Zeichen stehen auf Erneuerung: Grundtext zur Sexualmoral angenommen
19:25 Uhr: Diskussion über Notwendigkeit des Priesteramts weiter verfolgen
Die Synodalversammlung hat mit sehr knapper Mehrheit dafür gestimmt, eine Debatte, ob die Kirche noch Priester brauche, in ihren Beratungen weiter zu verfolgen. Ein entsprechender Änderungsantrag war zu dem Grundlagentext "Priesterliche Existenz heute" eingebracht worden. Die Synodalen entschieden am Freitagabend nach teils hitziger Diskussion, dass die dafür zuständige Arbeitsgruppe dieser Frage nachgehen solle, um die Infragestellung des Priestertums in der Gesellschaft besser zu verstehen. Für den Antrag stimmten 95 Synodale, 94 stimmten dagegen, 9 enthielten sich.
Zu dem zwölfseitigen Grundlagen-Text "Priesterliche Existenz heute" hatte es 180 Eingaben gegeben. Mehrere Teilnehmer des Reformdialogs kritisierten bei der Aussprache mangelnde Tiefe. Andere Synodale würdigten den Text als gut verständlich. Trotz sehr vieler Vorbehalte sprach sich mit 149 Delegierten eine Mehrheit dafür aus, das Papier zur weiteren Bearbeitung in die Arbeitsgruppe zu überweisen.
Die Autoren empfehlen unter anderem, die verpflichtende Ehelosigkeit von Priestern, den Zölibat, auf den Prüfstand zu stellen. Es bestehe die Gefahr, "dass die zölibatäre Lebensform in die Isolation führt, wenn die Zeichenhaftigkeit von großen Teilen des Volkes Gottes nicht mehr mitgetragen wird". Zudem habe der Beruf des Priesters durch die verpflichtende Ehelosigkeit möglicherweise an Attraktivität verloren. Damit könne der Zölibat ein Grund für einen Mangel an Seelsorgern sein.
Priesterstellung in "gemeinsames Priestertum aller Gläubigen" einbinden
Die Stellung des Priester sei einzubetten ins "gemeinsame Priestertum aller Gläubigen". Mit der Formulierung hatten die Bischöfe beim Zweiten Vatikanischen Konzil (1962-1965) versucht, die Lehre mit dem gesellschaftlichen Wandel in Einklang zu bringen. Der von der Synodalversammlung diskutierte Grundlagentext hält fest, dass die dahinter stehenden theologischen Überlegungen nicht in die Praxis umgesetzt worden seien.
Die Synodalversammlung ist das höchste beschlussfassende Gremium des Synodalen Wegs. Die Initiative, die es in dieser Form in der katholischen Kirche noch nie gab, war ursprünglich auf zwei Jahre angelegt. Nach derzeitigem Planungsstand soll sie jetzt 2022 enden. Gestartet hatten den Reformprozess vor dem Hintergrund des Missbrauchsskandals die deutschen Bischöfe mit dem Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK). Zentrale Themen sind Macht, die katholische Sexualmoral, die Rolle der Frau und das priesterliche Leben.
Der in Frankfurt diskutierte Grundlagentext nimmt darauf Bezug und sieht Mängel bei der Aufarbeitung. "Viele Vertuscher auf verantwortlicher Ebene stehen noch immer nicht zu ihrer moralischen Verantwortung, oft noch nicht einmal zu ihrer juristischen. Noch immer ducken sich zu viele, die darum wissen, weg." (mfi/KNA)
18:10 Uhr: Grundtext zur Erneuerung der kirchlichen Sexualmoral angenommen
Bei der zweiten Synodalversammlung hat sich eine umfassende Neuausrichtung der kirchlichen Sexualmoral abgezeichnet. Am Freitagnachmittag nahmen die Delegierten des Synodalen Wegs den Grundtext "Leben in gelingenden Beziehungen – Liebe leben in Sexualität und Partnerschaft" mit großer Mehrheit in Erster Lesung an. 168 der 214 teilnehmenden Synodalen stimmten für die Textvorlage des Synodalforums IV. Birgit Moch vom Hildegardis-Verein und der Aachener Bischof Helmut Dieser, die dem Forum vorstehen, fassten die Intention des Textes im Vorfeld der Aussprache zusammen. Mock sprach sich dabei für die Vielfalt und Veränderlichkeit der kirchlichen Lehre aus. Dieser beonte, man wolle ein durchweg positives Bild menschlicher Sexualität zeichnen und dabei von der Person ausgehen. Das Naturrecht solle nicht länger für die Bewertung sexueller Handlungen herangezogen werden.
