Islamistische Täter wurden vor der Tat überwacht

Experten: Mord an Père Hamel hätte verhindert werden können

Veröffentlicht am 09.07.2021 um 14:01 Uhr – Lesedauer: 

Saint-Étienne-du-Rouvray ‐ Der islamistische Mord an dem französischen Priester Jacques Hamel hatte 2016 weltweit für Entsetzen gesorgt. Nun veröffentlichte Recherchen und Untersuchungsergebnisse zeigen: Die Tat hätte verhindert werden können. Beide Täter waren polizeibekannt.

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Nach Ansicht von französischen Antiterrorexperten hätte die Ermordung des Priesters Jacques Hamel 2016 verhindert werden können. Darauf deuten Ermittlungsergebnisse und Einschätzungen der Justiz und Antiterrorbehörden hin, die die französische Wochenzeitschrift "La Vie" am Mittwoch veröffentlicht hat. Chatprotokolle der beiden Täter mit dem französischstämmigen Dschihadisten Rachim Kassid belegen zudem, dass es sich um keine unabhängige Selbstradikalisierung der Täter gehandelt habe, sondern um ein gezielt von Syrien aus geplantes Attentat. Kassim soll 2017 bei einem Luftschlag getötet worden sein.

Beide Täter waren laut den Quellen von "La Vie" schon vor der Tat im Visier der Geheimdienste und der Justiz. Einer von ihnen wurde im Jahr vor dem Anschlag bei der versuchten Ausreise nach Syrien festgenommen und wegen seines Versuchs, der Terrormiliz des "Islamischen Staats" beizutreten, angeklagt, später jedoch wieder freigelassen. Der andere Täter stand zum Zeitpunkt der Tat unter von der Polizei überwachtem Hausarrest, der aufgrund der polizeilichen Einschätzung, dass er seine Radikalisierung abgelegt hätte, gelockert worden war. Warnungen der Mutter eines der Täter gegenüber der Polizei wurden nicht ernstgenommen. Terrorexperten klagten gegenüber "La Vie" über eine mangelnde technische und personelle Ausstattung der Geheimdienste.

Ort des Anschlags bewusst ausgewählt

Die Kirche in Saint-Étienne-du-Rouvray in der Normandie, in der Père Hamel am  26. Juli 2016 während der Feier der Messe ermordet wurde, sei bewusst für das Attentat ausgewählt worden. In den veröffentlichten Chatprotokollen diskutieren die Täter mit Kassim den Ort des Anschlags: Dabei wurden neben einer Kirche auch eine Synagoge oder ein Nachtclub erwogen; vom Anschlag auf eine Synagoge wurde aus propagandistischen Zwecken abgesehen. Man habe aufgrund des militärischen Engagements Frankreichs im Nahen Osten ein "französisches Symbol" treffen wollen und die erwartete Berichterstattung nicht auf den israelisch-palästinensischen Konflikt hin interpretiert sehen wollen. "Die Juden würden das für ihre kleinen Manipulationen nutzen", heißt es in dem Chat, in dem auch der Ablauf des Anschlags besprochen wurde: "Du nimmst ein Messer, gehst in eine Kirche, richtest ein Gemetzel an, schneidest  zwei, drei Köpfe ab, und fertig."

Der Mord an dem 85 Jahre alten Priester hatte weltweit Entsetzen hervorgerufen. Hamel war in seiner Pfarrei Saint-Etienne-du-Rouvray im interreligiösen Dialog engagiert. Der Vorsitzende des regionalen Rats der Muslime, Imam Mohamed Karabila, würdigte Hamel nach seinem Tod als "Mann des Friedens, der Religion, einen charismatischen Mann". Die muslimische Gemeinschaft in Frankreich distanzierte sich deutlich von den Tätern und verweigerte ihnen ein religiöses Begräbnis. Papst Franziskus feierte eine Gedenkmesse für den Ermordeten und gestattete dem Erzbischof von Rouen, Dominique Lebrun, ein Foto des Getöteten in der Kirche aufzustellen, da dieser "bereits selig" sei. Ein formelles Seligsprechungsverfahren wurde 2017 eröffnet. (fxn)