Wie Jorge Mario Bergoglio zu Kaspers Buch "Barmherzigkeit" kam

Denkanstoß mit Folgen

Veröffentlicht am 18.02.2014 um 00:00 Uhr – Lesedauer: 
Papst Franziskus vor offenem Fenster und einer Menschenmenge.
Bild: © KNA
Vatikan

München ‐ Sonntag, 17. März vor einem Jahr. An die 150.000 Menschen hatten sich auf dem Petersplatz in Rom versammelt. Sie alle wollten dabei sein, als der neue Papst Franziskus vom Fenster des päpstlichen Apartments zum ersten Mal das Angelus-Gebet hielt. In seiner Ansprache ging er auf die Geduld und Güte Gottes ein. "Etwas mehr Barmherzigkeit verändert die Welt; es macht sie weniger kalt und mehr gerecht." Und dann tat er etwas, was der Traum jedes Autors sein dürfte, er verwies auf den Titel eines Buches. In diesem Fall war es "Barmherzigkeit" von Kurienkardinal Walter Kasper .

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"Ein tüchtiger Theologe, ein guter Theologe", fügte der Papst hinzu. Er habe dieses Buch in den vergangenen Tagen gelesen, und es habe ihm sehr gut getan. "Aber glaubt nicht, dass ich Werbung für die Bücher des Kardinals mache", fügte er verschmitzt hinzu. Dennoch: Die Empfehlung für das mehr als 260 Seiten starke Werk zeigte Wirkung. Mittlerweile ist es in dritter Auflage bei Herder erschienen, über 8.000 Exemplare wurden nach Verlagsangaben ausgeliefert. Lizenzen wurden inzwischen vergeben für die slowakische, slowenische, polnische, portugiesische und ungarische Ausgabe.

"Geben Sie es einem spanischsprechenden Kardinal"

Kardinal Walter Kasper
Bild: ©KNA

Kardinal Walter Kasper

Als der Kardinal 2013 von Deutschland aus zum Konklave nach Rom anreiste, war in seinem Gepäck bereits eine spanische Fassung des Buches. Möglich gemacht hatten dies gute Kontakte des Kardinal Walter Kasper Instituts in Vallendar zu spanischen Übersetzern. Ein Institutsmitarbeiter drückte Kasper das Exemplar mit dem Rat in die Hand: "Geben Sie es irgendeinem spanischsprechenden Kardinal." Das Schicksal wollte es, dass Kasper im vatikanischen Gästehaus Santa Marta ein Zimmer zugelost bekam, das schräg gegenüber zu einem gewissen Jorge Mario Bergoglio lag.

Auf dem Flur gab der Deutsche dem Kardinal aus Buenos Aires sein Opus. Den Jesuiten habe der Titel gleich angesprochen, erinnerte sich Kasper jetzt in München bei einem Gespräch mit Journalisten. Das mag auch an seinem lateinischen Wahlspruch gelegen haben, den sich Bergoglio einst für sein Bischofsamt ausgesucht hatte. Dieser lautet "Miserando atque eligendo" (mit Erbarmen und Erwählen).

Vortrag über die Barmherzigkeit Gottes

Abgeschottet von der Außenwelt und damit zu Ruhe und Gebet angehalten, scheint Bergoglio über das Buch erfreut gewesen zu sein. Jedenfalls diente es ihm in der freien Zeit zwischen den Wahlgängen als Lektüre. Die neun Kapitel müssen so anregend gewesen sein, dass er dann im Angelus-Gebet darauf Bezug nahm.

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Video: © katholisch.de

Der emeritierte Kurienkardinal Walter Kasper im katholisch.de-Interview zur Amtseinführung von Papst Franziskus

Dabei war die Entstehung des "Bändchens", wie es Kasper selbst nennt, eher der Not geschuldet. Es geht ursprünglich zurück auf Entwürfe zu einem Vortragszyklus für Exerzitien. Der Kardinal war gebeten worden, einen Vortrag über die Barmherzigkeit Gottes zu halten. Als der frühere Professor bei der Vorbereitung auf theologische Fachbücher zurückgreifen wollte - "wie man das eben so macht" -, kam er nicht weiter. "Ich stellte fest, dass die in der Bibel so zentrale Barmherzigkeit in der systematischen Theologie weitgehend in Vergessenheit geraten ist oder nur stiefmütterlich behandelt wird."

Ein Verbündeter

So fing Kasper an, über das Thema nachzudenken und zu forschen. "Vieles ist nur angedacht", räumt er im Vorwort ein. Er hoffe aber, dass das Gesagte einer jüngeren Generation von Theologen Anregung sein könne, "den Faden aufzugreifen, um die christliche Gotteslehre und die daraus sich ergebenden praktischen Konsequenzen neu zu durchdenken". Im nunmehr 77-jährigen Papst dürfte der bald 81-Jährige Kasper einen Verbündeten gefunden haben.

Von Barbara Just (KNA)