Differenzen zwischen Gläubigen und Vatikan hätten kritisches Maß erreicht

Religionssoziologe: Katholische Kirche hat viel Vertrauen zerstört

Veröffentlicht am 12.05.2021 um 11:16 Uhr – Lesedauer: 

Köln/Leipzig ‐ "Die Gesellschaft hat sich seit Jahren verändert, die Kirche aber nicht": Der Religionssoziologe Gert Pickel sieht das Verhältnis zwischen den Mitgliedern der katholischen Kirche und dem Vatikan an einem kritischen Punkt.

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Nach Ansicht des Leipziger Religionssoziologen Gert Pickel haben die Differenzen zwischen der Lebenswirklichkeit der Mitglieder der katholischen Kirche und den Ansichten des Vatikan inzwischen ein kritisches Maß erreicht. "Die Gesellschaft hat sich seit Jahren verändert, die Kirche aber nicht", sagte Pickel am Dienstag dem Westdeutschen Rundfunk (WDR). Ein Ergebnis dieser Entwicklung sei der "geballte Protest", der der Amtskirche derzeit etwa bei der Frage einer Segnung homosexueller Partnerschaften entgegenschlage.

Für viele Menschen sei Religion etwas Soziales, das vor allem ihren Nahbereich betreffe. "Und genau dort ist – genau wie in allen sozialen Beziehungen – Vertrauen entscheidend", so der Wissenschaftler. Dieses Vertrauen habe die katholische Kirche in den vergangenen Jahren jedoch vielfach zerstört. Zudem zeige sie sich an vielen Stellen unbeweglich.

Zugleich verwies Pickel darauf, dass gerade viele junge Menschen heute beides wollten – "in der Kirche bleiben, in der sie seit ihrer Kindheit sind, und am modernen Leben teilnehmen". Der Protest gegen Entscheidungen der Amtskirche sei letztlich der Versuch, eine Reform in der Kirche herbeizuführen. "Sonst könnten die Menschen ja auch einfach aus der Kirche austreten", betonte der Soziologe. Allerdings tue sich die Führung der katholischen Kirche mit Reformen schwer – "auch weil man dort seit Jahrhunderten weiß, welche Macht Symbole haben". Und die offizielle Erlaubnis, homosexuelle Paare zu segnen, wäre ein solches Symbol, so Pickel. (stz)