Warum Kardinal Sarah nicht mehr den neuen Papst verkünden darf
Wann der nächste Papst gewählt ist, weiß noch niemand. Nur eins ist sicher: Wenn ein neuer Papst gewählt wird, dann wird es nicht Kardinal Robert Sarah sein, der auf die Benediktionsloggia des Petersdoms tritt und "eine große Freude" verkündet – diese Ehre kommt nämlich dem dienstältesten der Kardinäle in der Klasse der Kardinaldiakone zu, die beim Konklave wahlberechtigt sind. Beim Konsistorium am Montag wurde Sarah befördert: Künftig gehört er der Klasse der Kardinalpriester an, seine Aufgabe als Ansager gibt er an Kardinal Giuseppe Bertello ab, den Leiter des vatikanischen Governatorats.
Dass es unter den Kardinälen überhaupt solche Unterschiede gibt, ist nicht selbstverständlich. Bei der Reform des Kirchenrechts um 1980 gab es Vorschläge, diese aus der Geschichte gewachsene Unterteilung in verschiedene "Kardinalsklassen" abzuschaffen – doch davon wollte Papst Johannes Paul II. nichts wissen. "Das Kardinalskollegium ist in drei Klassen gegliedert", heißt es so auch heute noch im kirchlichen Gesetzbuch CIC und legt fest, dass es Kardinaldiakone, Kardinalpriester und Kardinalbischöfe gibt.
Dass es sich dabei wirklich um Kleriker der jeweiligen Weihestufe handelt, ist lange her; heute müssen alle Kardinäle in der Regel die Bischofsweihe empfangen, die große Mehrheit der Kardinäle ist auch bereits vor der Erhebung Bischof. Das Kardinalskollegium wird historisch an die frühe Kirche rückgebunden, als der Bischof von Rom von den Bischöfen der umliegenden Bistümer sowie Pfarrern und Diakonen gewählt wurde. Heute dagegen sind die meisten Kardinäle Diözesanbischöfe, viele von ihnen weit von Rom entfernt. Ihre Verbindung zum römischen Stadtklerus erhalten sie durch einen Titelsitz: Die Kardinaldiakone erhalten eine der historischen Diakonien, die im frühmittelalterlichen Rom mit Diakonen besetzt waren, eine Einrichtung, die man mit heutigen Caritas-Sozialstationen vergleichen könnte. Den Kardinalpriestern wird eine Titelkirche in Rom zugewiesen – hier kommen immer wieder neue hinzu, meist am Stadtrand Roms.
Bischöfe mit Titel, aber ohne Aufgaben
Die Kardinalbischöfe erhalten den Titel einer der suburbikarischen Kirchen übertragen, die auf die historischen Suffraganbistümer Roms zurückgehen: In der Reihenfolge ihrer Gründung vom 3. bis 5 Jahrhundert sind das Ostia, Albano, Frascati, Palestrina, Porto-Santa Rufina, Sabina-Poggio Mirteto und Velletri-Segni. Obwohl das sieben Diözesen sind, gab es dort bis vor kurzem nur sechs Kardinalbischöfe: Ostia, das im 3. Jahrhundert gegründete älteste unter ihnen, erhält der Dekan des Kardinalskollegiums zusätzlich zu seinem anderen Bistum als Titel. Seit Januar 2020 ist Giovanni Battista Re Kardinaldekan und damit sowohl Kardinalbischof von Sabina-Poggio Mirteto wie auch neu von Ostia. Echte Aufgaben als Diözesanbischof haben die Kardinalbischöfe übrigens nicht – sie nehmen zwar von ihrem Bistum liturgisch Besitz, sind aber nicht an der Verwaltung beteiligt.
Neben den römischen Kardinalbischöfen gehören auch Patriarchen der unierten Ostkirchen, sobald sie ins Kardinalskollegium aufgenommen worden sind, zur Bischofsklasse. Dass Patriarchen ins Kardinalskollegium aufgenommen werden, ist seitens Roms ein Zeichen der Wertschätzung der orientalischen Kirchen – doch bisweilen wird es auch kritisch gesehen, symbolisiert die Kardinalserhebung doch eine Zuordnung zum römischen Klerus – zudem sind die Patriarchensitze älter als der Kardinalstitel. Wenn Patriarchen zum Kardinal erhoben werden, gehören sie zu den Kardinalbischöfen, erhalten aber kein suburbikarisches Bistum, sondern behalten ihren eigenen Patriarchensitz als Titel. Eine weitere Besonderheit ist die Bezeichnung ihres Kardinalats: Sie firmieren nicht als "Cardinales Sanctae Romanae Ecclesiae", sondern als "Cardinales Sanctae Ecclesiae", also als Kardinäle der heiligen Kirche ohne den Zusatz "römisch".
Die Zahl der Kardinalbischöfe ist eigentlich durch die suburbikarischen Bistümer begrenzt. Der Papst wäre aber nicht der Papst, wenn er sich an diese Grenze halten müsste: Schon zweimal, 2018 und 2020, hat Papst Franziskus neue Kardinalbischöfe benannt, erst vier, dann einen weiteren, die auch ohne suburbikarischen Titel mit den hergebrachten gleichgestellt sind. Ein Grund dürfte die zunehmende Lebenserwartung sein: Ältere Kardinäle machen ihren Titel erst später frei. Mit den neuen Titeln konnten auch Kardinäle im aktiven Dienst bedacht werden – und Weichen für die Papstwahl gestellt werden – wie 2018 unter anderem Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin und den Präfekten der Bischofskongregation Marc Ouellet und zuletzt 2020 Luis Tagle, der Präfekt der Kongregation für die Evangelisierung der Völker.
