Kolumne: Mein Religionsunterricht

Zwischen Quizshow und echtem Interesse: Fragen im Religionsunterricht

Veröffentlicht am 09.04.2021 um 15:34 Uhr – Lesedauer: 

Bonn/Trier ‐ Fragen an Schüler haben auch im Religionsunterricht ihren festen Platz, schließlich muss am Ende benotet werden. Elisabeth Maximini-Kirchen fällt aber auf, dass dieser Mechanismus Schüler ausschließen und demotivieren kann. Sie hat andere Ideen.

  • Teilen:

HTML-Elemente (z.B. Videos) sind ausgeblendet. Zum Einblenden der Elemente aktivieren Sie hier die entsprechenden Cookies.

Gibt es dumme Fragen? Nein, es gibt nur… Stopp. Dieser Redewendung möchte ich hier widersprechen. Es gibt Fragen, die nicht hilfreich sind und sogar verhindern, dass Lernen entsteht.

Ich mache mir gerade viele Gedanken darüber, wie ich meinen Religionsunterricht im kommenden Schuljahr konzipieren und aufbauen werde. Die Erfahrungen mit Online-Unterricht und auch mit Online-Fortbildungen haben mir vor Augen geführt, wie langweilig, ermüdend und wenig sinnvoll Lernen sein kann. Über die Herausforderungen des onlinebasierten Unterrichts mit oder ohne Videokonferenz ist genügend berichtet worden. Und zu Online-Fortbildungen kann ich nur sagen, dass es gut gestaltete, aber auch viele reine "Was wissen Sie bereits?", "Was wollen Sie wissen?"-Veranstaltungen gibt. Bei denen war ich manchmal froh, nur mit einem Ohr zuhören zu müssen, weil meist nur Vorwissen abgefragt wurde.

In solchen Situationen zucke ich innerlich zusammen und denke mir: So fühlen sich meine Schüler bestimmt auch mal. Hoffentlich nicht zu oft. Und wenn ich darüber nachdenke, was mich so gelangweilt hat, dann war es meist die Art der Fragen. In der Erinnerung an meine Schulzeit und auch aus meiner Praxis als Lehrerin besteht Unterricht oftmals aus einem Frage-Antwort-Ping-Pong. Dabei stellt der Lehrer eine Frage und hofft auf die eine richtige, gut formulierte, kurze Antwort. Und das geht dann so weiter. Warum ist das so?

Einfache Fragen – gute Klassenarbeiten und Mitarbeitsnoten?

Die Qualität des Unterrichts scheint sich daran zu bemessen, wie viele Fragen in welcher Qualität und Quantität beantwortet werden. Und danach bemisst sich dann auch die Note für die mündliche Mitarbeit. Das wirkt dann nachvollziehbar für die Schüler. À la: "Du meldest dich regelmäßig und häufig. Dabei aber vor allem bei einfachen Fragen. Befriedigend". Oder: "Wenn du die Note verbessern willst, dann versuche dich doch mal zwei Mal die Stunde zu melden." Und dafür sind klare, einfache Fragen des Lehrers hilfreich.

„Das sind Fragen zur Leistungsüberprüfung, aber doch nicht Fragen, die hilfreich sind, das eigene Lernen zu fördern und dazu anregen, neu und um die Ecke zu denken.“

—  Zitat: Elisabeth Maximini-Kirchen

Ja, ja. Ich kenne auch andere Methoden und Ansätze, um die mündliche Mitarbeit zu bewerten. Und ich merke dennoch, dass ich oft der Einfachheit halber in ein Ping-Pong abdrifte. Ich stelle fest, dass ich das auch mache, wenn ich auf Klassenarbeiten vorbereiten will und im Kopf habe, was ein paar Wochen später beantwortet werden soll. Mir ist es wichtig, klare Fragen in Klassenarbeiten zu formulieren, die deutlich machen, was ich wissen will. Das hilft meinen Schülern, weil die Punktevergabe nachvollziehbar wird. Aber solche Fragen gehören nicht in ein Unterrichtsgespräch im Religionsunterricht. Und mal im Ernst: Das sind Fragen zur Leistungsüberprüfung, aber doch nicht Fragen, die hilfreich sind, das eigene Lernen zu fördern und dazu anregen, neu und um die Ecke zu denken.

