Bisheriger Direktor des Zentrums für Berufungspastoral beendet seine Tätigkeit

Pfarrer Maas: Wollte fördern, was den Glauben des Einzelnen stärkt

Veröffentlicht am 07.06.2021 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 

Bonn/Freiburg ‐ Das Zentrum für Berufungspastoral zieht demnächst um – und bekommt einen neuen Direktor. Pfarrer Michael Maas, der scheidende Leiter, zieht im katholisch.de-Interview Bilanz über sein Wirken und erläutert, welche Entwicklungen ihm im Blick auf die Berufungspastoral Sorgen bereiten.

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Dem Zentrum für Berufungspastoral (ZfB) der Deutschen Bischofskonferenz steht ein großer Umbruch bevor: Zum 1. August übernimmt der Jesuit Clemens Blattert die Stelle des Direktors, zudem zieht die Einrichtung von Freiburg nach Frankfurt um. Bis dahin ist der bisherige Direktor, Pfarrer Michael Maas, noch im Amt. Mit katholisch.de sprach er über die vergangenen sieben Jahre, in denen er das ZfB tätig geleitet hat – und über das kirchliche Klima im Hinblick auf geistliche Berufungen.

Frage: Herr Pfarrer Maas, aus Ihren Erfahrungen heraus: Vor welchen Herausforderungen steht die Berufungspastoral in den kommenden Jahren?

Maas: Die größte Herausforderung, die ich bei uns in Deutschland sehe, liegt im geistlichen Bereich. Das hat sich gegenüber den vergangenen Jahren nicht geändert, sondern vielleicht sogar verschärft. In einer Welt und bisweilen auch in einer Kirche, in der das Geistliche in den Hintergrund rückt, ist ein zutiefst geistlicher Vorgang wie eine Berufung etwas sehr Sensibles. Deswegen habe ich in den vergangenen Jahren meinen Auftrag darin gesehen, das Geistliche zu fördern. Dieser Auftrag wird weiterhin bestehen bleiben.

Frage: Was heißt es konkret, das Geistliche zu fördern?

Maas: Alles, was die Verbindung zu Jesus Christus stärkt. Da ist natürlich das Gebet ein wichtiger Teil, aber auch im diakonischen Handeln begegnet man Christus. Es gibt darüber hinaus noch zahlreiche andere Wege, sich mit dem Glauben auseinanderzusetzen. Ich denke an neue Formen der Verkündigung wie etwa in den Alpha-Kursen, in Gebetskreisen, im Internet mit neuen Formaten oder die Möglichkeit über die Musik den Glauben auszurücken. Da gibt es viele Wege.

Frage: Der Pastoraltheologe Ulrich Feeser-Lichterfeld hat kürzlich in einem katholisch.de-Interview gesagt, angesichts der kirchlichen Gesamtgemengelage brauche es eine "ungeschminkte" Berufungspastoral. Stimmen Sie dem zu?

Maas: Absolut. Wir können in der Berufungspastoral die aktuelle kirchliche Situation nicht schönreden. Wenn es daher um die Frage geht, was die Zukunft der Kirche bringen wird, lautet meine Antwort: Das kann ich nicht sagen. Was ich allerdings sagen kann: Wenn ich mich auf meine Berufung einlasse, weiß ich darum, dass Gott den Weg mit mir geht und mich in allem begleitet. Das schließt auch das Schwierige und Unvorhergesehene mit ein. Denn Nachfolge Jesu heißt immer auch Kreuzesnachfolge. Ich halte deshalb nichts davon, zu jemandem zu sagen: Ein kirchlicher Beruf ist das Schönste und Beste – also mach es. Entscheidend ist, dem zu folgen, wohin Gott uns ruft. Darin hat uns Gott seine Begleitung zusagt, und dabei werden wir dann Erfüllung finden. Das heißt jedoch nicht, dass dieser Weg dann ein Zuckerschlecken wird. Das ist auch bei keiner biblischen Berufungsgeschichte der Fall.

