Theologen: Kirche hat "fundamentale Menschenrechtsprobleme"
Die katholische Kirche hat aus Sicht der Theologen Rainer Bucher und Hans-Joachim Sander "deutlich fundamentale Menschenrechtsprobleme". Wenn sich wie aktuell auch die konkreten Praktiken der Geschlechterrollen in der Gesellschaft veränderten, "dann manövriert sich jede Institution, welche die patriarchale Paradoxie weiterhin vertritt, sowohl ins Jenseits der Biografien wie ins Aus der Gesellschaft", schreiben Bucher und Sander in einem am Mittwoch veröffentlichten Beitrag des theologischen Feuilletons "feinschwarz.net".
Neben der Ungleichbehandlung von Frauen würde auch die "klerikal-ständische innerkirchliche Herrschaftsordnung" in der Wahrnehmung vieler Menschen in Konflikt mit menschenrechtlichen Normen stehen. "Sie verwehrt dem allergrößten Teil des Volkes Gottes, in Deutschland 99,94 Prozent, den Zugang zu den allermeisten kirchlichen Entscheidungs- und Repräsentanzpositionen", schreiben die Theologen. Die Kirche wolle eine Heilsinstitution sein, sei in den Augen vieler aber das Gegenteil: "Das wirkt sich auf Dauer aus. Man beginnt es zu bemerken und ist mehr als verstimmt. Der begründete Verdacht kommt auf, dass, wo Heil propagiert wird, Unheil ist."
Mythen statt selbstkritischer Theologie
Es sei dabei unangemessen, von einer Krise der Kirche zu sprechen, schreiben die Autoren. Krisen würden überraschend über die Menschen hereinfallen. Bei der Kirche habe es allerdings eine lange theologische Ansage gegeben, dass es für sie so nicht weitergehe. "Schon seit Jahrzehnten wurde zu Recht vor dem gewarnt, was sich bei denen mit der Entscheidungsmacht in der Kirche an Selbsttäuschungen und Utopias eingeschlichen hat und mit der daran hängenden Beratungsresistenz gegenüber moderner kritischer Theologie ins Werk gesetzt wurde." Der sexuelle Missbrauch durch Priester sei vertuscht und Klerikalismus verharmlos worden. "An die Stelle einer selbstkritischen, die eigenen Fehler freilegenden Theologie wurden Mythen gesetzt."
Päpste hätten Fehler auf Feldern gemacht, auf denen über die Glaubwürdigkeit der Kirche entschieden werde. "Darum wiegt es so schwer, dass die Führungsriege der katholischen Kirche der Diktatur des Relativismus bei ihr selbst nicht mit demokratischen Gepflogenheiten der offenen, freien und öffentlichen Auseinandersetzung zu Leibe rückte, sondern diese mühselige Komplexität für religiös unverträglich hielt."
Spätestens seit dem Aufdecken der Missbrauchsfälle am Berliner Canisius-Kolleg seien Risse deutlich geworden, "die schon vorher im tragenden Teil des Gebäudes sichtbar wurden", so die Theologen. "Das Bröckeln hat damit aber nicht aufgehört, im Gegenteil, es hat sich zu wahren Erosionen verbreitert." Diese könne auch der gegenwärtige Papst weder aufhalten noch sanieren, da dies die Fähigkeiten seines Amts übersteige. Ob die Kirche mit der künftigen Synode wirklich einen Fortschritt machen werde, sei nicht ausgemacht. "Aber bleiben wir als gute Katholiken und Katholikinnen bei der Hoffnung, die bekanntlich zuletzt stirbt", so die Theologen. Hans-Joachim Sander ist Professor für Dogmatik an der Universität Salzburg und Rainer Bucher ist Professor für Pastoraltheologie an der Universität Graz. (cbr)