Immer mehr Kardinäle
Wie die Zahl der Kardinäle insgesamt, steigen so auch die Zahlen in den einzelnen Klassen. Waren es zunächst insgesamt 30 Kardinäle, legte Papst Sixtus V. im Jahr 1586 die Zahl nach dem Vorbild der 70 Ältesten Israels auf 70 fest. Diese 70 – sechs Kardinalbischöfe, 50 Kardinalpriester und 14 Kardinaldiakone – waren auch noch im Kirchenrecht von 1917 festgeschrieben. Papst Johannes Paul II. hatte dann 1996 maximal 120 als Zahl der aktiven Papstwähler ausgegeben, eine Zahl, die aber immer wieder überschritten wird.
In ihre jeweiligen Klassen gelangen die Kardinäle durch die Ernennung durch den Papst. Dabei werden die Diözesanbischöfe in der Regel als Kardinalpriester, die Kurienbischöfe als Kardinaldiakone ernannt; in früheren Zeiten war die Kurienkardinäle oft auch keine Bischöfe. Innerhalb der einzelnen Klassen gilt das Senioritätsprinzip: Je länger Kardinal, desto höher im Rang, nur der Kardinaldekan als Vorsitzender des Kollegiums wird von den Kardinalbischöfen aus ihrer Mitte gewählt. Kardinaldiakone und -priester können ihre Titel auch wechseln: Im Konsistorium können sie mit Zustimmung des Papstes eine andere Titelkirche oder -diakonie erhalten. Praktische Bedeutung hat das kaum, auch der Rang innerhalb der Klasse bleibt dadurch unberührt.
Dass am Montag einige Kardinäle in die Priesterklasse befördert wurden, ist auch ein Vorgang, den das Kirchenrecht regulär vorsieht; es handelt sich also nicht um eine besondere Wertschätzung des Papstes, sondern nur um das übliche Verfahren: Nach zehn Jahren können Kardinaldiakone mit Zustimmung des Papstes ein Optionsrecht ausüben und in die Priesterklasse wechseln. Sie erhalten dann entweder einen passenden Titel, oder – wie in den acht aktuellen Fällen – ihre Diakonie wird "pro hac vice" ("für dieses eine Mal") zur priesterlichen Titelkirche erhoben. Wenn sie ihren Titel wieder abgeben, wird der Titelsitz dann vom nächsten Inhaber als Diakonie geführt.
Sarah überholt Marx – ganz knapp
In der neuen Klasse fängt der neue Kardinalpriester nicht von null an: Er reiht sich mit dem Datum seiner Kardinalserhebung, nicht mit dem des Klassenwechsels, in die Rangordnung ein. Kardinal Sarah hat damit Kardinal Reinhard Marx ganz knapp überholt: Beide wurden im selben Konsistorium 2010 zu Kardinälen erhoben, Marx als Diözesanbischof von Anfang an in der Priesterklasse – er steht allerdings erst als Nummer 20 auf der Liste, während Sarah an dritter Stelle steht und daher nun in der Rangordnung vor ihm ist. Wie es für die beiden jetzt weitergeht, liegt in den Händen des Papstes: Kardinalpriester haben kein Optionsrecht auf die nächste Klasse. Das hat Papst Johannes XXIII. abgeschafft, seither ernennt der Papst die Kardinalbischöfe allein. In der Konzilszeit änderte sich auch die liturgische Kleidung der Klassen: Vor der Liturgiereform trugen die Kardinäle je nach Rangordnung bei Papstmessen eine andere liturgische Kleidung in Anlehnung an die Kleidung der namensgebenden Weihestufen: Kardinaldiakone trugen Dalmatiken, Kardinalpriester Kaseln und Kardinalbischöfe Pluvialia (Rauchmäntel).
Verglichen mit der reichen Tradition und den vielen Regeln und Festlegungen zur Rangordnung ist die praktische Bedeutung der Kardinalsklassen überschaubar. Vor allem der Kardinaldekan hat relevante Aufgaben durch sein Amt, auch wenn er über die anderen Kardinäle keinerlei Gewalt hat und lediglich "primus inter pares" ist: Während der Sedisvakanz beruft er das Konklave ein und sitzt den Generalkongregationen vor, die die Regierungsgeschäfte bis zum Zusammentreten des Konklaves führen, in der Regel steht er – wie 2005 Kardinaldekan Joseph Ratzinger – auch der Beerdigung des Papstes vor. Im Konklave leitet er die Wahl.
Undankbare Aufgaben
In den anderen beiden Klassen sind die dienstältesten Kardinäle jeweils "primus inter pares" als Kardinalprotopriester und Kardinalprotodiakon. In diesen Ämtern kommen ihnen vor allem symbolische Aufgaben bei der Papstwahl zu. Eine besonders undankbare Aufgabe teilen sich die jeweiligen Ersten in den drei Klassen: Sie haben im Konklave Druck zu machen, wenn es zu lange dauert. Nach drei Tagen ohne Wahl teilt die in der Apostolischen Konstitution Universi Dominici Gregis erst dem Protodiakon die Aufgabe einer "kurzen geistlichen Ansprache" zu, nach sieben erfolglosen Wahlgängen hat der Protopriester "ermahnende Worte" zu sprechen, und wenn es dann nach sieben weiteren Wahlgängen immer noch nicht klappt, folgt eine "Ermunterung" des Kardinaldekans.
Auch für die jeweiligen Vorsitzenden der Klassen gilt aber das Wahlalter: Ihre Aufgaben im Konklave können sie nur wahrnehmen, solange sie unter der Grenze von 80 Jahren bleiben, ansonsten tritt der jeweils Ranghöchste aus der passenden Klasse an ihre Stelle – so wie Kardinal Sarah bisher, der zwar nie Protodiakon war, zuletzt aber der ranghöchste unter den Papstwählern seiner Klasse.