Liturgisches Gewand
Bild: ©picture-alliance/Godong/Pascal Deloche (Symbolbild)

"Wir können in der Berufungspastoral die aktuelle kirchliche Situation nicht schönreden", sagt Pfarrer Michael Maas.

Frage: Berufung wird klassischerweise definiert als Antwort auf einen Ruf Gottes. Wie viel kann man da Gott überlassen – und wie viel kann die Kirche selbst tun?

Maas: Berufungen "machen", also jemanden drängen, darf man nicht, das ist klar. Das wurde auch schon versucht, aber das ist zum Scheitern verurteilt. Allerdings kann die Kirche sehr wohl in der Art und Weise, wie sie auftritt oder ihre Schwerpunkte setzt, ein hilfreiches Klima fördern, damit der Einzelne seine Berufung entdecken kann. Sie kann dem aber auch im Weg stehen.

Frage: Steht die Kirche dem Entdecken von Berufungen zurzeit im Weg?

Maas: Ich sage es mal so: Was mir zurzeit in der Kirche große Sorgen macht, ist die Frage nach der Einheit im Glauben. Wo diese in Gefahr ist, da ist auch das Zeugnis in Gefahr. Und dadurch gibt es dann Schwierigkeiten, Berufung zu erfahren. Jesus nennt uns in den Evangelien nur zwei Anliegen, worum man konkret beten soll: Das eine ist die Sorge um Arbeiter für die "Ernte" Gottes, das andere ist die Bitte um die Einheit im Glauben. Die Einheit der Jünger stellt er in den Kontext, "damit die Welt glaubt". Wo diese Einheit nicht erfahrbar wird, fällt das Glauben schwer. Und wo das Glauben schwerfällt, fällt es auch schwer, attraktiv zu sein für junge Menschen, die sagen, sie möchten sich in der Kirche engagieren.

Frage: Manche vertreten die Meinung, mit dem Mangel an geistlichen Berufungen wolle Gott der Kirche etwas mitteilen. Sehen Sie das auch so?

Maas: Ich glaube, dass Gott uns mit allem, was geschieht, etwas sagen möchte. Das heißt nicht, dass alles von Gott kommt – es gibt ja verschiedene Kräfte, die wirken. Aber in all dem können wir als Glaubende danach fragen, was Gott uns damit sagen will. Wenn Sie mich jetzt ganz persönlich fragen, was ich im Mangel geistlicher Berufungen sehe: Aus meiner Sicht haben wir noch zu wenig erkannt, dass Kirche nicht nur von Priestern getragen wird, sondern dass es Sache des gesamten Gottesvolks ist, das Evangelium zu bezeugen. Da sind wir noch herausgefordert zu erkennen, was das bedeutet.

Frage: Also sollte das Engagement von Laien in der Kirche noch besser in den Blick genommen und gefördert werden?

Maas: Genau. Wichtig ist, die gemeinsame Sendung aller Gläubigen in den Blick zu nehmen und mehr Zutrauen ineinander haben, sich gegenseitig als Laien und Priester mehr wertzuschätzen. Die Kirche muss noch mehr entdecken, was Getaufte und Gefirmte gemeinsam einbringen können, um den Glauben zu stärken. Da gibt es viel mehr als das, was klassischerweise in den Köpfen ist. Da sind wir als Kirche noch viel mehr gerufen, neue Wege zu gehen – und zwar weniger unter dem Aspekt, wer was tun darf, sondern mit der Fragestellung, was jeder persönlich tun kann, um das Evangelium zu leben und zu verkünden. Vielleicht wäre es zudem auch eine Anfrage der Zeit, über die Bedeutung des Priesteramts neu ins Gespräch zu kommen.

Frage: Was meinen Sie damit?

