Kardinal Gambetti passt die Vorgaben an – pocht aber auf die neuen Normen

Privatmessen im Petersdom: Die Ausnahmen bestätigen die Regeln

Veröffentlicht am 26.06.2021 um 12:45 Uhr – Lesedauer: 

Vatikanstadt ‐ Keine Privatmessen mehr und Aufruf zur Konzelebration: Die neue Messordnung im Petersdom hatte für Verwunderung und Kritik gesorgt. Nun hat der Erzpriester von Sankt Peter, Kardinal Mauro Gambetti, die Regelungen zwar etwas abgemildert – doch er macht klar, dass Ausnahmen auch solche bleiben müssen.

  • Teilen:

Ist es etwa doch nicht so "schlimm", wie zunächst von konservativen Kreisen befürchtet? Weniger Gnade durch weniger Gottesdienste im Petersdom? Zumindest kündigte der zuständige Kardinal Mauro Gambetti, Erzpriester von Sankt Peter, jetzt in einem ausführlichen Schreiben an, dass es bei der viel beachteten neuen morgendliche Messordnung für die Kathedrale im Herzen des Vatikan bestimmte Ausnahmen geben soll. So soll das Gebot, dass Priester die Eucharistiefeiern gemeinsam statt einzeln zelebrieren, nicht für "Gruppen mit besonderen und legitimen Bedürfnissen" gelten – beispielsweise für Pilgergruppen. Zusätzlich können Anfragen von Priestern, ohne Gemeinde zu feiern, "von Zeit zu Zeit angenommen werden", sofern sie in Sammlung und Würde stattfänden. Allerdings betonte Gambetti auch, man müsse sicherstellen, dass das, "was außergewöhnlich ist, nicht gewöhnlich wird und die Absichten und den Sinn des Lehramtes entstellt."

Rückblick: Mitte März hatte ein vatikanisches Schreiben in internationalen kirchlichen Kreisen für Furore gesorgt, wonach der Vatikan die Feier sogenannter "Privatmessen" in der Petersbasilika künftig stark einschränkt. Seitdem gibt es zwischen 7 und 9 Uhr vier "Slots" für Priester und Gläubige, die täglich frühmorgens in den Petersdom kommen, in denen an eigens genannten Altären eine Messe gefeiert werden kann – auch in Konzelebration mehrerer Priester. Bis dahin war es üblich, dass im Petersdom jeden Morgen Dutzende Priester, darunter viele Mitarbeiter der Kurie, an den Seitenaltären der Basilika zeitgleich die Messe lasen, viele auch allein und "ohne Volk". Bis zu 75 Morgenmessen sollen es gewesen sein – der Vatikan wollte dem mit der Direktive vermutlich Einhalt gebieten.

Verwunderung, Unverständnis und Kritik

Die Nachricht sorgte mindestens für Verwunderung, weil das Schreiben aus dem Staatssekretariat kam, das für Fragen der Liturgie normal gar nicht zuständig ist. Es sorgte aber auch Unverständnis und dann – natürlich – für deutliche Kritik. Schließlich verbiete es das Kirchenrecht, Priester zur Konzelebration zu zwingen, warf etwa US-Kardinal Raymond Leo Burke ein, einer der Wortführer der konservativen Katholiken.

Doch die meisten Einwände waren theologischer Natur – und machten aufs Neue den innerkirchlichen Konflikt um die Liturgiereform des Zweiten Vatikanischen Konzils deutlich. Hier stehen sich insbesondere zwei Auffassungen gegenüber: Auf der einen Seite sind die Verfechter der Lehre des Messopfers, gemäß der jede einzelne Messfeier heilsrelevant ist, weil in ihr der das Kreuzesopfer Jesu vergegenwärtigt wird. Einfacher ausgedrückt: Je mehr Messopfer, desto mehr Heil – und das nicht nur für den Priester, sondern stellvertretend für alle. Entscheidend für das Messopfer ist allein der Priester, der es darbringt. Diese Lehre schien etwa bei der Kritik von Kardinal Robert Sarah, des ehemaligen Präfekten der Gottesdienstkongregation, mit durch. Er äußerte im Hinblick auf die Eindämmung von Privatmessen die Sorge, dass die reduzierte Zahl an Messen negative Auswirkungen dieser Art haben könnte: "Es ist zu bedenken, dass zumindest die ernsthafte Möglichkeit besteht, dass durch den Zwang der Priester zur Konzelebration und die damit verbundene Verringerung der Zahl der gefeierten Messen die Gnadengabe an die Kirche und die Welt abnimmt."

