Bischof Ackermann: Den Wandel gestalten, nicht den Abbruch verwalten
Gegen die im Zuge der Diözesansynode (2013-2016) ursprünglich vorgesehen und zunächst beschlossen Großpfarreien hatten nicht nur viele Gläubige im Bistum Trier etwas, sondern auch der Vatikan – was dazu führte, dass wesentliche Punkte der Pfarreireform geändert werden mussten. Künftig wird sich die Diözese in 35 Pastorale Räume unterteilen, die ihrerseits aus mehreren Pfarreiengemeinschaften bestehen: Die ersten 16 dieser Räume gehen zum Jahresbeginn 2022 an den Start, die restlichen 19 sollen ein Jahr darauf folgen. Wie blickt das Bistum auf diese neuen Strukturen – und wie er selbst? Bischof Stephan Ackermann gibt einen Einblick.
Frage: Bischof Ackermann, statt der ursprünglich angedachten 35 Großpfarreien wird es im Bistum Trier künftig 35 Pastorale Räume geben. Wird diese Struktur allen gerecht – den Wünschen der Gläubigen, den Vorgaben des Vatikan sowie den pastoralen Erfordernissen?
Ackermann: Ich glaube, diese Entscheidung ist ein Kompromiss, mit dem viele leben können. Das hat sich in den vergangenen Monaten gezeigt, in denen wir nochmal viele Gespräche geführt haben. Es gab ja vorher die Stimmen, die gesagt haben, dass die Einheiten zu groß sind und das Ganze zu schnell geht. Unsere Idee war ursprünglich, bewusst einen großen Schritt zu machen, um eine möglichst lange Zeit etwas davon zu haben und nicht schon nach wenigen Jahren wieder Anpassung vornehmen zu müssen. Aber ich denke, dass das nun wirklich ein gangbarer Weg ist.
Frage: Sie sind überzeugt davon, dass die Strukturen, die jetzt geschaffen wurden, auch längere Zeit Bestand haben können?
Ackermann: Wir bleiben in der Grundrichtung dessen, was die Diözesansynode beschlossen hat. Es geht jetzt eben nur langsamer, kleinschrittiger.
Frage: Das ursprüngliche Vorhaben, 35 Großpfarreien zu schaffen, sorgte auch innerhalb des Bistums für viel Wut und Kritik. Haben Sie den Eindruck, dass sich die Wogen inzwischen geglättet haben?
Ackermann: Ich habe mich vor einigen Wochen erneut mit einer Initiative getroffen, die das Ganze sehr kritisch begleitet hat. Da wurden einige Punkte angesprochen. Klar ist aber auch, dass sich erst Dinge entwickeln müssen. Da wird man dann in der Umsetzung sehen, wie das funktioniert. Die einen hätten sich schnellere Schritte gewünscht, die anderen sind froh, dass es jetzt langsamer geht. Und es wird sicher auch einen Teil geben, der sagt, es soll alles so bleiben, wie es ist, bis es gar nicht mehr geht. Aber wir wollen den Wandel gestalten – und nicht den Abbruch verwalten.
Frage: Welche Lehren haben Sie persönlich aus der ganzen Debatte um die Großpfarreien gezogen?
Ackermann: Man merkt schon, wie viel Emotionen mit den Pfarreien verbunden sind – im positiven Sinne. Das hat mit Heimat zu tun. Unser Ansinnen ist: Die Pfarrei ist mehr das institutionelle Gebilde, das einen Raum beschreibt und institutionelle Sicherheit gibt. Der eigentliche kirchliche Lebensraum ist und bleibt die lebendige Gemeinde vor Ort an einer Kirche, bei bestimmten Einrichtungen und Gruppierungen, bei alten und neuen "Orten von Kirche". Ich glaube, das Grundproblem war, dass wir wenig Bilder haben vom kirchlichen Leben der Zukunft. Es ist klar, dass vieles zurückgeht und dass es Veränderungen braucht. Sich dann aber zu überlegen, wie man damit umgeht, wie ein Bild der Zukunft aussehen kann – das ist für viele schwer zu greifen. Insofern bin ich überzeugt: Wenn wir in mehreren Schritten vorgehen, wird man Beispiele sehen, wie Veränderungen positiv gelingen können.
Frage: Wenn wir von positiven Veränderungen sprechen – welche erhoffen Sie sich konkret?
Ackermann: Auf der einen Seite Synergieeffekte im Bereich der Verwaltung. Mir wurde schon oft gesagt, die Pfarrer haben zu viel Verwaltung, sie sollen mehr Seelsorger sein. Die Professionalisierungsanforderungen werden auch immer größer, vor allem im Bereich Mitarbeiterführung, Datenschutz, Steuerrecht und auch im Bereich der Schutzkonzepte gegen sexuellen Missbrauch. Gleichzeitig gibt es aber immer weniger Menschen, die sich langfristig in der Kirche engagieren oder für sie arbeiten.
