Maas mahnt katholische Kirche zur Aufarbeitung von Missbrauch
Bei einem Festakt zum 100-jährigen Bestehen diplomatischer Beziehungen zwischen Deutschland und dem Heiligen Stuhl hat Außenminister Heiko Maas (SPD) die katholische Kirche zur weiteren Aufarbeitung von sexuellem Missbrauch aufgerufen. "Nur Gerechtigkeit kann die tiefen Wunden hoffentlich irgendwann heilen, die Menschen durch sexuellen Missbrauch erlitten haben", sagte Maas am Mittwoch in Berlin.
Der Außenminister sprach in der Apostolischen Nuntiatur im Beisein von Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin. Der "zweite Mann" im Vatikan nach Papst Franziskus war anlässlich des Jubiläums zu einem dreitägigen Besuch nach Berlin gekommen. Der Kardinalstaatssekretär ist im Namen des Papstes für die politischen und diplomatischen Aktivitäten des Heiligen Stuhls hauptverantwortlich.
"Als Christ und auch als Katholik" betonte Maas weiter: "Nur durch Gerechtigkeit und Transparenz wird neues Vertrauen in die Kirche wachsen, das – wie ich auf meinen Reisen immer wieder erlebe – überall gesucht wird." Der Außenminister dankte "denjenigen, die den steinigen Weg der Aufarbeitung und der Reformen gehen". Dabei hob er Kardinal Reinhard Marx hervor. Dessen Rücktrittsangebot als Erzbischof von München und Freising, das Papst Franziskus jedoch nicht annahm, habe ihn "tief beeindruckt", betonte Maas. Zugleich sei er dankbar, dass Marx "der katholischen Kirche in Deutschland und auf der Welt erhalten bleibt: als jemand, der die Kraft zur Erneuerung sucht. Und sie im Austausch mit allen Teilen der Kirche findet".
Papst Franziskus habe "weltweit Augen und Ohren geöffnet"
Der SPD-Politiker äußerte den Wunsch nach einer Kirche, "die sich einbringt in die Welt. Weil ihre Stimme, ihre Seelsorge und Ihre guten Werke gebraucht werden". Das setze jedoch voraus, dass die Kirche die Kraft finde, "sich ohne Vorbehalte der Welt zu öffnen". Dafür stehe auch die Offenlegung der Akten zur Zeit als Papst von Pius XII., der über Jahrzehnte eine zentrale Figur der beiderseitigen Beziehungen gewesen sei. Maas würdigte auch, dass die Deutsche Bischofskonferenz mit Beate Gilles erstmals eine Frau zu ihrer Generalsekretärin gewählt hat.
Der Außenminister hob zugleich die weltweiten Verdienste der katholischen Kirche für Frieden und Gerechtigkeit hervor. Als Beispiele nannte er Mosambik, den Südsudan, Venezuela und Nicaragua. Oft seien es Organisationen wie Caritas, Malteser oder Misereor, die "humanitäre Not lindern und neue Entwicklungschancen schaffen". Gleiches gelte für den Kampf gegen den Klimawandel. Das Lehrschreiben "Laudato Si" von Papst Franziskus habe "weltweit Augen und Ohren geöffnet".
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In seinem Redebeitrag betonte Parolin, dass es eine der wichtigsten Aufgaben der päpstlichen Diplomatie sei, den weltweiten Frieden zu fördern. Die Kirche sei "die größte Verbündete der Menschheit für die Erlangung ihrer Güter, zu denen gerade der Frieden gehört." Mit Blick auf die beiden Weltkriege könne man mit Fug und Recht sagen, "dass sich keine andere Institution so sehr für die Erhaltung, Förderung und Stärkung des Friedens zwischen den Völkern und Nationen eingesetzt hat, wie die Kirche", so Parolin.
Der Kardinalstaatssekretär rief die zivilen und politischen Autoritäten der Bundesrepublik Deutschland dazu auf, in ihrem Bemühen um das Gemeinwohl niemals nachzulassen und ihre Anstrengungen zum Schutz der Menschenwürde zu vervielfachen, weil nur so das Gut des Friedens gesichert werden könne. Ausdrücklich würdigte er "die großen Anstrengungen der Regierung, Migranten willkommen zu heißen und zu integrieren. Wie kann man in diesem Zusammenhang nicht an die Großzügigkeit der Deutschen gegenüber syrischen Flüchtlingen im Jahr 2015 erinnern! Wir können auch nicht die vielen Werke der Nächstenliebe übersehen, die auch dank der ökumenischen Zusammenarbeit zwischen katholischen und evangelischen Christen gediehen sind", so Parolin.
Parolin besuchte auch die Hedwigs-Kathedrale und das Brandenburger Tor
Parolin und Maas äußerte sich beim Auftakt einer Tagung zur Geschichte der beiderseitigen diplomatischen Beziehungen. Der Apostolische Nuntius, Erzbischof Nikola Eterovic, würdigte sie als "gut und freundschaftlich". Federführend bei der Tagung war das neue Zentralinstitut für Katholische Theologie der Humboldt-Universität (HU). Deren Präsidentin Sabine Kunst erklärte, zwei Jahre nach der Gründung sei das Institut für die Universität bereits ein "großer Gewinn" und verspreche eine "erfolgreiche Zukunft".
Bereits am Vormittag hatte Parolin die Caritaseinrichtung der Bahnhofsmission am Berliner Ostbahnhof besucht. Außerdem war er Gast auf der Baustelle der St.-Hedwigs-Kathedrale, suchte Reste der Berliner Mauer auf und begab sich zum Brandenburger Tor, durch das vor 25 Jahren Papst Johannes Paul II. gegangen war. (cbr/KNA)
30.6., 19:30 Uhr: Ergänzt um weitere Details.