Messdienerreferent: Ministrantendienst ist nach wie vor attraktiv
"Nur wer selber brennt, kann Feuer in anderen entfachen", sagte der Heilige Augustinus. Das gilt auch für Ehrenamtliche in der Ministrantenarbeit, findet Tobias Knell. Er ist Referent für Ministrantenpastoral und liturgisch/kulturelle Bildung bei der Arbeitsstelle für Jugendseelsorge der Deutschen Bischofkonferenz (afj). Im Interview spricht er auch darüber, wie die afj Ehrenamtliche in Zukunft entlasten will, und wie über Begegnungen evangelisiert werden kann.
Frage: Herr Knell, die Corona-Pandemie hat viele Bereiche des kirchlichen Lebens stark verändert. Inwiefern hat die Pandemie auch die Ministrantenarbeit beeinflusst?
Knell: Natürlich hat die Corona-Pandemie Einfluss auf die Ministrantenarbeit. Der Ministrantendienst fußt ja auf den vier Grundvollzügen der Kirche, vor allen Dingen aber auf der Liturgie. Im letzten Jahr war es aber gar nicht möglich, als Ministrant im normalen Umfang in der Liturgie mitzuwirken. Ich bin froh, dass es in den Pfarreien kreative und spontane Lösungen gegeben hat, wie Ministrantinnen und Ministranten eingesetzt wurden, nicht nur bei der Einlasskontrolle zu den Gottesdiensten. Es gab darüber hinaus digitale Angebote und teilweise auch ganz normale Gruppenstunden. Da hat sich gezeigt, wie wichtig Flexibilität ist, die in der Jugendpastoral manchmal etwas größer ist als in anderen Bereichen.
Frage: Ist denn bereits ein Trend erkennbar, ob die Ministrantenzahl durch die Corona-Pandemie zurückgegangen ist?
Knell: Ein Trend ist nicht erkennbar. Es gibt regelmäßige Zählungen verschiedener Diözesen, die dann zu einer bundesweiten Zählung zusammengeführt werden. Normalerweise hätten wir im vergangenen Jahr gezählt, durch die Corona-Pandemie ist das aber nicht im normalen Umfang möglich gewesen. Einige Diözesen haben vor Corona gezählt, einige mittendrin, andere warten, bis die Pandemie vorbei ist. Es gibt darum keine wirklichen validen Zahlen. Auch in den Diözesen, in denen während Corona gezählt worden ist, konnte man die Zahlen teilweise nur hochrechnen. Anders als bei Verbänden, wo man sich an- und abmeldet und Beiträge bezahlt, wird man in den Ministrantendienst zwar eingeführt, aber man ist Ministrant, wenn man dient. Manche Diözesen, wie beispielsweise das Erzbistum Bamberg, haben rückläufige Zahlen durch die Pandemie ausgemacht. Es gibt aber auch andere Diözesen, die de facto stabile Zahlen nachweisen können. Um sichere Zahlen zu haben, müssen wir deswegen die Pandemie abwarten.
Frage: Haben Sie denn Sorge, dass durch die Pandemie ein ganzer Jahrgang wegbrechen könnte, weil es stellenweise nicht möglich war, Messdienerinnen und Messdiener einzuführen und Gottesdienste so lange beschränkt waren?
Knell: Wir haben auch im letzten Jahr Aufnahmen verzeichnen können. Das sehen wir daran, dass Ministrantenplaketten oder neue Ministrantenkleidung verkauft und das Starterpaket mit der Ministrantenkarte abgenommen wurde. Wir haben schon gemerkt, dass es Unsicherheiten in den Pfarreien gab. Aber es gab durchaus Gemeinden, wo in kleinerem Rahmen, zum Beispiel bei einem Wochentagsgottesdienst, einzelne Ministranten aufgenommen wurden, anstatt in einer großen Zeremonie an einem Sonntag. Natürlich besteht die Gefahr, dass wir Menschen verlieren. Aber der Ministrantendienst ist nach wie vor attraktiv. Wir haben viele engagierte Gruppenleiterinnen und -leiter sowie pastorale Mitarbeiter vor Ort, die es sicherlich schaffen werden, dann eben zwei Jahrgänge für diesen Dienst begeistern zu können. Und wir merken ja nicht nur in der Ministrantenpastoral, dass dort, wo wieder Jugendarbeit möglich ist, auch ein großes Bedürfnis danach da ist und dass die Attraktivität der Jugendpastoral nicht abgenommen hat.
