ZdK-Vizepräsidentin: Papst stärkt Synodalen Weg in Deutschland
Die Vizepräsidentin des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Claudia Lücking-Michel, sieht den Reformprozess des Synodalen Wegs in Deutschland durch Papst Franziskus gestärkt. Im Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) fordert sie mehr Mitverantwortung von Laien in der Kirche. Es müsse dauerhafte synodale Elemente geben.
Frage: Frau Lücking-Michel, was bedeutet die Tatsache, dass der Papst den Rücktritt von Kardinal Marx nicht angenommen hat, für den Synodalen Weg in Deutschland?
Lücking-Michel: Kardinal Marx ist einer der Architekten des Synodalen Wegs. Von daher hoffe ich, dass er uns als starke Stimme erhalten bleibt und der Papst den Synodalen Weg damit stützen will. Ich gebe aber zu, dass das Schreiben von Papst Franziskus mich mit mehr Fragen als Antworten zurücklässt.
Frage: Welche?
Lücking-Michel: Das eine ist der Zeitablauf. Warum genehmigt der Papst Kardinal Marx, sein Rücktrittsgesuch zu veröffentlichen, um es dann nur wenige Tage später abzulehnen. Da ging es ja offenbar um ein genau kalkuliertes Signal. Das zweite ist die inhaltliche Bewertung von Papst Franziskus: Kardinal Marx hat klar gesagt, dass eine juristische Betrachtung des Umgangs mit Missbrauch nicht ausreicht, sondern dass es auch um moralische Verantwortung geht. Sehr stark war aus meiner Sicht, dass Marx neben der persönlichen auch die institutionelle Verantwortung hervorgehoben hat, die man als Bischof für die Kirche trägt. Papst Franziskus spricht in seiner sehr spirituellen Antwort vom Martyrium, das Marx mit seinem Rücktrittsgesuch in Kauf genommen habe. Von der institutionellen Verantwortung der Bischöfe bleibt im Papstbrief nicht viel übrig.
Frage: Papst Franziskus hat die Kirche überraschend auf einen synodalen Weg geschickt. Was bedeutet das für den Synodalen Weg in Deutschland?
Lücking-Michel: Ich habe zuerst die Luft angehalten. Bedeutet das nun eine Stärkung für unseren Weg, oder ist das ein Stopp-Schild? Jetzt lese ich es als eine Stärkung, zumal ja sogar der Begriff Synodaler Weg aufgenommen wird. Wahrscheinlich gibt es sehr unterschiedliche Vorstellungen über Inhalt und Ablauf, aber dass nun auch die Weltkirche einen solchen Weg einschlagen soll, zeigt ja, dass etwas in Bewegung gekommen ist.
Frage: Sind die Deutschen gar Vorreiter oder Vorbereiter für eine große Reform?
Lücking-Michel: Nein, diese Rolle wäre nicht angemessen und würde uns auch nicht gut bekommen. Es gibt in mehreren Ländern inzwischen eine Vielfalt von synodalen Reformprozessen. In Deutschland sollten wir unseren "Synodalen Weg" voranbringen. Wir sollten natürlich schauen, wie wir dies mit den römischen Plänen verzahnen und wie wir unsere Ergebnisse auf Ebene der Weltkirche dann rechtzeitig einbringen können.
Frage: Bislang hat Rom offenbar Gesprächswünsche aus Deutschland nicht angenommen...
Lücking-Michel: Ich finde es zunächst ein starkes Zeichen, dass Bischof Bätzing darauf bestanden hat, dass das gesamte Präsidium des Synodalen Wegs in Rom Gespräche führen soll. Offenbar gibt es aber aus Rom immer noch keine Terminvorschläge. Es wäre aber wichtig, in direkten Gesprächen über unser Projekt informieren zu können. Das hilft, Missverständnisse auszuräumen und Verständnis zu schaffen. Wenn der Vatikan nur über Medien oder einseitig über den Synodalen Weg informiert wird, tut das nicht gut.
Frage: Unterdessen hat die letzte ZdK-Vollversammlung gezeigt, dass die Unruhe unter den Laienkatholiken wächst. Müssen nicht schnell konkrete Ergebnisse beim Synodalen Weg gefunden werden?
