Bis heute papstzentrierte Haltung durch Erstes Vatikanisches Konzil

Dogmatiker: Papst Franziskus hat Ängste in der Kirche zerstreut

Veröffentlicht am 22.04.2021 um 11:49 Uhr – Lesedauer: 
Dogmatiker: Papst Franziskus hat Ängste in der Kirche zerstreut
Bild: © KNA

Bonn ‐ Das Erste Vatikanische Konzil ist seit 150 Jahren vorbei, seine papstzentrierte Haltung prägt die Kirche aber bis heute, kritisiert der emeritierte Münchner Dogmatiker Peter Neuner. Bei Papst Franziskus sieht er jedoch eine andere Akzentsetzung.

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Der emeritierte Münchner Dogmatiker Peter Neuner begrüßt, dass Papst Franziskus in seiner bisherigen Amtszeit Ängste in der Kirche zerstreut hat. "Man kann in der Kirche heute frei reden und ist nicht mehr in der Situation, dass jedes nicht ganz linientreue Wort zu erheblichen Auseinandersetzungen führt", sagte Neuner in der neuen Folge des katholisch.de-Podcasts "Aufgekreuzt". Mit dieser Einstellung sieht Neuner die Chance, dass Franziskus Gegenakzente in einer durch die Papstzentralisierung des Ersten Vatikanischen Konzils (1869-1870) geprägten Kirche setzt.

Die Aussagen des damaligen Konzils seien "höchst einseitig geblieben", so Neuner. "Die Kirche erschien fast ausschließlich als Papstkirche, alle anderen Bedeutungen und Ämter sowie die Kirche als Ganzes schienen lediglich in der Abhängigkeit vom Papst zu sein und zu fungieren." Das Zweite Vatikanische Konzil (1962-1965) habe diese Einseitigkeit überwinden wollen, was jedoch zu großen Kontroversen geführt habe. Deshalb habe man zahlreiche Zitate des Ersten Vatikanischen Konzil in die Texte des Zweiten aufgenommen.

Problematisch sieht Neuner die Rezeption der Texte des Zweiten Vaticanums: "Es ist höchst eindrucksvoll zu beobachten, welche Stellen seit dem Zweiten Vaticanum gerade auch von den römischen Dikasterien mehrheitlich zitiert werden. Es sind die Stellen, die das Zweite Vaticanum aus dem Ersten Vaticanum übernommen hat." Die Strukturen, die das Zweite Vaticanum neu eröffnet habe, seien in der Praxis nicht oder nur sehr begrenzt rezipiert worden.

Neue Akzente von Franziskus

Hier setze Papst Franziskus neue Akzente. "Der jetzige Papst ist sehr darauf bedacht, gerade den Gedanken der Synodalität wieder ins Zentrum zu stellen", sagte Neuner. Dieser Gedanke sei nach dem Ersten Vaticanum nicht mehr lebendig gewesen. Franziskus habe aber nun "Synodalität zum Wesen der Kirche erklärt".

Abzuwarten bleibe, inwiefern eine neuen Schwerpunktsetzung gelinge und möglich sei. Die großen Hoffnungen in die Amazonas-Synode hätten sich "höchstens partiell erfüllt", so Neuner. Im Augenblick sei die Kirche weiter gespannt, "wann diese neuen Ansätze in die Praxis umgesetzt werden".

Das Erste Vatikanische Konzil wurde unter anderem deswegen bekannt, weil dort die Unfehlbarkeit des Papstes in Ausübung seines Amtes bei endgültigen Entscheidungen in Glaubens- und Sittenlehren zum Dogma erhoben wurde. Diese Entscheidung war bereits damals umstritten. Insgesamt war das Konzil von einer Abwehrhaltung gegen die Moderne geprägt. (cph)

Hinweis: Die neue Folge des Podcasts erscheint am Montag, 26. April.