Verzichtet auf das Geld!
Dass das nicht mehr zeitgemäß ist, sagen nicht nur Politiker, sondern auch Kirchenvertreter. Der Theologe Gerhard Kruip hat nun einen Vorschlag gemacht, wie eine Ablösung konkret aussehen könnte. Im Interview mit katholische.de erklärt er seine Idee und verrät, warum mit einer Lösung nicht mehr allzulange gewartet werden sollte.
Frage: Herr Kruip, Sie fordern, die Staatsdotationen abzuschaffen. Sind die katholische und die evangelische Kirche in Deutschland so reich, dass sie einfach auf soviel Geld im Jahr verzichten können?
Kruip: Nach meinem Vorschlag würde die Kirche zwar auf die Staatsdotationen verzichten, aber es gäbe an anderer Stelle einen Ausgleich. Denn bisher bezahlen die Kirchen dem Staat dafür, dass er im ihrem Auftrag die Kirchensteuern einzieht, einen recht üppigen Preis: rund drei Prozent des gesamten Kirchensteueraufkommens, das sind allein für die katholische Kirche etwa 150 Millionen jährlich. Angesichts des geringen Aufwands für die Finanzämter ist das zu viel. Fair wäre ein Prozent. Und damit wäre schon knapp die Hälfte des Verlusts der Staatsdotationen ausgeglichen. Auf die andere Hälfte können die Kirchen allerdings tatsächlich verzichten. Es ist zwar immer noch sehr viel Geld, aber die Kirchensteuereinnahmen sind wegen der besseren Arbeitsmarktlage und des Ausbleibens der erwarteten Steuerreformen in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen.
Frage: Warum sollte die Kirche auf diese Staatsleistungen verzichten?
Kruip: Die Staatsdotationen haben ja eine historische Begründung. Sie wurden als Entschädigung für die Enteignungen während der Säkularisation Anfang des 19. Jahrhunderts eingeführt. Weil das so lange her ist und die Verhältnisse heute ganz andere sind, werden diese Zahlungen heute in weiten Teilen der Öffentlichkeit nicht mehr akzeptiert. Sie abzulösen, forderte ja schon die Weimarer Verfassung und auch unter Kirchen- und Staatsrechtlern ist das Konsens. Deswegen sollte die Kirche sich hier kompromissbereit zeigen und das Thema auch nicht auf die lange Bank schieben. Sonst sehe ich die Gefahr, dass auch andere Zahlungen des Staates an die Kirchen infrage gestellt werden. Es gibt ja sehr viele Bereiche, in denen der Staat die Kirchen fördert: Seien es Zuschüsse für Krankenhäuser oder Kindergärten, die theologischen Fakultäten oder der Religionsunterricht an Schulen. Um zu verhindern, dass auch in anderen Bereichen gekürzt wird, wäre es klug, auf die Staatsdotationen zu verzichten.
Frage: Die Kirche hat sich ja offen dafür gezeigt, die Staatsdotationen abzulösen, sieht aber – wie Kardinal Reinhard Marx es jüngst formulierte – den Staat am Zug, den nächsten Schritt zu tun…
Kruip: Rechtlich betrachtet ist tatsächlich die Politik am Zug. Der Bund muss einen Rahmen vorgeben, damit die verschiedenen staatlichen Einheiten, vor allem die Länder, dann die Staatsleistungen ablösen können. Dabei ging man bisher immer davon aus, dass die Zahlungen nicht einfach aufhören können, sondern eine größere Summe Geld an die Kirchen fließen müsste. Schließlich handelt es sich um einen Vertrag, den nicht eine Seite einfach aufkündigen kann, sondern der im Einvernehmen abgelöst werden muss. Und da fürchtet die Politik im Moment sehr hohe finanzielle Forderungen. Plausibel wäre beispielsweise der Vorschlag, den Kirchen einen Kapitalstock zu zahlen, aus dessen Zinsen sie jedes Jahr denselben Betrag erwirtschaften können, den sie bisher als Staatsdotationen bekommen. Das halte ich angesichts der hohen Staatsverschuldung und der Schuldenbremse jedoch politisch nicht für durchsetzbar. Wie gesagt: Es wäre ein positives und notwendiges Signal, wenn die Kirche deutlich machen würden, wir sind bereit zu verzichten.
Frage: Wäre das Ablösen der Staatsleistungen im Sinne der von Franziskus geforderten "Kirche der Armen"?
Kruip: Es muss noch genauer definiert werden, was sich hinter diesem Konzept verbirgt. Die "Kirche der Armen" bedeutet nicht unbedingt, dass die Kirche keinen Besitz mehr haben sollte. Nur sollte Besitz kein Selbstzweck sein, sondern zum Wohle der Armen eingesetzt werden. Die Staatsdotationen sind zwar einerseits Ersatz für enteignete Güter der Kirche, mit denen sie früher auch ihre soziale Arbeit finanzierten. Anderseits legt die Forderung nach einer armen Kirche zumindest nahe, dass man Kompromissbereitschaft zeigt, wenn man das finanziell verkraften kann – was bei den Staatsleistungen ja der Fall ist.
Frage: Wenn die Staatsdotationen wegfallen, würde das also nicht bedeuten, dass Caritas-Sozialstationen und kirchliche Schulen schließen müssen…
Kruip: Nein, überhaupt nicht. Die Staatsdotationen und kirchliche Sozialeinrichtungen haben nichts miteinander zu tun. Die Caritas finanziert sich zu einem sehr großen Anteil daraus, dass der Staat soziale Leistungen refinanziert, die sie erbringt – weil ja die ganze Gesellschaft davon profitiert. Ein kirchliches Krankenhaus finanziert sich genau wie jedes andere Krankenhaus über das, was die Patienten an ihre Krankenversicherung und diese wiederum an die Krankenhäuser zahlen. Da gehen keine Staatsdotationen ein.
Das Interview führte Gabriele Höfling