Deutsche Bischöfe rufen in Osternacht zum Zusammenhalt auf
Die deutschen Bischöfe haben in der Osternacht zu Zusammenhalt und Hoffnung in der Pandemie aufgerufen. In manchen Predigten wurde aber auch der Blick auf die Probleme der Kirche gerichtet. Papst Franziskus rief zu einem Neuanfang nach der Corona-Krise auf.
Nach den "dunklen Monaten der Pandemie" müsse es einen Neubeginn geben, so Papst Franziskus. "Es ist immer möglich, neu anzufangen", sagte er am Samstagabend. Der auferstandene Jesus lade dazu ein, niemals die Hoffnung zu verlieren. Mit Gottes Hilfe könne "aus dem Scherbenhaufen unserer Menschheitsgeschichte" ein Kunstwerk geschaffen werden.
Wegen der anhaltenden Corona-Krise waren zu der Vigilfeier im Petersdom ähnlich wie im Vorjahr nur wenige Gäste zugelassen. Das Kirchenoberhaupt ermutigte in seiner Predigt, nicht zuletzt in Glaubensfragen "neue Wege zu beschreiten". Viele lebten einen "Erinnerungs-Glauben", so als gehöre Christus der Vergangenheit an. Ein lebendiger Glaube sei aber "keine Antiquitätensammlung", betonte der 84-Jährige. "Jesus lebt, hier und jetzt." Er eröffne Perspektiven, auch wenn alles ausweglos erscheine. Dies bedeute allerdings, dass man stets bereit sein müsse, sich wieder neu auf den Weg zu machen.
Der Papst forderte alle Gläubigen auf, wie Jesus "an die Grenzen" zu gehen - "dorthin, wo sich das tägliche Leben abspielt". Der Auferstandene zeige sich in den Gesichtern aller Brüder und Schwestern, besonders in den Tränen der Ausgegrenzten, Schwachen, Armen. Wer Barrieren überwinde, Vorurteile abbaue und auf seine Mitmenschen zugehe, werde die "Gnade des Alltäglichen" neu entdecken.
Bätzing: Ostern "genialer Einfall Gottes"
Ostern ist nach den Worten des Limburger Bischofs Georg Bätzing ein "genialer Einfall Gottes". In der Auferweckung seines Sohnes mache Gott deutlich, "wie sehr er am Leben jeder und jedes Einzelnen hängt, die er ins Dasein gerufen hat", sagte der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz.
An Ostern zeige Gott seine Menschenfreundlichkeit. "Und es macht deutlich, wie er gedenkt, den Opfern der Geschichte gegenüber dem Unrecht, das ihnen widerfahren ist, zu ihrem Recht zu verhelfen; die jäh aus dem Leben Weggerafften – auch die zigtausenden Opfer der Pandemie – sollen auf ewig Leben genießen."
Der Münchner Kardinal Reinhard Marx rief dazu auf, trotz der Krisen in Gesellschaft und Kirche die Botschaft der Hoffnung nicht aus den Augen zu verlieren. "Wir werden uns in dieser Krise nicht bewähren, wenn jeder sein Leben gewinnen will, sondern nur, wenn wir das 'österliche Gesetz' im Blick behalten: Leben geben und so Leben gewinnen, das heißt eben, sein Leben teilen und einsetzen im Geist der Solidarität und so Zukunft ermöglichen", mahnte der Erzbischof. Für die Kirche hofft er auf einen Wendepunkt: Manchmal komme es ihm so vor, dass an Traditionen festgehalten werde aus Angst vor dem Neuen.
Durch Virus Gefahr, sich hinter Ängsten zu verbarrikadieren
Der Rottenburger Bischof Gebhard Fürst sieht in der christlichen Osterbotschaft ein Signal der Hoffnung und Zuversicht. "Ostern ermutigt uns, dem Leben zu trauen, weil Gott es mit uns lebt", sagte Fürst. Es falle in der aktuellen Pandemie außerordentlich schwer, hoffnungsvoll zu bleiben. "Aus Angst vor dem Virus laufen wir Gefahr, uns voneinander abzuschotten und uns hinter unseren Ängsten zu verbarrikadieren."
In Würzburg stellte Bischof Franz Jung den "Sonnengesang" des heiligen Franziskus in den Mittelpunkt seiner Predigt. Diesen bezeichnete er als ein Lied passend für Ostern und gegen alle, die sich abgefunden hätten, mit dem Elend der Welt. Franziskus glaube an die Macht der Auferstehung, an das Gute und Schöne. Die Menschen bräuchten solche Lieder, um aus der Osterhoffnung die Welt zum Positiven zu verändern.
Die Menschheit erlebt nach den Worten des Osnabrücker Bischofs Franz-Josef Bode derzeit, wie quälend lang die drei Tage werden können, an denen Jesus im Grab gelegen habe. Nach einem Pandemie-Jahr voller Dunkelheit und Leid brauche es ein Ziel und ein Danach – also eine Art Auferstehung, wie sie die Christen an Ostern feiern.
Der Bamberger Erzbischof Ludwig Schick bezeichnete Ostern als "dynamisches Fest". "Lassen wir uns auferwecken und stehen wir auf, gerade jetzt im Lockdown der Corona-Pandemie." Gott wolle die Menschen aufwecken zur Achtsamkeit, zum Respekt, zum Wohlwollen, zur Rücksichtnahme und zur Hilfsbereitschaft.
Koch: Glaube kann in Zeiten der Unsicherheit wachsen
Der Berliner Erzbischof Heiner Koch betonte, dass in Zeiten der Unsicherheit und des Zweifels der Glaube wachsen könne. Er könne "zu einem reifen, tragfähigen, belastbaren Glauben reifen, der uns dann in schweren Stunden trägt und Hoffnung gibt über allen leichten Optimismus hinaus".
