"Eine Riesendummheit" mit Konsequenzen – Verdacht der Veruntreuung

Weil er Geld für Bedürftige aus Kirchenkasse nahm: Pfarrer muss gehen

Veröffentlicht am 22.06.2021 um 15:00 Uhr – Lesedauer: 

Hockenheim ‐ Er nahm Geld aus den Mitteln seiner Seelsorgeeinheit – aber nicht um sich zu bereichern, sondern um es Bedürftigen zu geben. Weil er seine Vermögensbetreuungspflicht verletzt hat, muss Pfarrer und Dekan Jürgen Grabetz sein Dekanat im Herbst verlassen.

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"Eine Riesendummheit" – so nennt Pfarrer Jürgen Grabetz sein Verhalten im Rückblick selbst. Und diese "Riesendummheit" hat nun weitere Konsequenzen für den bisherigen Leiter der Seelsorgeeinheit Hockenheim im Erzbistum Freiburg. Bis Ende September wird Grabetz seine Gemeinden und das Dekanat Wiesloch verlassen, in dem er 27 Jahre lang als Priester und fast 10 Jahre als Dekan tätig war. Erzbischof Stephan Burger habe seiner Bitte entsprochen, auf die Leitung aller Pfarreien in der Seelsorgeeinheit zu verzichten, schreibt die "Rhein-Neckar-Zeitung" (RNZ) am Dienstag. Überraschend kommt dieser Verzicht nicht. Doch was war passiert?

"Mit sofortiger Wirkung ist Jürgen Grabetz von seinen Aufgaben als Dekan beurlaubt worden", teilte das Dekanat Wiesloch im März mit. Der Pfarrer habe seine Vermögensbetreuungspflicht verletzt, im Raum steht der Verdacht der Veruntreuung. "In der Absicht, Bedürftigen zu helfen, hat er nach eigenen Angaben zunächst private Gelder eingesetzt, später auch Finanzmittel der Seelsorgeeinheit", heißt es auf der Internetseite des Dekanats. Eine persönliche Bereicherung durch den Pfarrer habe aber nicht stattgefunden.

Dekan habe Bereitschaft zur Wiedergutmachung zugesichert

Grabetz zeigte sich selbst beim Erzbischof und der Staatsanwaltschaft an. Der Dekan habe zudem "seine Bereitschaft zur Wiedergutmachung des finanziellen Schadens zugesichert", teilte das Erzbistum am 23. März mit. Erzbischof Burger beurlaubte Grabetz umgehend als Dekan und entpflichtete ihn als leitenden Pfarrer von der Vermögensverwaltung. Die von ihm signalisierte Verantwortungsübernahme für sein Verhalten hat inzwischen in Teilen bereits stattgefunden. Der Rechnungshof der Erzdiözese und die Staatsanwaltschaft hätten die Sachlage geprüft und weitere Schritte auf den Weg gebracht, schreibt die RNZ.

„Wir sehen neben dem akuten Fehlverhalten viele Jahre des positiven Wirkens in der Seelsorgeeinheit Hockenheim und im Dekanat.“

—  Zitat: Klemens Gramlich und Uwe Lüttinger in einem Schreiben

Bis September bleibt Grabetz Pfarrer und Seelsorger in der Kirchengemeinde Hockenheim. Wenn er geht, wird er dort wohl nicht nur den Eindruck seines Fehlers hinterlassen. "Wir sehen neben dem akuten Fehlverhalten viele Jahre des positiven Wirkens in der Seelsorgeeinheit Hockenheim und im Dekanat. Geradlinig, mit großem Engagement und mit klarer Meinung und Position hat sich Jürgen Grabetz für unseren Glauben sowie für ein gutes Zusammenleben in unserer Kirche und darüber hinaus eingesetzt", schrieben Klemens Gramlich, der Vorsitzende des Dekanatsrats, und Uwe Lüttinger, leitender Pfarrer in der benachbarten Seelsorgeeinheit Schwetzingen, in einem Schreiben im März. "Ihm war wichtig, nicht nur an die nötigen guten Strukturen zu denken, sondern auch unseren je eigenen Glauben und unsere Beziehung zu Gott zu pflegen."

Wie es nach Grabetz' Zeit in der Seelsorgeeinheit Hockenheim weitergehen wird, ist derzeit noch offen. Das Erzbistum Freiburg hat aktuell noch keinen neuen leitenden Pfarrer ernannt, kommissarisch führt Pfarrer Uwe Lüttinger als stellvertretender Dekan die Amtsgeschäfte im Dekanat Wiesloch. Und auch die nächsten Schritte für Grabetz selbst sind noch nicht bekannt. "Er hat nicht nur die Macher-Qualitäten, sondern auch die Seelsorger-Qualitäten", sagte Dekanatsratsvorsitzender Klemens Gramlich im März dem "Südwestrundfunk" (SWR). Er denke, "da wird es auf jeden Fall Möglichkeiten für ihn geben, wie er zumindest einen Teil seiner Qualitäten weiter gut einbringen kann."

Von Christoph Brüwer