob die Diözesanverantwortlichen bei Missbrauchsfällen im Einklang mit kirchlichem und staatlichem Recht handelten und ob ihr Vorgehen dem kirchlichen Selbstverständnis entsprach. Rechtsverstöße und hierfür Verantwortliche seien möglichst konkret zu benennen.

10. März 2020: Das Erzbistum sagt die für den 12. März 2020 geplante Vorstellung des Gutachtens überraschend ab. Die vorgesehene Nennung von Verantwortlichen müsse noch "äußerungsrechtlich" abgesichert werden. Befürchtet werden Rechtsstreitigkeiten mit ehemaligen oder aktiven Entscheidungsträgern.

23. September 2020: Die "Zeit"-Beilage "Christ & Welt" veröffentlicht Teile des WSW-Gutachtens, wonach der Hamburger Erzbischof Stefan Heße in seiner Zeit als Personalchef im Erzbistum Köln Missbrauchsfälle vertuscht haben soll. Ihm wird "fehlendes Problembewusstsein" gegenüber Opfern vorgeworfen. Heße weist die Anschuldigungen zurück.

30. Oktober 2020: Das Erzbistum Köln teilt mit, dass das WSW-Gutachten nicht veröffentlicht werden soll. Dabei beruft es sich auf andere Gutachter wie den Richter am Frankfurter Oberlandesgericht, Matthias Jahn, wonach die Untersuchung "methodische Mängel" enthalte. Der Kölner Strafrechtler Björn Gercke bekommt den Auftrag für ein neues Gutachten.

12. November 2020: Die Kanzlei WSW veröffentlicht ein Missbrauchsgutachten für das Bistum Aachen. Es belastet unter anderem Altbischof Heinrich Mussinghoff (80) und seinen früheren Generalvikar Manfred von Holtum (76) und bescheinigt ihnen eine "unverdiente Milde" gegenüber des Missbrauchs verdächtigten und verurteilten Geistlichen.

18. November 2020: Die inzwischen zurückgetretenen Sprecher des Betroffenenbeirats im Erzbistum Köln, Patrick Bauer und Karl Haucke, werfen Woelki in einem Zeitungsbeitrag "erneuten Missbrauch von Missbrauchsopfern" vor. Die Zustimmung des Gremiums zur Absage der Veröffentlichung des WSW-Gutachtens sei unter Druck gefallen und der Rat "völlig überrannt" worden.

20. November 2020: Heße bittet den Vatikan, nach Veröffentlichung der Kölner Studie über seine Zukunft als Hamburger Erzbischof zu entscheiden. Sein Amt als Geistlicher Assistent des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK) lässt er zunächst ruhen.

28. November 2020: Woelki und Generalvikar Markus Hofmann kündigen an, das WSW-Gutachten Betroffenen oder Journalisten "im rechtlich möglichen Rahmen" zugängig zu machen, wenn das Gercke-Gutachten vorgestellt ist. Zugleich kündigen sie die Gründung einer unabhängigen Kommission zur Aufarbeitung der Missbrauchsfälle an.

2. Dezember 2020: Ein Forschungsteam um den Historiker Thomas Großbölting veröffentlicht erste Ergebnisse einer Missbrauchsstudie über das Bistum Münster. Sie attestiert den verstorbenen Bischöfen Joseph Höffner, Heinrich Tenhumberg und Reinhard Lettmann "massives Leitungs- und Kontrollversagen".

10. Dezember 2020: Der Kölner "Stadt-Anzeiger" veröffentlicht den Missbrauchsfall des Priesters O. und erhebt Vorwürfe gegen Kardinal Woelki. Er soll kurz nach seinem Amtsantritt als Erzbischof 2014 von dem Fall erfahren, ihn aber nicht nach Rom gemeldet haben. O. soll sich in den 70-er Jahren an einem Jungen im Kindergartenalter vergangen haben.

24./25. Dezember 2020: Der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki bittet in der Christmette Gläubige und Betroffene um Verzeihung dafür, dass sie in den vergangenen Wochen Kritik an seiner Person wegen der Nichtveröffentlichung des Gutachtens hätten ertragen müssen.

