Die Osternacht: "Dies ist die Nacht..."
Von der Feier der Osternacht heißt es in der "Grundordnung des Kirchenjahres": "Die Osternacht, in der Christus auferstanden ist, gilt als 'Mutter aller Vigilien'. In ihr erwartet die Kirche nächtlich Wache haltend die Auferstehung des Herrn und feiert sie in heiligen Zeichen."
Dem entspricht auch der Aufbau der durch vier Teile geprägten Feier der Osternacht: Am Beginn dieser Vigil, also der Nachtwache, entzündet die zum Gottesdienst versammelte Gemeinde die Lichter, in deren Schein sie die Heilstaten Gottes in den Lesungen hört und sich in Gesang und Gebet zu eigen macht. Dann empfängt sie durch die Taufe neue Mitglieder und erneuert ihr eigenes Taufversprechen im Glaubensbekenntnis. Dieses mündet schließlich ein in die Mitte der Feier des Pascha-Mysteriums, in die Eucharistie. Diese vier Teile - Lichtfeier, Liturgie des Wortes, Tauffeier und Eucharistie - folgen so, aufeinander aufbauend, nacheinander. Sie markieren zugleich einen großen Spannungsbogen: von der Dunkelheit zum Licht, vom Tod zum Leben. In dieser Weise feiert die Kirche in der Liturgie der Osternacht Tod und Auferstehung Jesu Christi und verkündet seine Wiederkunft.
Osternacht: Drei Tage in einer Nacht
In der frühen Kirche wurden die einzelnen Aspekte von Leiden, Tod und Auferstehung des Herrn, die wir heute an drei Tagen, von Gründonnerstag über den Karfeitag bis hin zur Osternacht begehen, in einer einzigen Nachtwache gefeiert. So nahm die Feier der Osternacht ursprünglich die gesamte Nacht in Anspruch. Sie endete mit der Feier der Eucharistie, dem Herrenmahl, im Licht des anbrechenden Ostermorgens, wenn, wie es im feierlichen Schluss-Segen der Osternacht heißt, die "Nacht erhellt ist durch die Auferstehung unseres Herrn". Denn auch im Osterevangelium kommen die Frauen "in der Morgendämmerung des ersten Tages der Woche" zum leeren Grab. Deshalb soll die Gemeinde - so das Messbuch - erst "wenn der Gedächtnistag der Auferstehung naht (...) an den Tisch, den der Herr seinem Volk durch seinen Tod und seine Auferstehung bereitet hat", herantreten.
Daraus geht hervor, was die Feier der Osternacht nicht ist, oder jedenfalls nicht sein soll: eine Art festliche Vorabendmesse zum Osterfest, die sich lediglich durch ein Mehr an Lesungen und ein paar Extra-Riten (Osterfeuer, Taufe und Taufgedächtnis) auszeichnet.
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Gründonnerstag, Karfreitag und die Osternacht sind die intensivsten liturgischen Feiern des Kirchenjahrs. Wir erklären die einzelnen Teile.Im Exsultet, dem großen Danklied für das Licht der Osterkerze, heißt es, dass Jesus Christus das in seiner Auferstehung neu aufstrahlende Licht ist, der neue Morgenstern. Dort wird davon gesungen, dass die Gemeinde mit ihm, ihrem Herrn, gemeinsam aus Knechtschaft und Sklaverei in die Freiheit, vom Tod ins Leben, von der Nacht in den Tag, von der Finsternis ins Licht zieht. So wird verständlich, warum die Gottesdienstkongregation in einem Schreiben "Über die Feier von Ostern" unterstreicht, dass die Feier der Osternacht "nicht vor Einbruch der Dunkelheit beginnen und nicht nach der Morgendämmerung enden" darf, und warum "diese Vorschrift (...) streng einzuhalten" ist.
Der Tradition der frühen Kirche folgend gibt es heute durchaus Gemeinden, die die Osternacht als Nachtwache durch die ganze Nacht hindurch gestalten. Sie beginnen mit der Lichtfeier am späteren Abend und enden mit der Feier der Eucharistie am frühen Ostermorgen. Die dort gemachten Erfahrungen zeigen, dass sich zu diesen Eckpunkten zu Beginn und am Ende der Nacht die gesamte Gottesdienstgemeinde versammelt, während einzelne Gruppen die übrige Nachtwache gestalten (mit entfalteten Lesungen, Psalmen, Litaneien, Meditation und Gebet). Auch ein Gang zu den Gräbern, zu denen das Osterlicht gebracht wird, kann sich sinnvoll anschließen.
Die Lichtfeier
Die Lichtfeier ist sicherlich jener Teil der Osternacht, der diese von anderen abendlichen oder nächtlichen Gottesdiensten, wie etwa der Christmette an Weihnachten, abhebt. Dabei ist das feierliche Entzünden des Lichtes eigentlich die ganz normale Eröffnung einer Nachtwache (Vigil). Und auch das Abendlob der Kirche in der Stundenliturgie (die Vesper) kennt einen solchen Lichtritus (ein sogenanntes Luzernar) mit einer eigenen Licht-Danksagung.
