"Mehr Spaltpilz als Wundbalsam"

Kirchenrechtler: Papstschreiben zu "Alter Messe" ist "kleinlich"

Veröffentlicht am 26.08.2021 um 14:02 Uhr – Lesedauer: 

Freiburg ‐ Auch mehr als einen Monat nach der Veröffentlichung von "Traditionis custodes" geht die Diskussion um die Einschränkung der Feier der "Alten Messe" weiter: Kirchenrichter Johannes Klösges bezeichnet das Motu propio von Franziskus als "Spaltpilz".

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Der Kirchenrechtler Johannes Klösges hat die Bestimmungen des Motu proprio "Traditionis custodes" von Papst Franziskus zur Feier der "Alten Messe" als "kleinlich" bezeichnet. Die in dem Mitte Juli veröffentlichten Schreiben vorgenommenen Einschränkungen seien "mehr Spaltpilz als Wundbalsam", schrieb Klösges in einem Gastbeitrag für die aktuelle Ausgabe der Zeitschrift "Herder Korrespondenz" (September). Der im Erzbistum Paderborn tätige Kirchenrichter stellte das Anliegen von Franziskus infrage, mithilfe von "Traditionis custodes" einer Spaltung der Kirche entgegenzuwirken: "Wird die Einheit der Kirche, gerade auch in Europa, wirklich am Rubikon des Missale von 1962 verteidigt?"

Klösges kritisierte zudem mehrere Ungenauigkeiten des Motu proprio, dem eine "eindeutige Rechtssprache" fehle. So bleibe unklar, auf welche Gruppen sich Franziskus beziehe, „die "nach dem Missale vor der Reform von 1970" zelebrierten. Außerdem hatte der Papst festgelegt, dass die "Alte Messe" nicht mehr in Pfarrkirchen gefeiert werden solle. "Welches Rechtsgut soll hier geschützt werden, gehört die Pfarrkirche doch nicht einmal zur Legaldefinition der Pfarrei", so Klösges. Weiter zeigte er Unverständnis für die umfassenden Befugnisse, die "Traditionis custodes" den Diözesanbischöfen zuweise, etwa bei der Genehmigung der Feier der Messe in der vorkonziliaren Form für bestimmte Priester. "Hat der Bischof Zweifel an der Rechtgläubigkeit eines (Neu-)Priesters, müsste man zuerst fragen, warum er ihm überhaupt die Weihen gespendet hat. Oder geht es um die Etablierung einer zentralen Statistik, welcher Bischof wie viele Genehmigungen erteilt?"

Außerdem wies Klösges darauf hin, dass das Motu proprio ausdrücklich vom Missale Romanum spreche, "jedoch keine weiteren Ausführungen über die durch 'Summorum Pontificum' ebenfalls zugelassene Verwendung des entsprechenden Rituale oder Pontifikale zur Spendung der Sakramente oder den Gebrauch des Breviers enthält". Diese Bestimmungen des Papstschreibens von Benedikt XVI., das die Feier der "Alten Messe" weitgehend vereinfachte, seien weiterhin in Kraft.

Professor Dr. Benedikt Kranemann
Bild: ©KNA

Benedikt Kranemann ist Liturgiewissenschaftler und leitet das Theologische Forschungskolleg an der Universität Erfurt.

Der Liturgiewissenschaftler Benedikt Kranemann betonte mit Blick auf "Traditionis custodes" ebenfalls in einem Gastbeitrag in der aktuellen "Herder Korrespondenz", dass Franziskus "die Kohärenz mit Aussagen des Konzils" wiederherstelle. Bei der Reform der Feier der "Alten Messe" orientiere sich der Papst an der vom Zweiten Vatikanischen Konzil (1962-65) formulierten Vorgabe der "participatio actuosa" ("tätigen Teilhabe") der Gläubigen an der Liturgie. Deshalb begrüßte der in Erfurt lehrende Theologe die Neuerung, dass nun die Lesungen im vorkonziliaren Ritus neben der lateinischen Version auch in der jeweiligen Landessprache vorgetragen werden müssen. "Die Maxime 'keine Liturgie ohne Bibel' wird unterstrichen."

Kranemann widersprach Aussagen, Franziskus habe durch seine Änderungen mit lehramtlichen Äußerungen seiner Vorgänger gebrochen. Vielmehr sei es eine Fehlentscheidung von Benedikt XVI. gewesen, von einer außerordentlichen Form des römischen Ritus zu sprechen. Die Umsetzung der Vorgaben von "Traditionis custodes" durch die Diözesanbischöfe werde ein "steiniger Weg", so Kranemann. "Aufgabe der Bischöfe wird sein, immer wieder diese Einheit der Kirche im Sinne des Konzils starkzumachen und dafür zu werben." Auch die "Liebhaber" des vorkonziliaren Ritus müssten sich dieser Herausforderung stellen und "entsprechend Farbe bekennen". (rom)