So verurteilt das Papier Selbstbefriedigung nicht mehr umfassend, richtet sich gegen sogenannte Konversionstherapien für Homosexuelle und fordert eine Segnung von homo- und heterosexuellen Paaren, die sich nicht das Sakrament der Ehe spenden können. Der 30 Seiten umfassende Grundtext sieht an mehreren Stellen eine Neuakzentuierung der katholischen Moraltheologie vor und geht dabei über die bestehende Lehre der Kirche hinaus. Gleichzeitig lässt er ein intensives Ringen innerhalb der zuständigen Arbeitsgruppe erkennen. (mfi)
16:30 Uhr: Missbrauchsbetroffene fordern Reform des Anerkennungsverfahrens
Der Betroffenenbeirat der Deutschen Bischofskonferenz hat die Bischöfe aufgerufen, das Verfahren zu Anerkennungsleistungen für Opfer von sexuellem Missbrauch zügig zu reformieren. "Warum werden Betroffene und damit Opfer von Gewaltverbrechen sehenden Auges einer erneuten und hier ausschließlich systembedingten Traumatisierungsgefahr ausgesetzt?", fragte Beiratsmitglied Kai Christian Moritz am Freitag auf der Vollversammlung des Reformprojekts Synodaler Weg in Frankfurt. Dies sei umso unverständlicher, da das Problem den Bischöfen bekannt sei.
Bischof Stephan Ackermann, Missbrauchsbeauftragter der Deutschen Bischofskonferenz, hatte zuvor eingeräumt, dass er die Vorbehalte kennt. Mitte Oktober ist ein Gespräch der Unabhängigen Kommission für Anerkennungsleistungen (UKA), der Bischofskonferenz, katholischen Ordensgemeinschaften und Betroffenenvertretern geplant.
Moritz sagte, solang manche Bischöfe negierten, dass es systemische Ursachen für Missbrauch in der Kirche gebe, stünde man "immer noch ganz am Anfang des Weges". Zugleich betonte er: "Der Weg, den wir gemeinsam gehen müssen, ist noch sehr lang. Aber es lohnt sich, bei allen Schmerzen und Unwägbarkeiten."
In einer teils emotionalen Debatte sagte der Regensburger Bischof Rudolf Voderholzer: "Ich kenne die Tränen der Betroffenen und lasse mir nicht nachsagen, dass ich unsensibel bin. Aber ich lehne eine Emotionalisierung und das unfehlbare Lehramt der Betroffenen ab." Dem entgegnete der Essener Bischof Franz-Josef Overbeck: "Man kann durchaus von einem Lehramt der Betroffenen sprechen und das ist das einzige wirklich unfehlbare. Und dafür bin ich sehr dankbar."
In seinem Bericht listete Ackermann die von den Bischöfen auf den Weg gebrachten Maßnahmen auf. Dazu zählen unter anderem eine Standardisierung der Aktenführung von Klerikern, die Einrichtung eines Betroffenenbeirats sowie unabhängiger Anlaufstellen und Aufarbeitungskommissionen. Ferner sei die Weiterentwicklung des Verfahrens zur Anerkennung des Leids erklärtes Ziel. (KNA)
14:35 Uhr: Teilnehmerinnen am Synodalen Weg registrieren Ernüchterung
Bei der Vollversammlung des Synodalen Wegs macht sich unter Teilnehmerinnen am innerkirchlichen Reformdialog Ernüchterung breit. Das habe vor allem mit den Personalentscheidungen von Papst Franziskus zu den Erzbistümern Hamburg und Köln zu tun, sagte die Ordensfrau und Buchautorin Philippa Rath am Freitag vor Journalisten in Frankfurt. Sie empfinde Ohmacht gegenüber Rom. Bereits am Tag zuvor hatten mehrere Teilnehmer erklärt, der Verbleib der Erzbischöfe Stefan Heße und Kardinal Rainer Maria Woelki sowie der Kölner Weihbischöfe Ansgar Puff und Dominikus Schwaderlapp sei an der Basis kaum vermittelbar.
Die Synodalversammlung ist das höchste beschlussfassende Gremium des Synodalen Wegs. Die Initiative, die es in dieser Form in der katholischen Kirche noch nie gab, war ursprünglich auf zwei Jahre angelegt. Nach derzeitigem Planungsstand soll sie jetzt 2022 enden. Gestartet hatten den Reformprozess vor dem Hintergrund des Missbrauchsskandals die deutschen Bischöfe mit dem Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK).