Ein anderer Punkt: In den Pastoralen Räumen haben wir Orte von Kirche, die nicht einfach nur im klassischen Setting der Pfarrei bleiben, sondern auch Andockpunkte darüber hinaus bieten sollen – etwa im diakonischen Bereich oder in der Musik. Da ist man nicht an den pfarrlichen Raum gebunden, sondern es gibt hier die Möglichkeit, sich nach Interessen und Charismen einzubringen.
Frage: Was sind Ihre Wünsche im Hinblick auf die Zusammenarbeit zwischen Pfarreiebene und Pastoralem Raum?
Ackermann: Es muss eine gute Vernetzung geben. Natürlich bleibt die Pfarrei die Grundstruktur. Das ist nicht nur eine Frage des Kirchenrechts, sondern auch pastoral stimmig. Kirche vor Ort hat als Struktur die Pfarrei – mit der Verantwortung des Pfarrers und der Menschen, die das haupt- oder ehrenamtlich mitgestalten. Aber es braucht Unterstützungsstrukturen. Und die soll der Pastorale Raum bieten. Dort wird man sich gegenseitig helfen, auch im Blick auf die Beschlüsse der Diözesansynode. Das funktioniert natürlich nur bei einer verbindlichen Zusammenarbeit. Mein Wunsch wäre, dass das alles zu einer neuen Lebendigkeit beiträgt.
„Kirche vor Ort hat als Struktur die Pfarrei – mit der Verantwortung des Pfarrers und der Menschen, die das haupt- oder ehrenamtlich mitgestalten. Aber es braucht Unterstützungsstrukturen. Und die soll der Pastorale Raum bieten.“
Frage: Innerhalb der Pastoralen Räume fusionieren die Pfarreien. Gibt es Vorgaben seitens des Bistums oder gibt es Gespräche zwischen den Pfarreien, was sinnvoll wäre?
Ackermann: Seitens des Bistums gibt es ist eine Kombination aus Vorgaben und Wahl. Die 35 Pastoralen Räume entsprechen den ursprünglich geplanten Pfarreien der Zukunft. Die Zusammenschlüsse der Pfarreien sollen in den kommenden fünf Jahren vollzogen werden – das ist die Vorgabe. Vorzugsweise soll das auf der Ebene der bisherigen Pfarreiengemeinschaften geschehen. Da höre ich von vielen Gemeinden, dass sie in vielen Bereichen schon gemeinsam unterwegs sind, sowohl was pastorale Aktivitäten angeht, aber auch in der Verwaltung. Es gibt sogenannte Kirchengemeindeverbände, in denen sich die Leute kennen. Da gibt es schon eine Vertrauensbasis; dort kann man sich gut vorstellen, zu einer Pfarrei zu fusionieren. Aber es gibt möglicherweise Pfarreien, die sagen: Wir gehen schon einen größeren Schritt.
Frage: Wie laufen aktuell die Gespräche zu diesem Thema?
Ackermann: Ich war im vergangenen Jahr viel unterwegs, um die Stimmungslage zu erheben. In der ersten Jahreshälfte 2021 haben wir dann eine Sondierungsphase durchgeführt, um vor Ort auch noch einmal zu hören, wie es in den einzelnen Pfarreiengemeinschaften konkret aussieht, zu welchem Zeitpunkt man sich einen Zusammenschluss vorstellen kann. Derzeit 35 Pfarreiengemeinschaften sind zum 1. Januar 2022 zu einer Fusion bereit. Wenn man bedenkt, dass wir im Bistum Trier 172 Pfarreiengemeinschaften beziehungsweise Pfarreien haben, ist das ist aus meiner Sicht ein ganz guter Schnitt.
Frage: Sie haben schon aufgezeigt, was Sie sich von den Pastoralen Räumen erhoffen. Strukturen sollen immer auch dazu dienen, etwas zu erreichen, diakonisch und missionarisch zu sein. Geht diese Kraft von den neuen Strukturen aus?
Ackermann: Die Kraft muss natürlich von den Menschen ausgehen. Die Strukturen können ja nur unterstützen. Aber gerade der Pastorale Raum soll mithelfen, die Beschlüsse der Synode umzusetzen. Diese hat stark das diakonische und evangelisierende Element herausgestellt und betont, dass es Formen braucht, das zu verstärken. So haben wir jetzt auch missionarische Teams, also Menschen, die sich besonders in diesem Bereich engagieren und dafür freigestellt sind. Es braucht halt den Mut, Dinge auszuprobieren.