Da es sich bei der Ostervigil jedoch um den wichtigsten Gottesdienst des liturgischen Jahres handelt, ist auch die Lichtfeier besonders reich entfaltet: In einem ersten Schritt wird das Feuer entzündet und das Licht weitergereicht. Im Segensgebet des Priesters über das Feuer ist die Rede von der Sehnsucht nach Gott, dem unvergänglichen Licht, das alle Dunkelheit vertreibt. In einem zweiten Schritt wird das Licht der Osterkerze begrüßt: Die brennende Osterkerze, in der Christus als das Licht ("Lumen Christi") angekündigt wird, wird in einer Prozession in die dunkle Kirche getragen, worauf die Gemeinde mit einem dankenden Zuruf antwortet: "Deo gratias" - "Dank sei Gott". Ein dritter Schritt ist die große Lichtdanksagung im Lobpreis des Exsultet: Das Licht der Osterkerze soll leuchten bis der Morgenstern aufgeht, "jener wahre Morgenstern, der in Ewigkeit nicht untergeht", der aufstandene Herr Jesus Christus.
Das große Danklied des Exsultet schlägt den großen inhaltlichen Bogen über die gesamte Osternacht: von der Chaosnacht am Anbeginn der Schöpfung, über die Nacht des Pascha-Lammes und des Auszugs der Israeliten aus Ägypten, über die Nacht von Leiden und Tod Jesu Christi, in die wir durch die Taufe hineingenommen sind, bis dereinst zur letzten Nacht, in der Christus als Morgenstern wiederkehrt, um uns heimzuholen zum Vater.
Die Liturgie des Wortes
Nun wird allerdings nicht dadurch Ostern, dass man eine Kerze anzündet und diese Kerze dann anschließend in eine dunkle Kirche trägt. Ostern, der Übergang vom Tod zum Leben, wird es in dem Augenblick, in dem der Priester oder Diakon das Evangeliar aufschlägt und verkündet: "Was sucht ihr den Lebenden bei den Toten? Er ist nicht hier, sondern er ist auferstanden." (Lk 24,5f.).
Auf das Exsultet folgt deshalb die Liturgie des Wortes, und auch hier entspricht der besonderen Feier eine besondere Leseordnung mit insgesamt neun Lesungen: sieben oder zumindest drei aus dem Alten Testament und zwei aus dem Neuen Testament. Dabei darf die Lesung aus dem Buch Exodus, die von der Befreiung Israels aus der Knechtschaft Ägyptens und damit von der Ur-Heilstat Gottes erzählt, niemals ausgelassen werden.
Wenn hier immer wieder zu hören ist, dies sei ein Zuviel an Lesungen, dann sollte man die innere Logik der Feier bedenken: Es wird nicht gewacht und die Feier der Osternacht künstlich in die Länge gezogen, weil es so viele Lesungen gibt. Nein, umgekehrt, es wird viel gelesen und aus der Heilsgeschichte erinnert, weil eine Nachtwache ganz viel Zeit dafür lässt. Auch sollen die Verkündigung der großen Heilstaten Gottes und die Mahnworte der Propheten die Wachsamkeit und Erwartung der Gemeinde stärken. Denn die Osternacht ist die „Nacht der Wache für den Herrn“ (Ex 12,42).
Zudem gibt die Liturgie des Wortes mit ihrer Abfolge aus Lesung, Antwortpsalm und Gebet einen meditativen Rhythmus vor, in den es sich durchaus einzutauchen lohnt.
Die Tauffeier
In der Lesung aus dem Römerbrief (Röm 6,3-11) wird die Taufe als "Mit-Christus-begraben-werden" und "Mit-Christus-Auferstehn" gedeutet. Das ließe den Rückschluss zu, dass deshalb als dritter Teil der Osternacht auf die Wortverkündigung die Tauffeier folgt. Doch auch hier ist die Logik ursprünglich eine umgekehrte: Weil die Feier der Osternacht die wichtigste Eucharistiefeier des ganzen liturgischen Jahres ist, sollen alle, die sich als Taufbewerber auf die Aufnahme in die Kirche vorbereiten, zu dieser Feier zugelassen werden. Die Feier der Eingliederung besteht dabei aus drei Schritten: dem Wasserbad der Taufe, der Salbung und Besiegelung mit dem Heiligen Geist (Firmung) und der ersten Teilnahme an der Eucharistie. Werden Erwachsene in die Kirche aufgenommen, werden auch heute noch alle drei Schritte in der Feier dieser einen Nacht vollzogen.
In der Mitfeier der Taufe neuer Gemeindemitglieder und in der Erneuerung des eigenen Taufversprechens antwortet die Gemeinde auf das zuvor gehörte Oster-Evangelium mit dem Bekenntnis zum auferstandenen und erhöhten Herrn.
Die Eucharistie
Im Licht der Osterkerze darf die Gemeinde zum Abschluss der Feier zusammen mit den Neugetauften zum Tisch des Herrn ziehen. Dabei ist eigentlich selbstverständlich, dass die Gottesdienstkongregation für die Kommunion in der Osternacht empfiehlt: "Es ist angebracht, der Kommunion in der Osternacht die Fülle des eucharistischen Zeichens zu geben, indem man sie unter den Gestalten von Brot und Wein reicht".
So feiert die Kirche im Licht des Ostermorgens Eucharistie, die große Danksagung für das Heil, das Gott, der Vater, uns in seinem Sohn Jesus Christus geschenkt hat, und darf mit Psalm 118 singen: "Großes hat der Herr an uns vollbracht, vor unseren Augen geschah dieses Wunder!"
Der Autor
Martin Stuflesser (*1970) ist Professor für Liturgiewissenschaft an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Würzburg.
Der Artikel erschien erstmals am 15. April 2017.