Maas: Das Priesteramt wird zur Zeit in der Öffentlichkeit oft unter dem Aspekt der Fehlentwicklungen betrachtet: sexueller Missbrauch, Klerikalismus und damit verbunden Machtmissbrauch, überbordende Verwaltung, schlechte Predigten und so weiter bestimmen die Schlagzeilen. Und gewiss: Das gibt es alles und dagegen ist anzugehen. Die Diskussionen führen aber letztlich meiner Wahrnehmung nach zu einem Zerrbild der Wirklichkeit. Die meisten Priester leisten nämlich eine gute Arbeit. Wenn jedoch das Priesterbild hauptsächlich über die Verfehlungen wahrgenommen wird, braucht man sich nicht wundern, dass sich immer weniger dafür interessieren. Hingegen wäre aus meiner Sicht hervorzuheben, welche Bedeutung der priesterliche Dienst hat. Die Stärkung, die die Gläubigen in den Sakramenten erfahren; die Dankbarkeit für die seelsorgliche Begleitung; die Freude darüber, im Einsatz für die Bedürftigen etwas bewirken zu können… Es gibt so viele Bereiche des priesterlichen Wirkens, die es lohnen, betrachtet zu werden.

Linktipp: Pfarrer Maas: "Berufung ist nie nur rein subjektives Empfinden

Die Kirche in Deutschland hat Nachwuchssorgen. Wie kann sie junge Leute dazu animieren, sich für sie zu engagieren? Michael Maas, Direktor des Zentrums für Berufungspastoral, erklärt, welchen Beitrag die 24-Stunden-Gebetsaktion für geistliche Berufungen leisten will – und was Berufung bedeutet. (Interview vom Mai 2020)

Frage: Sie waren sieben Jahre Leiter des Zentrums für Berufungspastoral. Wie resümieren sie für sich persönlich diese Zeit?

Maas: Für mich war es eine sehr gute Zeit. Ich habe auch den Eindruck, dass wir einiges bewegen konnten und auf den Weg gebracht haben. Ich hatte ein sehr engagiertes Team, das sich mit viel Herzblut und Ideen eingebracht hat. Ich habe auch in den Diözesanstellen viele engagierte und kompetente Leute kennenlernen dürfen. Dafür bin ich sehr dankbar.

Frage: Welche "Erfolge" konnten Sie erzielen?

Maas: Die Frage ist, wie man den Erfolg misst. Wenn man die Zahlen der Priesterseminaristen als Gradmesser nimmt, dann haben wir definitiv keinen Erfolg gehabt. Die sind auch in den vergangenen sieben Jahren beständig zurückgegangen. Ich kann sagen, was mein Anliegen war – und dann kann jeder einschätzen, ob das geglückt ist: Mir ging es darum, vieles zu fördern, was den Glauben des Einzelnen stärkt. Wir haben beispielsweise den Weltgebetstag um geistliche Berufungen stärker hervorgehoben und wollten mit der Aktion "Werft die Netze aus" einen Akzent setzen, dass dieser Tag wieder stärker ins Bewusstsein kommt. Wir wollten generell die Beziehung zu Jesus Christus fördern und haben etwa eine "Berufungsmonstranz" eingeführt, die Gemeinden und Gemeinschaften im Gebet um geistliche Berufungen miteinander vernetzt. In einigen Diözesen wandert diese nun von Pfarrei zu Pfarrei. Wir haben ein Gebetbuch um geistliche Berufungen aufgelegt, ebenso ein Jugendgebetbuch "Zeig mir den Weg". All das ist ein wichtiger Bereich, in dem wir aktiv waren.

Darüber hinaus kam es mir darauf an, das Thema "Berufung" in die Öffentlichkeit hinein zu kommunizieren und ein realistisches Bild von dem zu geben, was es heutzutage bedeutet, den Glauben in den kirchlichen Berufen zu leben – "ungeschminkt", wenn Sie so wollen. Dabei jedoch auch eine Reichweite zu erzielen, die über das rein Binnenkirchliche hinausreicht: mit Formaten wie "Valerie und der Priester" oder "God or not", aber auch mit Filmen von Berufungszeugen oder aktuell einem Instagram-Kanal, wo fünf "Berufungsträger" aus ganz unterschiedlichen Kontexten Einblicke geben in ihren Glaubens- und Lebensalltag. Mir war es ein Anliegen, diese Vielfalt kirchlichen Lebens und von Berufungsgeschichten zu zeigen.

