Der Regenbogen: Zeichen für Diversität mit religiöser Symbolik
Rot, Orange, Gelb, Grün, Blau und Violett – diese sechs Farben haben in den vergangenen Tagen zu großer Aufregung bei der derzeit laufenden Fußball-Europameisterschaft der Männer geführt: Der europäische Fußballverband UEFA hatte den Antrag des Münchner Stadtrats abgelehnt, das Stadion der bayerischen Landeshauptstadt am Mittwoch in den Farben der Regenbogenfahne zu erleuchten. Sie sollten als Zeichen für sexuelle Vielfalt sowie gegen Homo- und Transphobie beim Deutschlandspiel gegen die Auswahl aus Ungarn aufstrahlen. Der Hintergrund: Das ungarische Parlament hatte zuletzt ein Gesetz verabschiedet, das die Informationsrechte von Jugendlichen mit Blick auf Homo- und Transsexualität einschränkt. Die Anfrage des Stadtrats sei daher "politisch" gewesen und Politik habe bei der EM nichts zu suchen, hieß es seitens der UEFA als Begründung.
Bereits zuvor hatte es eine Diskussion um die Regenbogenfarben gegeben: Der deutsche Nationaltorwart und Team-Kapitän Manuel Neuer trug bei einem EM-Spiel eine Spielführer-Binde in den Farben der LGBTQI-Bewegung, was zu einer Untersuchung durch die UEFA geführt hatte, die schließlich eingestellt wurde. In weiten Teilen der Gesellschaft ist die Regenbogenfahne als Symbol der Homosexuellen-Community bekannt und akzeptiert. Deshalb erhielten Neuer sowie der Münchner Stadtrat breite Unterstützung für ihre Vorstöße, mit denen sie gegen die Diskriminierung von sexuellen Minderheiten protestieren wollten. Doch wohl nicht vielen Menschen mag bekannt sein, dass der Regenbogen und seine Farben auch ein religiöses Symbol sind.
Kaum religiöse Mythen ohne Regenbogen
Als beeindruckendes Naturschauspiel ist der Regenbogen seit Urzeiten ein Teil religiöser Mythen in aller Welt. Die Ureinwohner Australiens etwa kennen in ihrer Schöpfungserzählung eine Regenbogenschlange, die alle Lebewesen erschaffen hat. Im antiken Griechenland nutzte die Götterbotin Iris, deren Namen bezeichnenderweise Regenbogen bedeutet, das Himmelphänomen als Verbindungsweg zwischen göttlicher und irdischer Welt. In der keltischen Mythologie Irlands befindet sich am Ende eines Regenbogens ein Goldschatz, den ein Feenwesen dort versteckt hat – eine Erzählung, die sich heute weltweiter Popularität erfreut. Religiöse Mythen ohne die Erwähnung des Regenbogens sind insgesamt selten und meistens übernimmt er darin die Funktion einer Brücke zwischen Himmel und Erde.
Im Alten Orient wurde die religiöse Bedeutung des Regenbogens vom babylonischen Schöpfungsmythos "Enuma Elisch" geprägt. Darin wird berichtet, dass der Schöpfergott Marduk das Leben auf der Erde möglich machte, indem er die Göttin Tiamat tötete, die die Urflut symbolisiert. Dabei verwendete er einen Bogen, der nach dem siegreichen Kampf an den Himmel gesetzt und vergöttlicht wurde. Der Regenbogen wurde in Babylon also als kriegerisches Zeichen für die göttliche Macht verstanden, lebensfeindliche Kräfte zu bekämpfen. Der Bogen zeigt dabei mit seiner Rundung nach oben und ist somit als nicht schussbereite Waffe keine Bedrohung für die Menschen, sondern die Verheißung von Schutz.
Regenbogen als Erinnerung an ewigen Bund
An diese Vorstellung schließt das Alte Testament an. Im Buch Genesis wird in der Erzählung von der Sintflut beschrieben, dass Gott dem Regenbogen als Zeichen seines Bundes mit Noah und allen Geschöpfen einen Platz am Himmel gibt. "Und Gott sprach: Das ist das Zeichen des Bundes, den ich stifte zwischen mir und euch und den lebendigen Wesen bei euch für alle kommenden Generationen." (Gen 9,12) Er verspricht damit, nie wieder durch eine Flut das Leben auf der Erde zu vernichten. Der Regenbogen dient dabei auch Gott als sichtbare Erinnerung an sein Versprechen: "Steht der Bogen in den Wolken, so werde ich auf ihn sehen und des ewigen Bundes gedenken." (Gen 9,16) Bis heute ist der himmlische Bogen daher für Juden und Christen ein sichtbares Zeichen der Nähe Gottes und seines Schutzes.