30. Dezember 2020: Mit Klaus Koltermann aus Dormagen fordert erstmals ein Pfarrer aus dem Erzbistum den Rücktritt Woelkis. In den folgenden Wochen kritisieren weitere Geistliche in zwei Brandbriefen sowie mehrere Kirchengemeinden den Kardinal für sein Handeln in Sachen Missbrauch.

5. Januar 2021: Ein Hintergrundgespräch des Erzbistums, bei dem Pressevertreter Einblick in das teils geschwärzte WSW-Gutachten bekommen sollten, wird abgebrochen, nachdem sich die acht eingeladenen Journalisten weigern, eine Verschwiegenheitserklärung zu unterzeichnen.

29. Januar 2021: Der Diözesanrat der Katholiken im Erzbistum Köln setzt seine Zusammenarbeit mit Kardinal Woelki aus und lässt seine Mitarbeit an der laufenden Neuausrichtung der Diözese ruhen.

4. Februar 2021: Kardinal Woelki räumt erstmals Fehler bei der Missbrauchsaufarbeitung und im Umgang mit Betroffenen ein und wiederholt dies in der Folgezeit mehrfach. Auch Erzbischof Heße äußert sich erstmals seit mehreren Wochen wieder öffentlich zum Thema. Er habe über einen Amtsverzicht nachgedacht, bekennt er in einem Interview. Dazu könne ihn aber nur der Papst auffordern.

8. Februar 2021: Aus dem Umfeld der Kurie erfährt die Katholische Nachrichten-Agentur (KNA), dass gegen Woelki offenbar keine kirchenrechtlichen Schritte geplant sind. Nach Einschätzung der zuständigen römischen Kurienbehörde musste er den Missbrauchsfall O. im Jahr 2015 nach damals geltendem Recht nicht zwingend nach Rom melden.

5. März 2021: Das Erzbistum kündigt die Veröffentlichung der Gercke-Expertise für den 18. März an. Am 23. März sollen "Konsequenzen aus dem Gutachten" vorgestellt werden. Ab dem 25. März können Interessierte wie Journalisten und Betroffene die WSW-Untersuchung einsehen, und "selbst einen Vergleich" ziehen.

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Ein Richterhammer und eine Waagschale als Symbole für das Gerichtswesen.
Bild: ©Brian Jackson/Fotolia.com

Bei der Veröffentlichung des Gutachtens geht es um die Frage, ob und inwieweit Bistumsverantwortliche Täter geschützt und Verbrechen vertuscht haben und die Fälle im Einklang mit dem kirchlichen oder staatlichen Recht behandelt haben. Hier gibt es die wichtigsten Fragen und Antworten dazu.

Das sagen kirchliches und staatliches Recht zu Vertuschung

Muss ein Bischof oder ein anderer Kirchenverantwortlicher den sexuellen Missbrauch durch einen Priester nach staatlichem Recht anzeigen?

Nein, im deutschen Strafrecht gibt es keine allgemeine Anzeigepflicht. Nur wer im Vorhinein Kenntnis von einer geplanten Straftat wie Mord, Raub, Geiselnahme oder Brandstiftung plant, muss dies laut Paragraf 138 Strafgesetzbuch (StGB) den Behörden oder den Bedrohten anzeigen - also zu einer Zeit, in der die Straftat noch abgewendet werden kann.

Machen sich Kirchenverantwortliche strafbar, wenn Sie Missbrauchstaten vertuschen?

Wer durch absichtliche Handlungen verhindert, dass ein anderer für eine rechtswidrige Tat bestraft wird, macht sich nach Paragraf 258 StGB der Strafvereitelung schuldig. Ein Beispiel dafür ist, vorsätzlich Akten verschwinden zu lassen oder zu schönen. Nicht dazu zählt jedoch eine schlampige Aktenführung, weil in diesem Fall der Vorsatz fehlt.

Ist Strafvereitelung durch Unterlassen - etwa durch Nichtanzeige - strafbar?