Lücking-Michel: Ich verstehe, dass die Unruhe unter vielen ZdK-Mitgliedern zunimmt. Durch Corona sind wir gegenüber dem ursprünglichen Zeitplan jetzt schon um ein Jahr ins Hintertreffen geraten, und wir können noch keine konkreten Ergebnisse verkünden. Deutlich geworden ist auch, dass viele ZdK-Mitglieder, die nicht unmittelbar mit dem Synodalen Weg befasst sind, sich nicht gut informiert fühlen. Wir müssen dringend für mehr Transparenz und Information sorgen. Dazu braucht es mehr Räume für Gespräch. Die Synodalen haben da eine Bringschuld.
„Viele Katholiken - bis hin zu Priestern und Bischöfen - lassen sich nicht mehr einfach etwas vorschreiben. Autoritäre Ansagen gehen dann "nach hinten" los - und bedeuten letztlich einen Autoritätsverlust für Rom.“
Frage: Unterdessen gibt es in der Kirche in Deutschland einen vielfältigen zivilen Ungehorsam gegenüber römischen Anweisungen. Das reicht von Segnungen für homosexuelle Paare bis zum Kommunionempfang von Protestanten auf dem Ökumenischen Kirchentag...
Lücking-Michel: Das zeigt: Um uns rum bleibt die Zeit nicht stehen. Und es hilft nichts, wenn man Probleme aussitzen will oder einfach autoritär entscheidet. Viele Katholiken - bis hin zu Priestern und Bischöfen - lassen sich nicht mehr einfach etwas vorschreiben. Autoritäre Ansagen gehen dann "nach hinten" los - und bedeuten letztlich einen Autoritätsverlust für Rom. Umso wichtiger ist es, die Gläubigen mitzunehmen. Umso wichtiger der Synodale Weg.
Frage: Bei der ZdK-Vollversammlung gab es durchaus Stimmen, die ein offensiveres Vorgehen der Laien fordern und rote Linien formulieren wollen, ab wann man nicht mehr mitmachen kann. Wie sehen Sie das?
Lücking-Michel: Wir haben ja als ZdK durchaus schon vor dem Synodalen Weg zu vielen Themen klare Positionen formuliert, etwa zum Diakonat der Frau oder zur Frauenweihe. Die bringen wir ein. Es hilft aber aus meiner Sicht nichts, jetzt rote Linien zu setzen und Bedingungen zu formulieren. Wir haben uns auf einen gemeinsamen Weg eingelassen und suchen gemeinsam nach Lösungen. Wichtig ist aber dann, dass die Bischöfe sich auch selbst an die Synodal-Beschlüsse binden. Und dass die Themen, die die Weltkirche betreffen, auch wirklich in Rom eingebracht werden.
Frage: Wo sehen Sie konkrete Erfolgschancen?
Lücking-Michel: Ich kenne am besten den Arbeitsstand im Forum "Macht und Gewaltenteilung in der Kirche" und bin optimistisch, dass wir dort zu konkreten Ergebnissen kommen. Selbst Bischof Bätzing sagte kürzlich in den Tagesthemen, bischöfliche Macht habe etwas "von Monarchischem, etwas von vergangenen Zeiten". Und dass Kontrolle auf jeder Ebene von Machtausübung in der Kirche nötig sei. Es geht nicht nur um eine kirchliche Verwaltungsgerichtsbarkeit. Laien müssen auf allen Ebenen mitberaten und mitentscheiden können - von den Kirchenfinanzen bis zur Seelsorge. Da haben wir noch viel zu tun. Ganz wichtig ist auch, dass synodale Elemente in der Kirche nachhaltig gestärkt werden. Der Synodale Weg in seiner jetzigen Form ist zwar befristet, aber ohne eine dauerhafte institutionelle Beteiligung der Laien wird es nicht mehr gehen.
Frage: Wie bewerten Sie vor diesem Hintergrund die Ankündigung von Thomas Sternberg, im Herbst nicht wieder für das Amt des ZdK-Präsidenten zu kandidieren?
Lücking-Michel: Die Ankündigung hat mich sehr überrascht. Ich hatte gehofft, dass er zumindest noch eine Amtszeit dranhängt, um den Synodalen Wegs zu einem guten Ende zu bringen. Ähnliche Sorgen für den Synodalen Wege hatte ich, als Kardinal Marx als Vorsitzender der Bischofskonferenz aufhörte. Doch dann hat die Entwicklung gezeigt, dass wir mit Bischof Bätzing einen engagierten und energischen Fürsprecher des Synodalen Wegs bekommen haben. So hoffe ich, dass wir nach Thomas Sternberg eine neue ZdK-Präsidentin oder einen neuen Präsidenten wählen, die frischen Wind in die Sache bringt.