"Wir schulden es den Opfern sexualisierter Gewalt"
Philippa Rath äußerte Hoffnung auf eine Umsetzung von Reformen. "Wir schulden es den Opfern sexualisierter Gewalt, dass sich etwas ändert", so die Benediktinerin. Ähnlich äußerte sich die Gemeindereferentin Sarah Henschke, die ebenfalls der Synodalversammlung angehört. Sie berichtete, dass Menschen, die der Kirche ferner stünden, den Synodalen Weg aufmerksam verfolgten und plädierte für die weitere Arbeit an Reformen. Man müsse die Probleme lösen und das Gute in der Kirche dadurch wieder hervortreten lassen. "Ich lasse mir meine Heimatkirche nicht nehmen und so einfach gebe ich sie nicht auf", so Henschke.
Für die Beobachter aus dem Ausland unterstrich der Luxemburger Theo Peporte, dass die Initiative eine wichtige Rolle spielen könne, um das Ansehen von Kirche in der Gesellschaft zu verbessern. Dafür brauche es einen langen Atem. "Vertrauen kann man an einem Tag verlieren, und es braucht 50 Jahre, um es wiederzugewinnen." Der Synodale Weg werde zu einem Ergebnis führen und werde Kirche und Gesellschaft beeinflussen.
Der neue geistliche Begleiter des Synodalen Wegs, der Münsteraner Pfarrer Siegfried Kleymann, betonte, er erlebe eine große Ernsthaftigkeit bei den Synodalen, den angefangenen Weg fortzuführen. "Dass es bei einem Weg mal schneller und mal mühsamer geht, das gehört zum Gehen dazu", so Kleymann. Zur Sorge, Bischöfe könnten bei der zweiten Lesung Texte und Beschlüsse blockieren, erinnerte er daran, dass der Impuls für den Synodale Weg von der Deutschen Bischofskonferenz ausgegangen sei. "Wenn die Bischofskonferenz später sagt, sie könne mit den Beschlüssen nicht anfangen, dann hat auch die Bischofskonferenz ein Problem." (cbr/KNA)
11:40 Uhr: Macht-Alternativtext von Bischof Voderholzer abgelehnt
Die Synodalversammlung hat den Grundtext des Macht-Forums als weitere Beratungsgrundlage angenommen. Damit wurde der vom Regensburger Bischof Rudolf Voderholzer und drei weiteren Synodalen präsentierte Alternativtext abgelehnt. Dieser war Anfang September auf einer eigenen Homepage veröffentlicht und zudem nachträglich als Änderungsantrag in den synodalen Prozess eingebracht worden. In dem Alternativtext drückten die vier Synodalen ihre Unzufriedenheit mit der Grundlinie der vom Macht-Forum erarbeiteten Textvorlage aus.
Bischof Voderholzer bekräftigte seine Kritik in der Aussprache am Freitagvormittag: Der Forumstext sei in seiner Grundausrichtung falsch, da er "von einer unkritisch rezipierten, ja geradezu dogmatisch überhöhten MHG-Studie" ausgehe und "erhebliche theologische Mängel" habe. Dem widersprach der Salzburger Fundamentaltheologe Gregor Maria Hoff, der als theologischer Berater an der Erarbeitung des Texts beteiligt war, entschieden. Die Rede von einem "Missbrauch des Missbrauchs" vollziehe dagegen eine semantische Verschleierung des Missbrauchsskandals. Dem schloss sich der Sprecher des Betroffenenbeitrats der Deutschen Bischofskonferenz (DBK), Johannes Norpoth, an: Derartige Angriffe auf die theologische Aufarbeitung des Missbrauchsskandals blende die Opfer aus. "Ich erwarte mindestens einen anderen sprachlichen Umgang", sagte Norpoth.
Große Mehrheit stimmt für Annahme der Textvorlage
Die überwiegende Mehrheit der Wortmeldungen in der Synodalversammlung lobte die Qualität der offiziellen Textgrundlage und gab teils Konkretisierungsvorschläge. Diese fänden sich jedoch größtenteils in den insgesamt zehn von der Antragskommission formulierten Änderungsanträgen wieder. Der Hallstädter Pfarrer Christoph Uttenreuther sagte, er halte den Text zur Gewaltenteilung in der Kirche für sehr gelungen, seine Außenwirkung aber für "fatal", da er Dinge beschreibe, "die den Menschen heute völlig geläufig sind und für die sie keine Begründung brauchen". Kritische Stimmen wiesen eine "Hermeneutik des Verdachts" gegenüber Bischöfen und Priestern zurück. Sie befürchte eine "regelrechte Machtübernahme der Laien", sagte Dorothea Schmidt von der Initiative "Maria 1.0". Wegen der sakramentalen Verfassung der Kirche müsse eine Letztverantwortung der Kleriker gewahrt bleiben.