Frage: Gibt es auch Enttäuschungen, die Sie erlebt haben?

Maas: Manchmal hätte ich mir mehr Unterstützung von der Gesamtkirche gewünscht. Einerseits sagen fast alle, dass Berufungspastoral enorm wichtig ist. Aber wenn es dann ans Konkrete geht, erlebe ich oft Unsicherheit, Hilflosigkeit oder Schweigen. Ich hätte mir auch im Bereich der theologischen Wissenschaft eine stärkere Reflexion des Berufungsbegriffs gewünscht. In unserem Werkheft, das wir herausgegeben haben, gab es verschiedenste hochrangige Beiträge. Wir haben da immer versucht, theologisch auf der Höhe der Zeit zu agieren. Denn leider kommen die großen Beiträge dazu oftmals noch aus dem letzten Jahrtausend – was nicht die Qualität mindert, denn sie stammen von Leuten mit Rang und Namen wie Rahner oder Balthasar. Aber ich war zum Beispiel enttäuscht, als ich einmal bei einer Dogmatikprofessorin angefragt habe, was man aus der Sicht ihrer Disziplin zum Thema Berufung sagen kann. Sie hat mir dann gesagt, darüber habe sie sich noch nie Gedanken gemacht. Das fand ich schon ziemlich bezeichnend. Bei solchen Fragen wäre die Theologie eigentlich besonders gefordert.

Frage: Bevor im Sommer Ihre Tätigkeit am Zentrum für Berufungspastoral endet, steht mit dem "Vocation Music Award" noch eine besondere Aktion an, die Sie initiiert haben. Worum geht es dabei?

Maas: Wir wollten ermöglichen, dass in neuen Liedern das Thema Berufung aufgegriffen wird. Deswegen laden wir junge oder junggebliebene Menschen dazu ein, einen Song über dieses Thema zu schreiben. Wir haben im Vorfeld gesagt, dass der Begriff Berufung sehr weit zu verstehen ist – bis hin zu dem Ruf, Gott zu lieben und ihm nachzufolgen, oder allgemein danach zu fragen, welchen Plan Gott für das Leben des Einzelnen hat. Die Lieder kann man einreichen, und es gibt die Möglichkeit, online für sie zu voten. Bisher sind knapp 60 Songs eingegangen. Aus dem Umfeld derer, die bisher mitgemacht haben, bekomme ich mit, dass das eine große Resonanz erfährt und auch die Auseinandersetzung mit dem Thema Berufung ermöglicht. Damit sind wir wieder bei der Frage angelangt, welche Möglichkeiten es gibt, jenseits von unseren klassischen Strukturen den Glauben zu verkünden. Gerade Lieder haben eine große Chance, in der Tiefe etwas zu bewirken.

Von Matthias Altmann

Information: "Vocation Music Award"

Noch bis 15. Juni können musikbegabte Jugendliche und Junggebliebene einen selbstgeschriebenen Song zum Thema Berufung einreichen. Die Musikrichtung ist nicht vorgegeben. Duch eine Jury und mithilfe eines Online-Votings werden die 20 besten Songs ermittelt, deren Komponisten und Interpreten am 17. Juli zum Finale nach Mannheim eingeladen werden. Dort werden sie in der Jugendkirche Samuel ihre Songs live aufführen und eine Bewertung durch die Jury erhalten.

Die zehn besten Songs gewinnen eine CD-Produktion. Der erste Platz erhält zudem ein Preisgeld von 2.000. Euro, der zweite Platz 1.000 Euro und der dritte Platz 500 Euro. Die Jury besteht aus dem Fuldaer Bischof Michael Gerber, die Künstler Johannes Falk und Marco Michalzik, die Gesangsprofessorin Annette Marquard, der Musikproduzent Manuel Steinhoff und die Pastoralassistentin Kim Laura Reicherter.