Im Christentum wird eine andere jüdische Erzähltradition wichtig, die mit dem Regenbogen verbunden ist. Im Buch des biblischen Propheten Ezechiel wird im ersten Kapitel die Schau der göttlichen Herrlichkeit durch den Seher beschrieben: "Wie das Aussehen des Regenbogens, der sich an einem Regentag in den Wolken zeigt, so war das Aussehen des strahlenden Glanzes ringsum. Das war das Aussehen der Gestalt der Herrlichkeit des Herrn." (Ez 1,28) Die Offenbarung des Johannes greift in ihrer Vision des himmlischen Thrones den Regenbogen als transzendentes Symbol der Nähe Gottes auf: "Und über dem Thron wölbte sich ein Regenbogen, der wie ein Smaragd aussah." (Offb 4,3) Auf Darstellungen des Jüngsten Gerichts, das der Wiederkunft Christi folgt, ist der Regenbogen daher bis heute ein bedeutendes Bild der christlichen Ikonografie. Oft wird Jesus als göttlicher Weltenrichter sitzend auf einem bunten Bogen dargestellt, der mit seiner Farbenpracht die Verbindung zwischen Himmel und Erde symbolisiert. Gelegentlich wird sogar die Gottesmutter Maria von einem Regenbogen umgeben gezeigt, um ihre Heiligkeit auszudrücken.
Auch als Flagge besitzen die Farben des Regenbogens eine lange Tradition. In den Bauernkriegen im 16. Jahrhundert wurde sie vom Reformator und Revolutionär Thomas Müntzer benutzt. Müntzer wollte mit diesem biblischen Symbol seine Hoffnung auf den Anbruch einer neuen Zeit ausdrücken, die von sozialen Verbesserungen für die Armen geprägt sein würde. Im Reich der Inka soll der Regenbogen ein Teil der Herrscherflagge gewesen sein, was jedoch erst für die indigene Bewegung zur Zeit des peruanischen Aufstands unter Tupaq Amaru II. in den 1780er-Jahren historisch belegt ist. Heute ist sie Regenbogenflagge offizielles Symbol der Stadt Cusco in Peru.
Zeichen für Frieden und Vielfalt
Als Zeichen der Friedensbewegung ist seit 1961 die Pace-Flagge bekannt, die alle sieben Farben des Regenbogens (samt Indigo) zeigt, jedoch oben mit Violett beginnt. Das italienische Wort für Frieden prangt dabei mitten auf der Flagge und wird manchmal durch den gleichen Begriff in anderen Sprachen ersetzt. 2002 im Vorfeld des drohenden Irak-Kriegs verhalf der italienische Ordensmann Alex Zanotelli der Pace-Flagge zu weltweiter Berühmtheit, indem er dazu aufrief, sie öffentlich als Friedenzeichen zu zeigen. Seine Parole: "Pace da tutti i balconi!" – "Friede von allen Balkonen!" Während der Corona-Pandemie im vergangenen Jahr kam der Regenbogen als Hoffnungszeichen in Italien zu neuem Ruhm: Gemeinsam mit dem Motto "Andrà tutto bene" ("Alles wird gut") prangte er auf selbstgestalteten Plakaten oder Bannern von Wohnungsfenstern und Balkonen herab, um sich gegenseitig Mut zum Durchhalten der harten Corona-Bestimmungen zu machen.
Seit den 1970er-Jahren ist die Regenbogenflagge ein internationales Symbol von Schwulen, Lesben und anderen sexuellen Orientierungen. Sie zeigt sechs der sieben Farben des Himmelsbogens beginnend mit den Rottönen am oberen Ende. 1978 entwarf sie der US-amerikanische Künstler Gilbert Baker für den "Gay Freedom Day", den Vorläufer der späteren "Gay Prides". Die Regenbogenfarben gelten als Symbol der Vielfalt der Lebensweisen innerhalb der queeren Community. In den vergangenen Wochen hingen die farbenfrohen Flaggen anlässlich des aktuellen "Pride Month" nicht nur vor vielen öffentlichen Gebäuden, wie Rathäusern und Behörden, sondern auch von zahlreichen Kirchtürmen herab. Damit wollten die Pfarreien ihren Protest gegen das im März ausgesprochene Nein der Glaubenskongregation zu kirchlichen Segnungen homosexueller Paare ausdrücken – und zeigen, dass Gottes Bund sowie die Zusage seines Segens allen Menschen gilt, ganz gleich wie bunt und schillernd ihr Leben sein möge.