Der Grundtext "Macht und Gewaltenteilung in der Kirche – Gemeinsame Teilnahme und Teilhabe am Sendungsauftrag" wurde von der Synodalversammlung mit mehr als Dreiviertel-Mehrheit für die weitere Beratung angenommen. Bei einer separaten Darstellung der Stimmen aller nicht-männlichen Synodalen lag die Mehrheit bei 92 Prozent. (mfi)
11:15 Uhr: Regensburger Beauftragter beklagt "genderideologischen Unsinn"
Der Beauftragte für den Synodalen Weg des Bistums Regensburg, Domkapitular Josef Kreiml, wirft der Vorlage des Frauen-Synodalforums vor, auf "genderideologischem Unsinn" zu fußen. In einem Kommentar für "Die Tagespost" (Freitag) verwehrt er sich dagegen, dass Papst Franziskus in der Vorlage für eine angebliche Abkehr von einem "essentialistischen Geschlechterdualismus" als Gewährsmann herangezogen wird. Das angeführte Papstzitat aus dem Nachsynodalen Apostolischen Schreiben Amoris Laetitia (2016) sei "sinnwidrig" ausgelegt geworden. Der Text des Synodalforums zitiert aus Amoris Laetitia ein Zitat des Abschlussberichts der Familiensynode, dass "das biologische Geschlecht (sex) und die soziokulturelle Rolle des Geschlechts (gender) unterschieden, aber nicht getrennt werden [können]".
Kreiml bemängelt, dass der Text in der Stellung der Frau in der Kirche eine "(beinahe) monokausale Begründung" für die Kirchenkrise sehe, und verweist darauf, dass trotz der Öffnung der Ämter in evangelischen Kirchen auch dort eine Kirchenkrise zu konstatieren sei. Es fehle eine Thematisierung der "Glaubenskrise" und des "Säkularismus". "Vielleicht hat da der vor kurzem verstorbene evangelische Theologe Eberhard Jüngel doch mehr begriffen von den wahren Gründen der Glaubens- und Kirchenkrise: Eine Kirche ohne Mission bekommt – so Jüngel – 'Herzrhythmusstörungen'", so Kreiml weiter. (fxn)
10:45 Uhr: Synodale Mara Klein: Text des Sexualforums ist "wegweisend"
Die* Synodale Mara Klein bezeichnet den vom Synodalforum "Leben in gelingenden Beziehungen" erarbeiteten Grundtext als "wegweisend". "Er steht dem katholischen Menschenbild, das wir bisher haben, auf positive Weise entgegen", sagte Kein am Donnerstag im Interview mit der "taz". Er baue ein für die katholische Kirche "neues, natürliches und positives Bild von Sexualität" auf. Queere Menschen würden "entkriminalisiert", zudem gebe es eine positive Würdigung verschiedener Sexualitäten und geschlechtlicher Identitäten. Klein, die* sich selbst als nicht-binär bezeichnet, ist Mitglied des Forums.
Dass neben zwei Dritteln der Synodalen insgesamt auch zwei Drittel der Bischöfe den Texten zustimmen müssen, hält sie* für einen "intrinsischen Fehler" in der Geschäftsordnung des Synodalen Wegs. Stattdessen sollten die Betroffenen von Missbrauch und Diskriminierung im Mittelpunkt stehen. "Mir ist wichtig, dass am Ende ein gut durchdachter Text herauskommt, der längst Überfälliges festhält", so Klein. Der Verweis auf eine mögliche Abkopplung der katholischen Kirche in Deutschland von der Weltkirche sei ein "vorbelastetes Totschlagargument". Die Weltkirche sei zu großen Teilen das Ergebnis von Kolonialismus, Imperialismus und Zwangsbekehrungen auf Grundlage der "vorgeblichen Fortschrittlichkeit" des Christentums. Dieses Argument werde ohne angemessene Aufarbeitung umgedreht. "Es ist ein Fehlschluss, dass die Weltkirche ähnliche Probleme nicht kenne", betont Klein. (mal)