Bild: ©KNA/Romano Siciliani (Archivbild)

Mauro Gambetti, der neue Erzpriester von Sankt Peter, vor seiner Kreierung zum Kardinal.

Demgegenüber setzt Liturgietheologie des Zweiten Vatikanischen Konzils einen anderen Schwerpunkt. Sie leugnet die Lehre vom Messopfer keineswegs und räumt Priestern auch die Möglichkeit ein, aus bestimten Gründen allein eine Messe zu feiern. Doch grundsätzlich betont das Konzil die Eucharistiefeier als gemeinschaftliche Feier der Gläubigen. Das gemeinsame Beten und Singen, die Verteilung von liturgischen Diensten und Aufgaben, die "participio actuosa" der Gläubigen, ist demnach entscheidend für die Messe. So sollen "Privatmessen" die absolute Ausnahme bleiben. Gleichzeitig heißt es in der Liturgiekonstitution, dass jedem Priester die Freiheit bleibe, einzeln zu zelebrieren, "jedoch nicht zur selben Zeit in derselben Kirche" (Sacrosanctum concilium 57). Stattdessen können und sollen sie gemeinsam feiern – konzelebrieren.

Die neuen Regelungen im Petersdom stehen damit eigentlich im Einklang. In anderen Papst-Basiliken wie Sankt Paul vor dem Mauern oder Santa Maria Maggiore gibt es bereits seit Längerem entsprechende Regelungen, die den gemeinschaftlichen Charakter der Messe betonen sollen. Beendet scheint die Debatte aber dennoch nicht. Denn während sich Gambettis jüngste Wortmeldung vor allem als Verteidigung der Direktive aus dem Staatssekretariat lesen lässt, kommen einige wenige Kommentatoren wie der Rom-Korrespondent des "National Catholic Register", Edward Pentin, zu einem anderen Urteil. Er sieht eine deutliche Abschwächung der Vorgaben – und zwar, weil diese nicht funktioniert hätten. So seinen nur wenige Geistliche dazu übergegangen, zu konzelebrieren.

Referat über Liturgietheologie – und ein Seitenhieb

Kardinal Gambetti macht jedoch deutlich, dass konzelebrierte Messen im Petersdom die Norm bleiben müssen. Sein Schreiben klingt nahezu wie ein Referat zur Liturgietheologie des Zweiten Vatikanischen Konzils: Die Instruktion vom März habe "die Bedeutung und den Wert der eucharistischen Konzelebration", wie sie das Konzil betont, hervorgehoben, schreibt der Erzpriester von Sankt Peter. Zudem unterstreicht Gambetti das gemeinschaftliche Wesen der Eucharistie – und zitiert dabei explizit und umfänglich aus Sacrosanctum Concilium: "Die liturgischen Handlungen sind nicht privater Natur, sondern Feiern der Kirche, die das 'Sakrament der Einheit' ist; sie ist nämlich das heilige Volk, geeint und geordnet unter den Bischöfen" (SC 26). Und: "Wenn Riten gemäß ihrer Eigenart auf gemeinschaftliche Feier mit Beteiligung und tätiger Teilnahme der Gläubigen angelegt sind, dann soll nachdrücklich betont werden, dass ihre Feier in Gemeinschaft - im Rahmen des Möglichen - der vom Einzelnen gleichsam privat vollzogenen vorzuziehen ist" (SC 27). Die zur Eucharistie versammelte Gemeinde, so Gambetti, bringe das Geheimnis der Kirche, "des lebendigen Leibes Christi", voll zum Ausdruck.

So erklärt der Kardinal im Hinblick auf die neuen Regelungen im Petersdom dann auch weiter, es sei, "wenn möglich, mehr als angebracht, dass die Priester konzelebrieren, angesichts der Tatsache, dass es einen regelmäßigen Wechsel des Vorsitzes für die Konzelebrationen gibt". Die einzelnen Gläubige und Gruppen sind eingeladen, an diesen Messen teilzunehmen, "damit sie ein Ausdruck der Geschwisterlichkeit ist und nicht von Partikularismen, die nicht den Sinn der kirchlichen Gemeinschaft widerspiegeln, der in der Eucharistiefeier zum Ausdruck kommt".

Ein Satz, den Gambetti schreibt, klingt zudem wie ein kleiner Seitenhieb auf diejenigen, die ihre Sorge bekundet hatten, weniger Messen bedeuteten weniger Gnade: "In der Messe, die von mehreren Presbytern konzelebriert wird, gibt es keine Verminderung des Wertes und der Früchte des eucharistischen Opfers, sondern vielmehr eine volle Verherrlichung derselben."

Von Matthias Altmann