Psychologe Müller befürwortet "Kirchengefängnis" für Missbrauchstäter
Der Psychologe und Theologe Wunibald Müller befürwortet den Vorschlag, auch in Deutschland eine Art "Kirchengefängnisse" für sexualstraffällig gewordene Priester zu schaffen. In solchen Einrichtungen könnten Missbrauchstäter, die ihre gesetzliche Strafe verbüßt hätten, die bestmögliche Nachbetreuung und Kontrolle erfahren, sagte Müller am Donnerstag auf Nachfrage von katholisch.de. Die Verantwortlichen könnten auf diese Weise die Bevölkerung und die Täter vor Rückfällen schützen und deutlich machen, "dass die Kirche sich wirklich um die Angelegenheit kümmert", so der Psychotherapeut und langjährige Leiter des Recollectio-Hauses der Abtei Münsterschwarzach.
Eine Einführung kirchlicher Häuser zur Verwahrung von Sexualstraftätern hatte zuvor der Präventionsexperte und Leiter des römischen Kinderschutzzentrums "Center for Child Protection" (CCP), Hans Zollner, angeregt. Wie Zollner verwies auch Müller auf Erfahrungen aus dem US-amerikanischen Raum: Dort gebe es seit mindestens 20 bis 30 Jahren entsprechende Einrichtungen, wie das von einer geistlichen Gemeinschaft geführte "Vianney Renewal Center" in der Nähe von St. Louis im Bundesstaat Missouri. Dabei handle es sich um eine klosterähnliche Anlage, in der die verurteilten Priester in der Regel den Rest ihres Lebens verbringen würden.
Kein wirkliches Gefängnis – aber auch "kein Zuckerschlecken"
Die Vorstellung eines Gefängnisses liege in diesem Zusammenhang nahe, treffe aber nicht ganz die Realität, sagte Müller, der die Einrichtung bereits vor einigen Jahren zu Studienzwecken besuchte. Tatsächlich dürften die Bewohner das in einer abgeschiedenen Gegend liegende Gelände in der Regel nicht verlassen, es gebe dort aber keine Zäune oder Gitter. Vielmehr gleiche das Zentrum eher einem Kloster mit einem gemeinschaftlichen Speisesaal, einer Bibliothek und einer Kapelle. "Die Feier der Eucharistie steht dabei, wie das ja auch für ein Kloster gilt, im Mittelpunkt. Das ist der Ort, das Ereignis, bei dem ihre Identität am stärksten zum Ausdruck gebracht werden kann", so Müller. Diese geistliche Routine aufrechterhalten zu können, sei für die Selbstheilung der Missbrauchstäter von größter Wichtigkeit, könne aber außerhalb solcher Einrichtungen auf keinen Fall gewährleistet werden. Trotzdem sei das Leben dort "kein Zuckerschlecken, denn die Bewohner sind praktisch all ihrer Freiheitsrechte beraubt", erklärte der Psychologe.
Müller betonte, dass eine Unterbringung ausschließlich für solche Täter infrage komme, die während ihrer Haftstrafe ausgiebig psychotherapeutisch behandelt wurden und die sich der Schwere ihres Vergehens bewusst seien. Leider sei diese Einsicht bei Weitem nicht immer gegeben. Für Personen, die über die gesetzliche Strafe hinaus die Konsequenz für ihr Tun tragen wollten, würde eine kirchliche Unterbringung aber oft als willkommenes Angebot wahrgenommen, um ein eigenes Rückfälligwerden vorzubeugen.
Neben Opferschutz auch Verantwortung für die Täter
Hier sieht Müller eine dringende Handlungspflicht der Kirche: Ähnlich wie Missbrauchstäter früher einfach versetzt worden seien, um kein Aufsehen zu erregen, gäbe es heute die Tendenz, sich demonstrativ von ihnen abzuwenden, weil sie dem Image der Kirche schadeten. "So richtig und wichtig es ist, dass endlich die Opfer an erster Stelle stehen, hat die Kirche aber auch eine Verantwortung gegenüber den Priestern, die Täter geworden sind."
Was die konkrete Umsetzung betrifft, wies Müller auf das Problem hin, dass die Bischöfe und Ordensoberen nach einer Laisierung keinen rechtlichen Zugriff mehr auf die straffällig gewordenen Priester hätten. Eine Unterbringung könne deshalb in den meisten Fällen nur als freiwillige Selbstverpflichtung geschehen. Für die Einrichtung eines entsprechenden "Kirchengefängnisses" in Deutschland stelle sich außerdem die Frage nach der Finanzierung und der Findung eines geeigneten abgeschiedenen Orts.
Inzwischen hatten sich auch der Sprecher der Erzdiözese Wien, Michael Prüller, und der Wiener Pastoraltheologe Paul Zulehner für Nachbetreuungseinrichtungen und weiterführende therapeutische Begleitung von Missbrauchstätern aus den Reihen der Kirche ausgesprochen. Man wisse heute aus der Forschung, dass eine pädophile Neigung letztlich nicht therapierbar sei, sagte Zulehner am Dienstag gegenüber den "Salzburger Nachrichten". Es müsse darum gehen, Gefährder so zu isolieren, dass sie nach ihrer Haft keine Gefahr mehr darstellten. Den Ausdruck "Gefängnis" bezeichnete Zulehner in diesem Zusammenhang aber als irreführend. (mfi)
04.08., 13:30 Uhr: ergänzt um Informationen der Salzburger Nachrichten.