Mit-Initiator Thönnes: Die Segnungsfeiern sind keine Protestaktion
Unter dem Motto "#liebegewinnt" haben Seelsorgende deutschlandweit für den 10. Mai zu "Segensfeiern für Liebende" eingeladen. Die Aktion ist auch eine Antwort auf das Nein der vatikanischen Glaubenskongregation zu Segnungen für homosexuelle Paare. Zuletzt hatte sich der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, der Limburger Bischof Georg Bätzing, kritisch zu der Initiative geäußert und sie als "nicht hilfreich" bezeichnet. Segnungsgottesdienste hätten ihre eigene theologische Würde und pastorale Bedeutung. "Sie sind nicht als Instrument für kirchenpolitische Manifestationen oder Protestaktionen geeignet", so Bätzing. Im Interview mit katholisch.de antwortet einer der Initiatoren, der ehemalige Essener Generalvikar und jetzige Pfarrer in Bochum-Höntrop Hans-Werner Thönnes, auf die Kritik und nennt die Ziele des Vorhabens.
Frage: Herr Thönnes, ist die Kritik von Bischof Georg Bätzing für Sie ein Grund, über eine Absage nachzudenken?
Thönnes: Nein. Für uns in der Gemeinde in Wattenscheid-Höntrop ist klar: Diese Segensfeier steht in der Tradition der Segensfeiern, die es bei uns hier vor Ort schon lange gibt. Sie ist keine Protestaktion. Es gibt zwei Ebenen, die wir unterscheiden: Die eine ist die Auseinandersetzung und das Ringen um den Stellenwert von Partnerschaften, die keine Ehe sind und die wir kirchenrechtlich nicht als solche einordnen können. Dabei stellt sich die Frage, wie man Menschen, die um einen Segen bitten, auf ihrem gemeinsamen Lebensweg begleiten und ihnen dazu einen Segen zusprechen kann. Dabei gibt es jetzt nach dem Responsum aus Rom eine neu befeuerte Auseinandersetzung. Die betrifft auch gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften. Darin sind wir engagiert beteiligt und sagen: Die Antwort aus Rom stellt uns eindeutig nicht zufrieden. So können und dürfen wir mit dem Segenswunsch der Menschen für ihren gemeinsamen Weg nach unserer Überzeugung nicht umgehen. Das ist eine inhaltliche, theologische Auseinandersetzung, die geführt werden muss.
Die andere Ebene ist, dass wir als Seelsorgende immer schon mit Paaren und mit Menschen mit der Bitte um einen Segen für ihren gemeinsamen Weg so umgegangen sind, wie wir das jetzt am 10. Mai auch tun: Wir haben sie gesegnet und das tun wir auch weiter. Ein alter Bischof hat uns einmal mit Blick auf wiederverheiratete Geschiedene gesagt: "Da können wir nichts regeln, da müsst ihr als Seelsorgende wissen, wie ihr in der Seelsorge damit umgeht." Die Veränderung, die eingetreten ist und die ich richtig finde: Es geht heute nicht mehr darum, etwas in einem verschwiegenen Raum still zu tun. Wir sind herausgefordert, deutlich zu machen, dass die Kirche zu den Menschen steht, die verantwortlich einen Weg gemeinsam gehen wollen – und sie nicht alleine lässt. Gott möge sie dabei begleiten und stärken. In diesem Sinn sprechen wir einen Segen über sie und ihren gemeinsamen Weg. Wir dürfen den Menschen nicht mit pastoraler Herablassung und im Verborgenen begegnen. Sie sollen aufrecht und sichtbar zu ihrem Weg stehen und ihn miteinander und in der Gemeinschaft der Glaubenden gehen können.
Frage: Hören Sie denn Bedenken aus Gemeinden, die wegen dieser Aktion Angst vor Konsequenzen haben?
Thönnes: Nein, das höre ich gar nicht. Es melden sich bei uns vor allem die, die das genauso sehen wie wir und gerne mitmachen und uns ermutigen. Das ist für mich eindrucksvoll: Wir haben bei unseren sonntäglichen Zoomtreffen im Rahmen der Online-Gottesdienste ein uneingeschränkt positives Echo auf die Ankündigung der Segensfeiern bekommen. Es gibt viel Dankbarkeit, dass der Segen nicht verweigert wird.
Frage: Bei einem Blick auf die Orte der Gottesdienste am 10. Mai zeigt sich: In Mittel- und Ostdeutschland gibt es kein Angebot. Warum?
Thönnes: Das weiß ich nicht. Es kann sein, dass es in der Diasporasituation eine andere Wahrnehmung gibt – aber das ist Spekulation.
Frage: Was ist Ihr Ziel für den 10. Mai?
Thönnes: Ich sehe den 10. Mai als einen Schritt auf dem Weg, den wir in der Seelsorge schon lange gehen. Wir wollen Menschen, die die sakramentale Ehe nicht schließen können, für ihren verbindlichen gemeinsamen Weg ein Segenswort zusprechen. Diesen Weg gehen wir kontinuierlich weiter. Es geht dabei um den pastoralen und wertschätzenden Umgang mit Menschen, die in der Gemeinde oft längst Stand und Ansehen haben. Ich denke da zum Beispiel an zwei Männer, die schon vor längerer Zeit den Segen erbeten haben und bei deren Segensfeier es eine große Beteiligung der Gemeinde gab. Beide sind in diesem Umfeld voll akzeptiert. Da hat sich längst eine eigene geistliche Kultur entwickelt. Ich glaube, dass wir begonnen haben, die Realität Homosexualität neu und anders wahrzunehmen und einzuordnen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass der Herr immer zur Seite geguckt hat, wenn ein homosexuell veranlagter Mensch zur Welt kommt – Homosexualität ist eine Schöpfungswirklichkeit. Inzwischen gibt es ja eine breite Diskussion darüber, dass all das, was aus biblischen Texten gerne als Absage an gleichgeschlechtliche Partnerschaften angeführt wird, nicht Partnerschaften auf Dauer und in Liebe meint, sondern ganz andere Situationen vor dem Hintergrund von Krieg und Gewalt beurteilt.
Frage: Braucht es also auch mehr Input für den Vatikan?
Thönnes: Ich wage nicht zu behaupten, dass der Vatikan mehr Input braucht. Aber zu sehen, wie sich Exegese und Moraltheologie weiterentwickeln, und daraus Konsequenzen zu ziehen, würde auch an dieser Stelle nicht schaden.