"Kapitulation": Vatikan kritisiert Spaniens neues Sterbehilfe-Gesetz
Mit Enttäuschung hat der Vatikan auf das neue Sterbehilfe-Gesetz in Spanien reagiert. Es sei "eine weltweit zunehmende Kapitulation" gegenüber der "schmutzigen Arbeit des Todes", sagte der Präsident der Päpstlichen Akademie für das Leben, Erzbischof Vincenzo Paglia, der Zeitung "Corriere della Sera" (Freitag). Die "wenigen Zeilen eines kalten Gesetzes" erinnerten an Pontius Pilatus, der seine Hände in Unschuld wasche.
Angesichts unerträglicher Leiden müsse Pflege auf die weitere Verbreitung der Palliativmedizin setzen. "Nimm den Schmerz, bleib in der Nähe des Kranken, um ihn mit Liebe und Freundschaft zu wärmen", so Paglia. Die Herausforderung sei es, "wahrhaft menschlich zu sein", und "jene, die leiden, nicht in den Händen der Euthanisie-Industrie zu lassen". Ziel der Palliativmedizin ist nicht mehr Heilung, sondern bestmögliche Lebensqualität für sterbenskranke Menschen.
Erzbischof Paglia (75) gilt in Italien als einer der führenden Theologen zu Themen rund um Lebensschutz und Bioethik; unter anderem koordiniert er ein Beratungsgremium der Regierung zur Lage alter Menschen in der Pandemie. Er ist außerdem Mit-Initiator eines internationalen Aufrufs zu besserer Sorge und Integration für alte Menschen angesichts der Covid-Krise. Weiter ist Paglia geistlicher Assistent der Gemeinschaft Sant'Egidio.
Große Mehrheit im Parlament stimmt zu
Mit großer Mehrheit von 202 zu 142 Stimmen hatte Spaniens Parlament am Donnerstag aktive Sterbehilfe legalisiert. Damit wird Spanien nach den Niederlanden, Belgien, Luxemburg und Kanada das weltweit fünfte Land, in dem Tötung auf Verlangen künftig straffrei ist. Das neue Gesetz dürfte in rund drei Monaten zur Anwendung kommen. Nur die Abgeordneten der konservativen Oppositionspartei sowie die Rechtspopulisten votierten gegen das Gesetz. Die Deutsche Stiftung Patientenschutz kritisierte die spanische Entscheidung.
Ministerpräsident Pedro Sanchez sieht sich durch Umfragen, nach denen 84 bis 87 Prozent der Spanier seit Jahren eine Legalisierung von Sterbehilfe unterstützen, in seiner Gesetzesinitiative bestätigt. Umfragen des renommierten Meinungsforschungsinstituts Metroscopia zeigten, dass sich selbst unter praktizierenden Katholiken eine Mehrheit von 59 Prozent für die Einführung ausspricht. Spaniens Bischofskonferenz verurteilte zuletzt im Dezember die Legalisierung aktiver Sterbehilfe als einen "moralischen Bruch und Verfall". Sie rief die Abgeordneten wiederholt auf, "das Leben zu verteidigen" und sich für palliative Behandlungsmethoden zu engagieren.
Künftig ist sowohl Tötung auf Verlangen als auch Beihilfe zum Suizid rechtlich erlaubt. Die Kosten für Sterbehilfe trägt die staatliche Krankenkasse. Damit Ärzte Tötung auf Verlangen oder Beihilfe zum Suizid leisten können, müssen jedoch mehrere Bedingungen erfüllt sein: Patienten müssen volljährig und im Besitz ihrer geistigen Fähigkeiten sein. Sie müssen an unheilbaren Krankheiten oder schweren chronischen Behinderungen leiden, die mit anderen Mitteln nicht gemildert werden können und mit "nicht hinnehmbaren Schmerzen" verbunden sind. Psychische Erkrankungen sind für Sterbehilfe ausgeschlossen. Im Nachbarland Portugal, dessen Parlament im Januar ebenfalls die Einführung aktiver Sterbehilfe beschloss, erhob das Verfassungsgericht Einspruch. Damit unterliegt das dortige Gesetz noch weiteren Veränderungen, bis es in Kraft treten kann. Neuseeland will im November aktive Sterbehilfe einführen. (tmg/KNA)