Zweithöchste Kirchenaustrittszahl aller Zeiten: Wen wundert's noch?
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Der "große Schock", der "letzte Warnschuss": So lauteten die Schlagzeilen der vergangenen Jahre zu immer weiter steigenden Kirchenaustrittszahlen. Am Mittwoch nun stellte die Deutsche Bischofskonferenz ihre neueste Statistik für das Jahr 2020 vor. Mit 221.390 lag die Austrittszahl zwar etwas niedriger als im Vorjahr – doch angesichts monatelang geschlossener Ämter wegen Corona sollte man sich nicht täuschen: Der Wert würde vermutlich deutlich höher liegen, und trotz der Pandemie ist die Zahl die zweithöchste aller Zeiten. Nur: Kann das wirklich noch schockieren? Ist das tatsächlich noch ein "Warnschuss"? Nein.
Wieder hat es die katholische Kirche binnen eines Jahres nicht geschafft, auch nur kleine Schritte zu unternehmen, die sie für die Menschen hätte attraktiver machen können. Im Gegenteil: In Rom sitzt ein letztlich leider enttäuschender Papst, der keine Anstalten macht, die einst großen Reformerwartungen an seine Person zu erfüllen. Der Synodale Weg in Deutschland verspricht zwar Reformen. Nur braucht es langsam auch Ergebnisse. Die Kirche hat ganz offensichtlich keine Zeit mehr für einen sich noch länger hinziehenden Prozess.
Darüber hinaus sind die Lager innerhalb der Kirche hoffnungslos zerstritten. Liberale und Konservative bekämpfen sich im Internet aufs Schärfste und geben dabei alles ab, nur nicht das Bild eines christlichen Umgangs miteinander. Attraktiv für Außenstehende, die einen (Wieder-)Eintritt in Betracht ziehen? Fehlanzeige. Und denen, die noch kirchlich engagiert sind, wird vor den Kopf gestoßen, indem ihre Heimatkirchen geschlossen, ihre Pfarreien aufgelöst und zu unpersönlichen Großgebilden zusammengelegt werden.
Die Pandemie hat für einen massiven Einschnitt auch im kirchlichen Leben gesorgt. Nicht nur ist die Zahl der Kirchenaustritte nach wie vor hoch – auch die Zahlen der Taufen, Hochzeiten und vor allem der Gottesdienstbesuche sind massiv zurückgegangen. Dass sich diese Werte nach dem Ende der Corona-Krise einfach wieder "normalisieren", darf man bezweifeln.
Viele Warnschüsse hat es schon gegeben, die die Kirche hätten derart schockieren müssen, dass sich rasch etwas ändert. Das wurde im vergangenen Jahr abermals versäumt. Was bedeutet das nun alles mit Blick auf die nächste Kirchenstatistik? Den bislang letzten großen "Knall" aus dem Vatikan gab es jedenfalls erst im März, ein Großteil der verunglückten Missbrauchsaufarbeitung im Erzbistum Köln spielte sich ebenfalls 2021 ab. Beides ist in der aktuellen Statistik noch nicht berücksichtigt. Gibt es keinen großen Corona-Rückschlag mehr, werden noch einmal mehr Menschen ihren Kirchenaustritt erklären (können). Keine guten Aussichten also für die kommenden Zahlen.
Der Autor
Tobias Glenz ist Redakteur bei katholisch.de.Hinweis
Der Standpunkt spiegelt ausschließlich die Meinung der jeweiligen Autorin bzw. des Autors wider.