Lutterbach: Priester sollten sich zu ihrer sexuellen Identität bekennen
Der katholische Theologe und Geistliche Hubertus Lutterbach ermutigt Priester, sich selbst öffentlich zur eigenen sexuellen Identität zu bekennen. "Das würde helfen, Tabus abzubauen und die Gesprächskultur zu verbessern", sagte der Theologe dem Evangelischen Pressedienst (epd). Lutterbach zeigte sich überzeugt, dass sich die Kirche auch den neueren Fragen sexueller und geschlechtlicher Identität stellen müsse. Menschen mit Trans-Identität und solche, die sich weder als Mann noch als Frau verstehen, dürften sich von der Kirche nicht ausgegrenzt fühlen. Anschlussfragen, etwa ob solche Menschen Priester werden oder eine katholische Ehe eingehen können, müssten ebenfalls diskutiert werden, so der Theologe, der auch die Öffnung von Priesteramt und Diakonat für Frauen befürwortet.
Weiter sagte Lutterbach, die katholische Kirche dürfe homosexuellen Paaren den kirchlichen Segen nicht verweigern. "Segen ist Ausdruck der Gottesliebe und der Nächstenliebe. Wie könnten wir Menschen den Segen vorenthalten, die sich zu dieser Liebe bekennen?", sagte der Theologe. "Jesus hat gesagt: Wie ich euch geliebt habe, so sollt auch ihr einander lieben. Daran halten wir uns." Lutterbach ist Professor für Christentums- und Kulturgeschichte an der Universität Duisburg-Essen und Priester in der Osnabrücker Pfarrgemeinde Heilig Kreuz. Die Gemeinde folgt dem bundesweiten Aufruf "Liebe gewinnt" mehrerer katholischer Seelsorger, indem sie nicht-heterosexuelle Paare einlädt, sich am 9. Mai im regulären Sonntagsgottesdienst segnen zu lassen. "Wir wollen deutlich machen, dass bei uns alle willkommen sind, auch die, die nicht katholisch getraut sind", betonte Lutterbach.
Auch kirchenpolitisches Zeichen setzen
Die Gemeinde wolle aber auch ein kirchenpolitisches Zeichen setzen. Am 15. März hatte die vatikanische Glaubenskongregation mit Zustimmung von Papst Franziskus jede Segnungsform für unzulässig erklärt, mit der über den Segen von Einzelpersonen hinaus auch die homosexuelle Partnerschaft anerkannt wird. Solche Verbindungen seien nicht "auf den Plan des Schöpfers hingeordnet", erklärte Kardinal Luis Ladaria, Präfekt der Glaubenskongregation. "Das ist nicht akzeptabel", sagte nun Lutterbach. Es gelte, den neuen Lebenswirklichkeiten Rechnung zu tragen. "Das wollen wir tun, und zwar aus dem Evangelium heraus, nicht gegen es."
Ohnehin habe sich in der katholischen Kirche in Deutschland in den vergangenen zehn Jahren viel verändert. Die überwältigende Mehrheit der Bischöfe sehe in den Segensfeiern für homosexuelle Paare kein Problem mehr, erklärte Lutterbach. Und die Heilig-Kreuz-Gemeinde habe in Reaktion auf die Glaubenskongregation im März die Regebogenfahne gehisst. "Um es mit Joe Biden zu sagen: Die katholische Kirche ist on the move again."
Die um den 10. Mai bundesweit geplanten "Segensgottesdienste für Liebende" hatten Diskussionen in der Kirche in Deutschland ausgelöst. Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz (DBK), Limburgs Bischof Georg Bätzing, sagte vergangene Woche, er halte öffentliche Aktionen wie diese nicht für ein hilfreiches Zeichen und einen weiterführenden Weg. Der Aachener Bischof Helmut Dieser appellierte angesichts der geplanten Segnungsgottesdienste an das Gewissen der Seelsorger. Verschiedene Theologen sprachen sich bei einer Tagung in der vergangenen Woche dafür aus, dass die Kirche Segensfeiern für homosexuelle Paare anbieten müsse. Der italienische Kardinal Camillo Ruini hingegen warnte vor der Gefahr eines Schismas. (tmg/epd)