Lob in Handschrift: Papst ermutigt US-Jesuiten Martin in Queerpastoral
Wie viele Bischöfe oder kirchliche Mitarbeiter wohl schon einen handgeschriebenen Brief vom Papst erhalten haben? Dem US-amerikanischen Jesuiten James Martin wurde diese Ehre vergangene Woche zuteil: Mit einem einseitigen Schreiben dankte Papst Franziskus dem Priester für sein seelsorgerliches Engagement für Lesben, Schwule, Bi- und Transsexuelle sowie queere Menschen (englische Abkürzung: LGBTQ). James veröffentlichte den persönlichen Brief des Papstes am Sonntag auf Twitter. Die "herzliche Botschaft des Heiligen Vaters" soll nach seinem Wunsch all diejenigen in der Kirche "ermutigen und inspirieren, die sich um LGBTQ-Katholiken kümmern, und darüber hinaus LGBTQ-Menschen überall in der Welt an Gottes 'Nähe, Mitgefühl und Zärtlichkeit' erinnern", so Martin in seinem begleitenden Tweet.
Martin setzt sich seit mehreren Jahren offen für einen anerkennenden Umgang der Kirche mit queeren Menschen ein. 2017 erschien dazu sein Buch "Building a Bridge" ("Eine Brücke bauen"), für das er von konservativen Kirchenkreisen insbesondere in den USA zum Teil heftig kritisiert wurde. Vor diesem Hintergrund sind die lobenden und ermutigenden Worte des Papstes für Martins Engagement umso bemerkenswerter: "Ich möchte Ihnen danken für Ihren pastoralen Eifer und Ihre Fähigkeit, den Menschen nahe zu sein, mit der Nähe, die Jesus hatte und die die Nähe Gottes widerspiegelt", so Papst Franziskus in dem im Original auf Spanisch verfassten Brief.
Gott komme jedem einzelnen Menschen mit seiner Liebe nahe. Dabei habe der "Stil Gottes" drei Elemente: Nähe, Barmherzigkeit und Zärtlichkeit. Indem Martin diese Elemente in seiner pastoralen Arbeit umzusetzen versuche, so Franziskus weiter, imitiere er diesen Stil Gottes. Der Papst bete deshalb für ihn, "diesen Weg fortzusetzen, nahe zu sein, barmherzig und mit großer Zärtlichkeit".
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Äußerer Anlass für den Brief des Papstes waren nach Martins Auskunft Bilder von der Firmung seines Neffen. Bereits 2019 habe dieser dem Kirchenoberhaupt in einem Brief erklärt, bei seiner Firmung den Namen "Francis" annehmen zu wollen. In den USA ist der Brauch zum Teil noch lebendig, mit Abschluss der sakramentalen Initiation einen selbstgewählten Firmnamen anzunehmen. Letztes Wochenende habe sein Neffe dieses Versprechen eingelöst, so Martin, und zu diesem Anlass außerdem Socken mit dem Konterfei des Papstes getragen. Zu Beginn seines Briefs bedankte sich Papst Franziskus nun für die Bilder, die er von Martin erhalten hatte, und schrieb, er möge seinem Neffen zu den Socken gratulieren: "Das hat mich zum Lachen gebracht."
Der größere Teil des Briefes nimmt jedoch Bezug auf eine Online-Tagung Martins zur LGBTQ-Seelsorge, die am vergangenen Wochenende stattfand. Im Rahmen dieser Veranstaltung hatte der Jesuit die persönlichen Worte von Papst Franziskus zuerst geteilt, bevor er sie in den Sozialen Medien veröffentlichte. Franziskus' Ermutigung ist die erste ausdrückliche päpstliche Befürwortung der LGBTQ-Seelsorge und wird daher als wichtiger Schritt in Richtung einer veränderten Bewertung gleichgeschlechtlicher Liebe durch die Kirche bewertet.
Der Papst hatte sich in den vergangenen Jahren bereits in verschiedenen Kontexten wohlwollend zum Thema Homosexualität geäußert – etwa gleich zu Beginn seiner Amtszeit, als er auf die Frage eines Journalisten, wie er einem homosexuellen Menschen begegne, antwortete: "Wer bin ich ihn zu verurteilen?" Offizielle Verlautbarungen der Kirche hinsichtlich einer Neubewertung von homosexuellen Partnerschaften hatte das bislang jedoch nicht zur Folge. Im Gegenteil: Die klare Absage der Glaubenskongregation zur Paarsegnung im März bestätigte die ablehnende Haltung des Lehramts. Die Uneindeutigkeit von Franziskus' Haltung zu diesem Thema wurde deshalb wiederholt kritisiert.