Standpunkt

Eine zugesperrte Kirche ist mehr als ein abgeschlossenes Haus

Veröffentlicht am 22.07.2021 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 3 MINUTEN

Bonn ‐ Christoph Strack pilgert seit einiger Zeit – und trifft auf viele verschlossene Kirchen. Angesichts von Diebstahl und Vandalismus sei dieses Vorgehen zwar verständlich, aber ein schwieriges Zeichen, findet er. Denn Gelegenheit lässt beten.

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Seit einiger Zeit wandere ich. Oder ich pilgere. Irgendwann nach Ostern zog ich los und bog am Brandenburger Tor in Berlin auf den Jakobsweg ein. Bislang waren es – Hotels waren Corona-bedingt geschlossen – meist Tagesetappen.

Aber immerhin: Die bislang letzte Etappe führte nach Lutherstadt Eisleben, mit Kloster Helfta geht es beim nächsten Mal weiter. Gut 250 Kilometer liegen hinter mir. Und vielleicht führt der Weg ja bis Burgund. Da bleibt viel Zeit fürs Nachdenken oder einen Psalm. In der Einsamkeit Brandenburgischer Wälder habe ich mit Herzensfreude gesungen. Manchmal liegt unterwegs Jerusalem, Mazille, Taize. Gotteslob.  

Und wenn dann mal eine Kirche am Wegrand stand… war sie eher verschlossen als zugänglich. Ob katholisch oder evangelisch. Das ist schade, auch enttäuschend. Beim Weg hinaus aus Berlin, in den Vororten oder im Speckgürtel. Auch – zuletzt - bei der langen Wanderung von der Saale hinüber nach Eisleben; da stehen drei, vier wunderbare romanische Kirchlein aus dem 12. oder 13. Jahrhundert. Alle verriegelt.

Ein Hoch auf den evangelischen Pfarrer im Dorf Golzow, der mich aus der Ferne sah, mir den schweren Schlüssel zum barocken Gotteshaus in die Hand drückte und dann den Briefkasten zeigte, in den ich dann später den Schlüssel einwarf. Oder auf den katholischen Pfarrer von Köthen, der nach einem Anruf spontan im Laufschritt ankam und aufschloss, die Kirchenfenster von Michael Triegel erklärte und mein "Salve Regina" anhörte.

Klar – offene Kirchen sind durch Diebstahl oder Vandalismus gefährdet. Gelegenheit macht Diebe, heißt es. Das Schild "Offene Kirche" zeigt, dass mit dem Angebot Planung und vielleicht ein ehrenamtlicher Dienst verbunden sind. Aber eine zugesperrte Kirche ist mehr als ein abgeschlossenes Haus. Gelegenheit lässt beten. Jede offene Kirche ist ein Ort zum Innehalten. Ich lerne über die Gemeinden und über Traditionen. Über Bilderwelten. Es braucht offene Kirchen.

Jetzt, in den Tagen der Hochwasser-Katastrophen im Westen Deutschlands, birgt das Plädoyer für offene Gotteshäuser einen weiteren Aspekt. Wenn man außer spenden nichts tun kann in der Ferne, so kann man doch innehalten für ein Stoßgebet, eine Klage, eine Kerze. Gut, wenn wir es schaffen, Kirchen offenzuhalten.     

Von Christoph Strack

Der Autor

Christoph Strack ist Leiter des Bereichs Religionen der Deutschen Welle.

Hinweis

Der Standpunkt spiegelt ausschließlich die Meinung des Autors wider.