Kohlgraf: Brauchen Menschen, "die uns in der Kirche den Spiegel vorhalten"

"Sternstunde" des Gewissens: Steinmeier und Kirchen ehren Luther

Veröffentlicht am 16.04.2021 um 18:22 Uhr – Lesedauer: 

Worms ‐ Vor 500 Jahren weigerte sich Martin Luther, vor dem Wormser Reichstag seine Kritik an der Kirche zu widerrufen. An diesen Schritt haben Bundespräsident Steinmeier und Kirchenvertreter erinnert – und das Gewissen des Reformators gewürdigt.

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Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und Repräsentanten der Kirchen haben den Auftritt des Reformators Martin Luther vor dem Reichstag zu Worms vor genau 500 Jahren als weltveränderndes Ereignis gewürdigt. "Wir gedenken einer europäischen Sternstunde des erwachten individuellen Gewissens", sagte Steinmeier am Freitag in einer Videoansprache beim digitalen Festakt zur Eröffnung des Luther-Jubiläums "500 Jahre Wormser Reichstag".

Der Augustinermönch und Theologe Martin Luther (1483-1546) trat am 17. und 18. April 1521 vor dem Wormser Reichstag im Angesicht des Kaisers Karl V. auf und weigerte sich, seine Kritik an der römisch-katholischen Kirche, insbesondere dem Ablasshandel, zu widerrufen. Luther verteidigte trotz drohenden "Ketzer"-Todes seine theologischen Ansichten, und zwar mit dem in der Überlieferung sicher zugespitzten Satz: "Hier stehe ich, ich kann nicht anders, Gott helfe mir. Amen."

Steinmeier: Kostbare und prägende Erinnerung für ganz Europa und die Welt

Für ganz Europa und die Welt blieben "diese Stunden und Tage von Worms vor 500 Jahren eine kostbare, eine prägende Erinnerung", sagte Steinmeier. Luthers Beharren, durch Argumente zu überzeugen oder überzeugt zu werden, habe "die geistige, die religiöse und schließlich auch die politische Welt zutiefst verändert". Mit seinem Auftritt habe der Reformator den Keim für die Überzeugung gelegt: "Nicht Autorität, weder Kaiser noch Papst, nicht Tradition allein, wie heilig und lang sie auch sei, dürfen das religiöse und schließlich auch das gesellschaftliche Leben bestimmen", sagte Steinmeier.

Der Bundespräsident fügte hinzu: "Es gibt eine Stunde des Gewissens, in der ein Mensch ganz allein mit sich selbst ist, in der es ganz allein auf seinen Mut, auf seinen Willen und seine Standfestigkeit ankommt." Luther habe eine solche Stunde des Gewissens bestanden, "weil er bereit war, dafür auch Freiheit und Leben aufs Spiel zu setzen".

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Der zugeschaltete Mainzer katholische Bischof Peter Kohlgraf sagte: "Ich feiere auch heute die Bedeutung des Gewissens eines Menschen, das aus dem Glauben heraus gebildet war." Man brauche immer wieder Menschen, "die uns in der Kirche den Spiegel vorhalten und uns letztlich auch noch einmal an Christus erinnern - Christus war der, der Luther getrieben hat", so Kohlgraf.

Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, betonte: "Wie Luther seinem im Glauben gegründeten Gewissen zu folgen, auch da, wo es etwas kostet, ist eine Haltung, die aktueller ist denn je."

"Er bestand darauf, ernst genommen zu werden"

In seiner Festrede sagte der Kirchenhistoriker Thomas Kaufmann: "Luther rebellierte mit Feuereifer gegen einen unnahbaren Machtapparat, der ihn mit allen verfügbaren Mitteln kalt zu stellen versuchte." Luther habe darauf bestanden, durch Schriften oder Vernunftgründe widerlegt zu werden. "Er bestand darauf, ernst genommen zu werden."

Das Luther-Jubiläum soll bis Oktober mit etwa 100 Veranstaltungen zu Zivilcourage und Gewissensfreiheit gefeiert werden – je nach Corona-Lage in Präsenz oder digital. (KNA)