Pauschale Urteile über Ostdeutsche seien "wenig hilfreich"

Kirche kritisiert Wanderwitz-Aussagen zur Demokratie in Ostdeutschland

Veröffentlicht am 31.05.2021 um 15:41 Uhr – Lesedauer: 

Berlin/Magdeburg ‐ Mit seinen Aussagen zu einem Demokratiedefizit in Ostdeutschland hat der Ostbeauftragte der Bundesregierung, Marco Wanderwitz, viel Kritik auf sich gezogen. Auch die katholische Kirche äußert deutliches Unverständnis über die Worte des Politikers.

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Die Aussagen des Ostbeauftragten der Bundesregierung, Marko Wanderwitz (CDU), über den Zustand der Demokratie in Ostdeutschland und die Neigung eines Teils der Ostdeutschen, rechtsradikale Parteien zu wählen, stoßen auch in der katholischen Kirche auf Kritik. "Ich halte die pauschalen Aussagen von Herrn Wanderwitz für wenig hilfreich", sagte der Leiter des Katholischen Büros in Sachsen-Anhalt, Stephan Rether, am Montag auf Anfrage von katholisch.de. Man müsse die gesellschaftliche und politische Situation in Ostdeutschland "viel differenzierter" betrachten, als es der Politiker in seinen Aussagen getan habe. Er selbst, so Rether, sei weit davon entfernt, die Demokratie in Ostdeutschland und die Demokratiefähigkeit der Ostdeutschen negativ zu beurteilen.

Wer den Zustand der Demokratie in Ost und West beurteilen wolle, dürfe auch die unterschiedlichen gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Entwicklungen in beiden Landesteilen vor 1990 nicht außer Acht lassen, so der Leiter des Katholischen Büros weiter. Anders als die Menschen in Westdeutschland, die seit sieben Jahrzehnten in einer Demokratie lebten und durch den erfolgreichen Wideraufbau nach dem Zweiten Weltkrieg, das Wirtschaftswunder und andere positive Entwicklungen geprägt worden seien, hätten die Ostdeutschen noch vor etwas mehr als 30 Jahren in einer Diktatur gelebt. "Außerdem darf man nicht vergessen, dass es die Menschen in Ostdeutschland waren, die 1989/90 Freiheit und Menschenwürde gegen das SED-Regime erkämpft haben", so Rether wörtlich.

Wanderwitz hatte am Freitag in einem Podcast der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" die Ansicht vertreten, dass in Ostdeutschland ein erheblicher Teil der Bevölkerung "gefestigte rechtsradikale, nichtdemokratische Ansichten" habe. Offensichtlich sei in den neuen Ländern die Neigung, eine rechtsradikale Partei zu wählen, leider ausgeprägter als in den alten Bundesländern. Wörtlich sagte Wanderwitz mit Blick auf Teile der Bevölkerung im Osten: "Wir haben es mit Menschen zu tun, die teilweise in einer Form diktatursozialisiert sind, dass sie auch nach 30 Jahren nicht in der Demokratie angekommen sind." Die Aussagen des Politikers hatten zahlreiche empörte Reaktionen hervorgerufen; auch ostdeutsche Parteifreunde von Wanderwitz äußerten Kritik. (stz)