Quizshow-Kompetenz

Was ich damit fördere ist eine Kompetenz, die meine Schüler dazu befähigt, bei diversen Quizshows mitzumachen. Oder Kreuzworträtselchampion zu werden. Die Fragen, die ich meine, kennen Sie alle. Es sind die klassischen W-Fragen, deren Antworten man ohne tiefergehendes Wissen aufsagt ("Was sind die Säulen des Islam?", "Wer war Pontius Pilatus?", "Wie viele Söhne hatte…" usw.).

Damit gewinnt man vielleicht einen Blumentopf, aber wirklich hilfreich für das Leben und die Herausforderungen, die sich irgendwann auftun werden, ist's nun auch nicht. Was hilft es mir, wenn ich mir als Lehrer glücklich auf meine eigene Schulter tätschele und froh darüber bin, dass Schüler sagen können, was an Ostern, wann, wo und wie passiert ist, aber kein Interesse an dieser Thematik entwickeln, das sie dazu befähigt, das Thema zu erfragen? Das ist doch Verschwendung von Lebenszeit, denn dieses "Wissen" wird nach wenigen Stunden und Tagen vergessen. Also zusammengefasst: Wenn Schüler nur antworten und nicht dazu ermuntert werden, selbst zu fragen, geht das an echtem Lernen vorbei.

Einfache Fragen – nicht für alle einfach zu beantworten

Und da taucht das viel größere Problem auf, das mir Kopfzerbrechen bereitet. Ich selbst stelle auch mal Fragen, die auf Vorwissen abzielen. Vorwissen, das nicht durch meinen Unterricht erworben wurde. Und gerade wenn es um den Religionsunterricht geht, sind meine Schüler ganz unterschiedlich sozialisiert. Manche haben kaum Allgemeinbildung zu Religion und Christentum.

Tauben am Himmel
Bild: ©Fotolia.com/ipopba (Symbolbild)

Der heilige Geist wird ausgesandt – ein Symbol für Pfingsten.

Wenn meine Fragen also nur in diese Richtung gehen, also etwa "Was passiert an Pfingsten?", dann gibt es Schüler, die das wissen. Und eben die, die darauf nie antworten können. Was für ein ungutes Gefühl da entsteht! Stellen Sie sich mal vor, wie es sein muss, nichts beitragen zu können und das, ohne etwas dafür zu können. Und dann gibt es diesen Satz, der jegliche Neugier im Keim erstickt: "Das muss man doch wissen!"

Schüler müssten das also dann "vom Küchentisch" oder aus früheren Schulstunden wissen. Somit fängt Ausgrenzung schon mit so etwas wie einer Frage an. "Das sind doch aber nur ein paar wenige Fragen in der Stunde", höre ich nun einige sagen. Stimmt! Aber für ein negatives Gefühl reichen auch schon ein paar Fragen, die dann alles andere überschatten.

Mir ist das mal passiert, als mein Unterricht auf den 9. November fiel. Ich war mir sicher, dass meine Schüler wissen, was an diesem Tag in der deutschen Geschichte geschah und wollte vor allem den 9. November 1938 thematisieren. Ich fragte also nach den Geschehnissen und bohrte in gleicher Manier weiter bis ich lange Minuten nur noch mit ein paar Schülern sprach. Es dauerte weitere lange Minuten bis mir auffiel, dass der Rest der Klasse schwieg. Nach der Stunde kam eine sonst sehr engagierte Schülerin zu mir und entschuldigte sich dafür, dass sie nichts darüber gewusst hatte. Sie lesen richtig. Sie entschuldigte sich dafür. Dass dieses Thema nicht im Unterricht der Vorjahre behandelt wurde. Ich habe mich in diesem Moment geschämt, weil mir klar wurde, dass meine Intention nach hinten losgegangen war und ich diese Schülerin in diese Situation gebracht hatte. Übrigens passiert das gleiche, wenn lamentiert wird, dass Schüler/Studenten/etc. nicht mehr antworten könnten, wenn es um die Grundfragen des christlichen Glaubens geht. Sie kennen sicherlich einige "lustige" Schülerantworten. Etwa: "Welche Konfession hast du? Evangelistisch." Ich finde das meist nicht lustig, sondern von dem, der darüber lacht ganz schön anmaßend.

