Vor 1.025 Jahren ging ein Herzogssohn aus Kärnten in die Geschichte ein

Gregor V. – Als zum ersten Mal ein "Deutscher" Papst wurde

Veröffentlicht am 03.05.2021 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 

Bonn/Rom ‐ Lange war die Besetzung des Papstthrons eine innere Angelegenheit des römischen Adels. Kaiser Otto III., ein Sachse, wollte die alte Vision eines christlichen Reichs wiederbeleben. Doch sein "deutscher Papst" scheiterte.

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"Wir sind Papst" – die legendäre "BILD"-Schlagzeile vom 20. April 2005 galt knapp acht Jahre. Benedikt XVI. (2005-2013), der erste "deutsche" Papst seit 482 Jahren, regierte trotz seiner schon 78 Jahre länger als alle anderen Vorgänger aus deutschen Landen. Seit Hadrian VI. 1523 starb, saßen bis zu dem Polen Karol Wojtyla (1978-2005) nur noch Italiener auf dem Stuhl Petri.

Die offizielle Zählung der "deutschen" Päpste ist problematisch, ist doch der Begriff "deutsch", zumal im Mittelalter, geografisch schwer zu fassen. Zum Reich – dem Heiligen Römischen, zumeist "deutscher Nation" – zählte weit mehr als das heutige Deutschland. Kärnten, Elsass, Lothringen, Südtirol, die Niederlande – doch sogar mit all diesen Regionen haben die "Deutschen" in zwei Jahrtausenden Kirchengeschichte nicht mehr als acht Päpste hervorgebracht. Der erste von ihnen war Brun oder Bruno, ein Herzogssohn aus Kärnten aus dem Geschlecht der Salier. Vor 1.025 Jahren, am 3. Mai 996, wurde er gewählt.

Lange Zeit war die Besetzung des Papststuhls eine innere Angelegenheit des stadtrömischen Adels gewesen, und zwar eine konfliktreiche. Doch mit dem deutschen König Otto III., einem Sachsen, verfolgte wieder ein ambitionierter Herrscher den großen Traum vom christlichen Imperium: mit Kaiser und Papst gemeinsam an der Spitze.

Einer der jüngsten Päpste der Geschichte

In Ravenna erfuhr Otto vom Tod von Papst Johannes XV., der es sich durch Geldgier mit den Römern verscherzt hatte. Der erst 15-jährige ergriff seine Chance und betrieb die "Wahl" seines Verwandten und Hofkaplans Bruno durch "Klerus und Volk von Rom". Mit nur 24 Jahren ist Gregor V., wie er sich nannte, einer der jüngsten Päpste der Geschichte geblieben. Eine seiner ersten Amtshandlungen: Er krönte als Gegenleistung Otto III. zum Kaiser. Die Rädelsführer einer jüngsten Adelserhebung waren zwar zum Tode verurteilt worden, wurden aber vom neuen Papst begnadigt und leisteten den Treueid.

Der Coup schien zunächst gelungen – und auch die Namensgebung des Neuen war ein Treffer: Der erste Papst Gregor, genannt "der Große" (590-604), gehörte zu den bis dato wichtigsten und beliebtesten Päpsten überhaupt. Doch das Manko des "Fremden", noch wichtiger: das des Nichtrömers und Barbaren, blieb. Der Kandidat des Kaisers biss in Rom rasch auf Granit.

Bild: ©KNA/Monika Prüser-Bröhl

Zur Schlagzeile "Wir sind Papst" gab es aus deutscher Sicht in den vergangenen Jahrhunderten nur sehr vereinzelt Anlass.

Als Otto III. nach seiner Krönung Richtung Alpen abzog und "seinen" Papst schutzlos zurückließ, brach dieselbe Adelsfraktion ihren Treueeid und hob den Gelehrten Johannes Philagathos als Gegenpapst Johannes XVI. auf den Schild. Pikant: In Worms, wo Brun von Kärnten ausgebildet worden war, war der aus Kalabrien stammende Grieche einer seiner Lehrer gewesen. Nicht mehr lange konnte sich Gregor V. ohne den konkreten Schutz des Kaisers halten; er floh nach Spoleto.

Zwei Fluchten

Als Otto III. mit seinem Zweiten Italienzug zurückkehrte, wendete sich das Blatt abermals: 998 musste der Gegenpapst Johannes in die Campagna fliehen – und grausam für die römische Adelsränke bezahlen: Er wurde gefasst, weggesperrt, gefoltert, entstellt und den Römern geblendet und rücklings auf einem Esel reitend in Schandprozession vorgeführt: Ohren, Nase und Zunge abgeschnitten, aber in päpstliche Gewänder gesteckt. Ein christliches Imperium? Von einer Synode abgeurteilt, wurde Johannes XVI. in ein Kloster verbannt, wo er noch 15 Jahre weiterlebte. Der römische Anstifter der Revolte wurde enthauptet.

Trotz all der Grausamkeiten und Einschüchterungen: Es wurde nichts mehr mit dem ersten "deutschen Papst". Viel hatte er schon gesehen, als er im Februar 999 starb, noch keine 27 Jahre alt. Es wird wohl Malaria gewesen sein; doch mag man eine Vergiftung angesichts der Heftigkeit der Konflikte und der eingesetzten Mittel vollkommen ausschließen?

Papst Gregor V. wurde im Petersdom beigesetzt, an der Seite von Ottos Vater Otto II. (973-983) – der als einziger Kaiser des Heiligen Römischen Reiches in Rom bestattet ist. Der Sohn, Otto III., folgte beiden im Januar 1002 in den Tod, mit nur 21 Jahren. Die "Renovatio imperii Romanorum" (Erneuerung des Römischen Reiches), auch mit Gregors Nachfolger, dem hochgelehrten Gerbert d'Aurillac/Silvester II. (999-1003) weiter verfolgt, war einmal mehr gescheitert.

Epoche der "deutschen Päpste"

Ein halbes Jahrhundert später begann die eigentliche Epoche der "deutschen Päpste". Nicht weniger als fünf Deutsche traten binnen elf Jahren die Petrus-Nachfolge an. Hintergrund war das religiöse Engagement Kaiser Heinrichs III., der die von den Klöstern ausgegangene Kirchenreform über Rom auf die Gesamtkirche übertragen wollte. Bischof Suidger von Bamberg als Clemens II. (1046/47) und Poppo von Brixen als Damasus II. (1048) starben verdächtig schnell – der zweite gar als ein "Papst der 23 Tage".

Mit Bruno von Egisheim-Dagsburg im Elsass, dem später heiliggesprochenen Leo IX. (1049-1054), gelangte der wohl bedeutendste "deutsche" Papst des Mittelalters auf den Stuhl Petri. In seine fünfjährige Amtszeit fallen die erfolgreiche Bekämpfung von Ämterkauf bei Bischöfen, die Einschärfung des Pflichtzölibats, die Vorbereitung des Kardinalskollegiums als Leitungsgremium der Kirche, die Betonung des Primats des römischen Bischofs und die Spaltung von Ost- und Westkirche im Großen Schisma 1054.

Für Kontinuität sorgten Bischof Gebhard von Eichstätt als Victor II. (1055-1057) und Stephan IX. (1057-1058), ein Bruder des Herzogs von Lothringen. Gerade von letzterem erwartete man ein kraftvolles Pontifikat, doch auch er starb früh. So ist Benedikt XVI. (2005-2013) der am längsten amtierende "deutsche" Papst der Kirchengeschichte.

Von Alexander Brüggemann (KNA)