Laut Paragraf 13 StGB gibt es eine Strafbarkeit durch Unterlassen und Nichtstun nur, wenn eine Garantenpflicht besteht - also jemand dafür verantwortlich ist, dass eine Straftat keinen Erfolg hat. So müssen Eltern ihre Kinder schützen. Mit Blick auf Missbrauchsfälle, aber auch alle sonstigen Straftaten, sind Bischöfe keine Garanten für die staatliche Strafverfolgung. Erkenntnisse über Missbrauchstäter müssen sie nicht der Staatsanwaltschaft melden.

Kann sich ein Bischof der sogenannten Strafvereitelung im Amt schuldig machen?

Nein. "Strafvereitelung im Amt" nach Paragraf 258a StGB bezieht sich nur auf Mitarbeiter von Strafverfolgungsbehörden wie Kriminalpolizisten, Staatsanwälte oder Richter.

Gibt es in der Kirche Regeln, die Vertuschung verhindern sollen?

Seit 2002 gelten Leitlinien der Deutschen Bischofskonferenz, wonach Bistümer "in erwiesenen Fällen sexuellen Missbrauchs Minderjähriger" die Staatsanwaltschaft informieren müssen. 2010 wurde diese Regel strenger gefasst: Seitdem müssen die Bistümer die Behörden einschalten, sobald es "tatsächliche Anhaltspunkte" auf Missbrauch gibt. Dies gilt jedoch nicht, wenn der Betroffene ausdrücklich wünscht, dass nicht ermittelt wird. Seit 2001 müssen die Diözesen nach einer kirchenrechtlichen Voruntersuchung zudem den Vatikan informieren, wenn ein wahrscheinlich begründeter Vorwurf gegen einen Priester vorliegt.

Drohen Kirchenverantwortlichen, die Missbrauch vertuschen, Konsequenzen nach dem Kirchenrecht?

Seit 2019 gilt das Apostolische Schreiben "Vos estis lux mundi", das erstmals im Kirchenrecht das Problem der Vertuschung von Missbrauchsfällen behandelt. Der Text spricht von "Handlungen und Unterlassungen", die darauf abzielen, weltliche oder kirchliche Untersuchungen zu umgehen. Vertuschung ist demnach eine Pflichtwidrigkeit, die disziplinarisch geahndet werden kann - jedoch keine Straftat.

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Bunte Zettel auf denen Fragezeichen abgebildet sind.
Bild: ©Stauke/Fotolia.com

Warum wurde das Gutachten der Kanzlei Westpfahl Spilker Wastl (WSW) nicht veröffentlicht? Und was will die neue Kanzlei anders machen? Hier gibt es Antworten auf die wichtigsten Fragen.

Die wichtigsten Fragen und Antworten zum Gutachten

Warum hat Kardinal Woelki ein Gutachten in Auftrag gegeben?

Die 2018 veröffentlichte Studie der deutschen Bischöfe ergab für das Erzbistum Köln 135 Betroffene sexualisierter Gewalt und 87 beschuldigte Priester in den Akten der Jahre 1946 bis 2014. Weil die bundesweite Erhebung nur stichprobenartig war, beschloss Woelki eine Folge-Untersuchung. Unabhängige Fachleute sollten die Akten des Erzbistums "ungeschönt und ohne falsche Rücksichten" überprüfen.

Warum hat das Gutachten eine so große Brisanz?

Die Münchner Kanzlei Westpfahl Spilker Wastl (WSW) sollte nicht nur Missbrauchsfälle und systemische Fehler in der Bistumsorganisation seit 1975 klar benennen, sondern auch Verantwortliche, die Täter geschützt und Verbrechen vertuscht haben. Das könnte nicht nur verstorbene und ehemalige Amtsträger betreffen, sondern auch amtierende Bischöfe.

Wie genau lautete der Untersuchungsauftrag?

Zu klären war, ob die Diözesanverantwortlichen Missbrauchsfälle im Einklang mit dem kirchlichen oder staatlichen Recht behandelt haben "und/oder dem kirchlichen Selbstverständnis". Dabei sollte auch überprüft werden, ob ab 2002 - entsprechend den damaligen Leitlinien der Deutschen Bischofskonferenz - alle Hinweise auf mögliche Missbrauchsfälle, die strafrechtlich einen Anfangsverdacht begründen, der Staatsanwaltschaft angezeigt wurden.

Warum hat Woelki das WSW-Gutachten nicht veröffentlichen lassen?