Es darf um Fragen gehen

Gerade im Religionsunterricht darf es doch um die Schüler und ihre Fragen gehen. Religion, Glaubenspraxis und Kirche irritieren schon oft genug und werden oft exklusiv statt inklusiv erlebt. Man ist ziemlich aufgeschmissen, wenn man nicht weiß, wann man sich in der Kirche wie und warum bewegt, kniet, singt, usw. Oder was diese "Konfession" sein soll. Vor allem dann, wenn man sich nicht zu fragen traut. Und wenn ich auch im Religionsunterricht anfange, dieses Gefühl des "Sowas weiß man doch" zu etablieren, dann darf ich mich nicht wundern, wenn Schüler innerlich abschalten. So oft habe ich es leider schon erleben müssen, dass sich Schüler selbst als "dumm" bezeichnet und sich resigniert zurückgezogen haben. Was tun?

„Was sollen Schüler ad hoc, ohne Hintergrundwissen und Interesse entwickeln?“

—  Zitat: Elisabeth Maximini-Kirchen

Wie wäre es denn, wenn Schüler Fragen selbst entwickeln, statt nur zu beantworten? Kinder machen das ja intuitiv und zum Teil herausfordernd. Etwa mit dem bekannten "Und warum?" 

Oh, prima! Da gibt’s doch tolle Methoden! "Hallo, Schüler! Unser neues Thema ist: Der Mensch und die Arbeit. Ich lasse euch mal in Gruppenarbeit 45 Minuten Fragen sammeln und die klären wird dann in den nächsten Wochen." Nun. So geht's auch nicht. Denn was sollen Schüler ad hoc, ohne Hintergrundwissen und Interesse entwickeln?

Religionsunterricht als Fragenentwickler

Weder das Frage-Antwort-Ping-Pong, noch das Fragensuchen ohne jegliche Fakten und Hintergrundwissen ist sinnvoll. Mein Ziel wird es sein, Schüler zum Fragen entwickeln zu bewegen. Und selbst weniger zu fragen. Und um gute Fragen zu stellen zu können, braucht es Grundlagenwissen, Interesse und Muße. Diese drei Pfeiler sollte Religionsunterricht – eigentlich auch jeder andere Unterricht – bieten. Fragen fordern heraus. Und müssen ausgehalten werden. Ich bin sehr drauf gespannt, wann und wie die Fragen der Schüler zur aktuellen Situation in der Kirche kommen werden.

Somit kann man doch sagen: Im Religionsunterrichts geht's nicht darum, dass man banal fragt und antwortet, sondern, dass man dazu anregt, Fragen zu stellen, denen man sich dann mithilfe der Unterrichtsinhalte und des Lehrers nähern kann.

Was fragen Sie sich aktuell? Haben Sie eine Idee, wie man jemanden unterstützen kann, Fragen zu finden, anstelle schneller Antworten?

Von Elisabeth Maximini-Kirchen

Die Autorin

Elisabeth Maximini-Kirchen ist Religionslehrerin an einer berufsbildenden Schule in Trier.

Unser Partnerportal für Religionslehrer/innen

Auf unserem Partnerportal rpp-katholisch.de finden Sie kostenloses Unterrichtsmaterial zum Download. Darüber hinaus bietet es aktuelle Informationen und eine Übersicht über das Fortbildungsangebot in den Diözesen und Einrichtungen.