In Regensburg sagte Bischof Rudolf Voderholzer: "Wir wollen nicht klagen, sondern dankbar sein, dass wir die Sakramente feiern dürfen." Weiter fügte er hinzu: "Gott hat keine Berührungsangst. Er führte uns im Heiligen Geist zu einer Gemeinschaft zusammen." Das Zusammensein gehöre wesentlich zum Menschsein und gerade auch zum Christsein. Zu hoffen und zu beten sei, dass es bald wieder möglich sein werde, in der großen Gemeinschaft zu feiern.
Der Aachener Bischof Helmut Dieser blickte auf das Wirken von Verschwörungserzählungen in der Corona-Krise. Menschen glaubten an all das, "weil sie das Unerklärliche und Ungewisse sonst nicht aushalten. Wo Wissenschaft und menschliche Machbarkeit keine schnelle Lösung anbieten, muss doch jemand schuld daran sein". Die Geschichte des Glaubens jedoch sei keine Geschichte "von schlimmen bösen Mächten, die ihr Spiel mit uns treiben", so Dieser.
Der Magdeburger Bischof Gerhard Feige sieht in der Corona-Krise einen Ansporn zur Kritik an "Verkrustungen" in der Kirche. "Wie viele verschanzen sich doch hinter Lehrsätzen und Gewohnheiten", sagte Feige in seiner Osterbotschaft. "Manchmal regt uns das Evangelium als das eigentliche Gewissen unserer Kirche viel zu wenig auf oder an", so der Bischof. Er rief die Christen auf, ihre "gewohnten Bahnen und Überzeugungen zu verlassen, um Gott auch außerhalb davon zu suchen".
Durch Corona-Krise tieferes Verständnis der Osterbotschaft
Der Paderborner Erzbischof Hans-Josef Becker beklagte, dass viele Menschen in ihrem Leben nur wenig mit dem Eingreifen Gottes rechneten. Beispielsweise hofften die Menschen auf die Möglichkeiten der Medizin und Wissenschaft, die aber in letzter Konsequenz auch an ihre Grenzen kämen. Becker bezeichnete es als ein Problem, "dass die Hoffnung auf den lebenserneuernden Gott nur eine Not-Hoffnung für die ferne Zukunft ist".
Die Corona-Krise kann nach Einschätzung der Bischöfe in Sachsen zu einem tieferen Verständnis der Osterbotschaft führen. Die Emotionen der Enttäuschung der Jünger könnten nachgespürt werden, "wie wahrscheinlich in wenigen anderen Jahren", sagte der Bischof von Dresden-Meißen, Heinrich Timmerevers, und fragte: "Wo ist der Gott der Rettung in der Pandemie?" Auch der Görlitzer Bischof Wolfgang Ipolt erinnerte daran, dass die Verletzlichkeit des Lebens während der Corona-Krise neu bewusst geworden sei.
Blick auf die derzeitigen Probleme der Kirche
Den aktuellen Zustand seiner Kirche kritisierte in der Osternacht der Essener Bischof Franz-Josef Overbeck. "Was wir heute von der Kirche und im Glauben oft erleben, hat viel mit Entsetzen und Schrecken, mit Flucht und mit Furcht zu tun", sagte er. Der Ruhrbischof sprach sich für eine Wirklichkeit aus, "wo die Kirche Zeichen der Liebe und Zuneigung setzt, wo Glaubende Segen schenken und Liebende treu beieinander sind".
Der Münsteraner Bischof Felix Genn rechnet mit langfristigen Folgen aus dem Missbrauchsskandal in der katholischen Kirche. "Die Schatten, die der Missbrauch geworfen hat, werden immer bleiben, auch wenn wir noch so viel aufarbeiten, noch so viel tun, um den Schaden und die Verwundungen wieder gutzumachen und zu heilen", sagte Genn.
Nach Ansicht des Freiburger Erzbischofs Stephan Burger reden derzeit viele nur über die Fehler und Unzulänglichkeiten der Institution Kirche und kritisierten beispielsweise Reformunwilligkeit oder unzureichende Missbrauchsaufarbeitung. Entscheidend sei es aber, nicht nur zu kritisieren, sondern aus der Auferstehung Christi Kraft zum Leben zu schöpfen und sich für die frohe Botschaft des Christentums zu engagieren.
Das Reich Gottes beginnt nach den Worten des Passauer Bischofs Stefan Oster dort, wo der gekreuzigte und auferstandene Herr in "unserer Mitte" sein darf. Doch der Mensch sei immerfort dabei, mit Macht und Gewalt sich selbst in den Mittelpunkt zu stellen. Dabei räumte der Bischof ein, dass auch in der Kirche, Bischöfe, Priester und andere Verantwortliche Macht im schlechten Sinne ausgeübt hätten und ausübten. Von Anfang an habe es dies immer wieder in der Kirche gegeben. Deswegen sei es immer wieder aufs Neue nötig, umzukehren und sich am Herrn zu orientieren.
Der Trierer Bischof Stephan Ackermann ermunterte zu mehr Tatkraft. "Mutlosigkeit und Resignation sind die eigentlichen Steine, die uns blockieren und aus Lebensräumen Grabhöhlen machen", sagte er. Oft ließen sich vernünftig klingende Argumente finden, etwas nicht zu tun. Das verhindere aber die Chance, neue, überraschende Erfahrungen zu machen. Er verwies auf die Frauen, die laut biblischem Bericht Jesu Grab besuchten, dort den weggerollten Stein sahen und gleich von der Auferstehung Jesu berichteten. (mpl/KNA)
4.4., 13:55 Uhr: Ergänzt um Oster, Voderholzer und Jung.