Frage: Die Kirchenbindung in Deutschland nimmt auch unabhängig von der Corona-Pandemie ab und immer weniger Menschen engagieren sich in der Kirche. Gab es auch vor der Corona-Pandemie bereits einen Trend, dass die Zahl der Ministrantinnen und Ministranten abnimmt?
Knell: Trotz der kirchlichen Demografie war der Trend gerade seit den 2000er Jahren, dass der Ministrantendienst zahlenmäßig auf einem sehr hohen Niveau stattfindet. Wir hatten 2015 quasi gleichbleibende Zahlen, Anfang der 2010er Jahre sogar einen Anstieg. Die kirchliche Demografie würde ja eigentlich dafür sprechen, dass weniger Ministranten den Dienst annehmen. Das zeigt, dass aus der Zielgruppe, nämlich den Kindern, die zur Erstkommunion gegangen sind, inzwischen prozentual mehr Kinder Interesse am Ministrantendienst haben.
Frage: Woran liegt das?
Knell: Das liegt daran, dass die Kirche in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten viel Energie in die Ministrantenpastoral gesteckt hat – beispielsweise in die Ausbildung von Gruppenleitungen und spezielle Angebote wie Romwallfahrten und diözesane Ministrantentage. In den Pfarreien wird den Ministrantinnen und Ministranten generell ganz viel Wertschätzung entgegengebracht. Die Ministrantengruppen engagieren sich, neben dem Altardienst, dort in verschiedenen Bereichen, beispielsweise bei der Sternsingeraktion. Im ersten Lockdown haben viele für ältere Menschen eingekauft. Da merken die Kinder und Jugendlichen, dass das eine Gemeinschaft ist, die Freude macht und sinnstiftend ist.
Frage: In vielen Bistümern laufen aktuell Strukturprozesse, an deren Ende oft die Bildung von Großpfarreien steht. Inwiefern hat das Einfluss auf die Ministrantenarbeit vor Ort?
Knell: Der Ministrantendienst hängt daran, dass es Menschen gibt, die ihn tragen, vor allem engagierte ehrenamtliche Gruppenleiterinnen und -leiter und pastorale Mitarbeitende. Und gerade in der letzten Gruppe wird es in Zukunft weniger Menschen geben, die für immer mehr Ministrantinnen und Ministranten zuständig sein werden. Auf diese sich abzeichnenden Probleme müssen wir reagieren. Deshalb müssen wir schauen, wie wir die Gruppenleiterinnen und -leiter von allem befreien, was nicht ihre Aufgabe sein muss, indem wir zum Beispiel kostenloses Gruppenstundenmaterial zur Verfügung stellen. Dazu arbeiten wir gerade an einer neuen Ministrantenwebsite. Sie sollen vor Ort für die Ministrantinnen und Ministranten da sein. Es gibt das schöne Augustinus-Zitat: "Nur wer selber brennt, kann das Feuer in anderen entfachen."
Frage: Sehen Sie darin die Hauptaufgabe für die Zukunft, bei größer werdenden Pfarreien diejenigen zu entlasten, die sich ehrenamtlich um die Ministrantinnen und Ministranten kümmern?
Knell: Ja. Es ist wichtig, dass die Ehrenamtlichen Ihre Freude an der Ministrantenarbeit behalten und nicht von irgendwelchen organisatorischen Fragen abgeschreckt werden, die dazugehören, aber die nicht von den Menschen vor Ort erledigt werden müssen. Papst Franziskus hat uns bei der Jugendsynode 2018 mitgegeben, dass wir über die Qualität unserer Beziehungen evangelisieren. Die Aufgabe der Menschen vor Ort ist es, gute Beziehungen zu den Ministrantinnen und Ministranten aufzubauen, damit diese eine gute Beziehung zum Herrn aufbauen können. Die Diözesanreferentinnen und -referenten und wir auf der Bundesebene schauen natürlich, dass wir die Menschen so gut wie möglich dabei unterstützen und entlasten, dass sie sich auf diese guten Beziehungen konzentrieren können.