Er bekam Hinweise, dass die Nennung von Verantwortlichen möglicherweise Persönlichkeitsrechte verletzen und dass deshalb Klagen drohen könnten. Zwei auf das "Äußerungsrecht" spezialisierte Kanzleien kamen zum Ergebnis, dass die Beschuldigten zum Teil nicht ausreichend mit den Vorwürfen konfrontiert worden seien. Die "Grundsätze der Verdachtsberichterstattung" seien einzuhalten.

Warum hat Woelki sich im Herbst 2020 ganz von WSW getrennt?

Die Experten kamen zum Schluss, dass WSW nicht wesentlich nachgebessert habe. Woelki beauftragte zusätzlich den Kölner Strafrechtler Björn Gercke sowie das Duo aus dem Frankfurter Strafrechtler Matthias Jahn und dem Erlanger Kriminologen Franz Streng mit weiteren Prüfungen des Gutachtens. Sie attestierten WSW, "in der ganzen Methodik, im Aufbau und der grundsätzlichen Herangehensweise den Mindestanforderungen" nicht zu entsprechen. Gercke bekam den neuen Gutachterauftrag. In der Folge wehrte sich Woelki gegen Vorwürfe, er wolle Verantwortungsträger schützen. Gercke betonte, die Untersuchung werde nicht schonend ausfallen.

Was werfen Jahn und Streng WSW vor?

Aus ihrer Sicht hat WSW die Fakten und deren Beurteilung "nicht deutlich voneinander getrennt". Begriffe wie "Pflichtwidrigkeit" oder "mangelnde Opferfürsorge" blieben unklar. Die Anwälte hätten bei ihrer Begutachtung mehrmals den "objektiven Standpunkt" verlassen und stellten dadurch ihre Neutralität in Frage. Die 15 ausführlich dargestellten Beispielfälle seien willkürlich ausgesucht.

Wie geht WSW mit der Kritik um?

Die Kanzlei betont, sie habe dem Auftrag zufolge ausdrücklich prüfen sollen, "ob und inwieweit das Verhalten etwaig zu benennender Bistumsverantwortlicher, insbesondere in moralischer Hinsicht, angemessen war". Der Prüfungsmaßstab sei also auch das kirchliche Selbstverständnis. Diese Bewertungen hätten oft auch eine "deutliche Sprache" erfordert.

Wie ist die Stimmung im Erzbistum?

Wegen der verzögerten Aufarbeitung übte der Diözesanrat heftige Kritik an Woelki. Er habe als moralische Instanz versagt, so der Vorsitzende Tim Kurzbach. Der BDKJ forderte Woelkis Rücktritt. Auch von etlichen Priestern und aus vielen Gemeinden kamen kritische Rückmeldungen an die Bistumsleitung. Andere brachten ihre Unterstützung für Woelki zum Ausdruck und forderten Fairness in der Berichterstattung.

Was will Gercke anders machen?

Gercke und sein Team wollen jeden einzelnen Fall aus den 236 Aktenvorgängen würdigen. Ausführlicher würden Fälle geschildert, bei denen Pflichtverletzungen nach den Vorgaben des weltlichen und kirchlichen Rechts vorliegen. "Wir erstellen kein moralisch-ethisches Gutachten", so Gercke. "Wir sind Juristen und bleiben auch bei unserer Disziplin." Nach Angaben des Strafrechtlers lassen die Reaktionen des einen oder anderen von ihm befragten Verantwortlichen oder seiner Anwälte "erwarten, dass es äußerungsrechtlich zum Schwur kommen kann".

In welchem Rahmen wird das Gutachten präsentiert?

Mit der Presse erfährt erstmals auch Woelki von den Ergebnissen. Zu den Konsequenzen wird sich der Kardinal dann am Dienstag kommender Woche äußern. Für den Fall, dass Gercke ihm persönlich Vertuschung nachweist, hat er seine Bereitschaft zum Rücktritt angekündigt. Auch das WSW-Gutachten können Interessierte wie Journalisten und Betroffene einsehen - aber erst nach Präsentation der Gercke-Expertise ab Donnerstag.

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Von katholisch.de / zusammengestellt mit Material der KNA