Synodale Verwirrung und große Einmütigkeit in den Abstimmungen
Mitten im weiträumigen Plenarsaal stand der Altar für die Eucharistiefeier beim zweiten Tag der Synodalversammlung im Frankfurter Congress Center, zwischen den Tischreihen der Synodalen. Die Messe musste verschoben werden, weil bereits die ersten Diskussionen und Abstimmungen über eine halbe Stunde länger dauerten als ursprünglich geplant. Was wie eine Kleinigkeit klingt, war beispielhaft für die Beratungen und Debatten am Freitag: Hier wurde sehr bürokratisch und kleinteilig über Einzelanträge diskutiert, sodass nicht nur Außenstehende schnell den Überblick verloren konnten.
Im Fokus stand dabei unter anderem die Frage, inwieweit Bischofsstimmen bei den Abstimmungen zu den Handlungstexten des Machtforums gesondert angezeigt werden können. Nachdem zunächst auch die technischen Voraussetzungen nicht gegeben waren, entbrannte auch eine Debatte darüber, inwieweit die Geschäftsordnung eine solche getrennte Abstimmung überhaupt zulässt. Mehrere Mitglieder des Forums, das sich mit Gewaltenteilung in der Kirche befasst, hatten darauf hingewiesen, dass es für ihre Arbeit besonders wichtig sei zu wissen, wie die Bischöfe zu ihren Texten stünden. Damit spielten sie auf eine Sperrminorität der Bischöfe an, die mit einem Drittel ihrer Stimmen alle erarbeiteten Vorschläge in zweiter Lesung letztlich kippen könnten.
Während der Austausch zum eher spirituell gehaltenen Präambel- und Orientierungstext am ersten Tag der Synodalversammlung von großer Einmütigkeit und Lob für die Texte geprägt war, wurden die Diskussionbeiträge und die Kritik an Gegenpositionen heute teils harscher. Bereits der erste Forentext zum Thema Macht und Gewaltenteilung zog eine lebhafte Diskussion nach sich. Zweimal musste die Redezeit in der Plenarsitzung zunächst auf eineinhalb und anschließend auf eine Minute begrenzt und sogar das Rederecht nach Zeitüberschreitung entzogen werden.
Auch Alternativtext zu Macht-Forum wird diskutiert
Obwohl der von vier Forenmitgliedern formulierte umstrittene Alternativtext zum Grundtext des Macht-Forums selbst inhaltlich nicht zur Diskussion stand, spielte der Text doch in mehreren Redebeiträgen eine Rolle, da er im Vorfeld als Komplettersatz in den Prozess eingebracht wurde. In einem ersten Änderungsvorschlag empfahl die Erfurter Theologieprofessorin Julia Knop als Mitglied der Antragskommission den Grundtext des Machtforums nicht durch einen Alternativtext zu ersetzen, sondern weiterhin als Grundlage zu behandeln.
"Wir wollten keine Nein-Sager sein, sondern etwas Positives beitragen", sagte der Augsburger Weihbischof Florian Wörner, Mitverfasser des Alternativtexts "Vollmacht und Verantwortung", und lobte gleichzeitig die Gesprächsatmosphäre im Forum. Deutlicher wurde der Regensburger Bischof Rudolf Voderholzer. Der Grundtext sei in seiner Grundausrichtung falsch eingefädelt. Er gehe von einer "geradezu dogmatisch überhöhten MHG-Studie" aus und habe "erhebliche theologische Mängel". Er werde mit Nein stimmen und empfahl noch einmal den Alternativvorschlag. Der Sprecher des Betroffenenbeirats der Deutschen Bischofskonferenz, Johannes Norpoth, kritisierte diese Aussage: "Die Rede von dogmatischer Überhöhung der MHG-Studie blendet eines aus: nämlich die Opfer." Die Mehrheit der Synodalen stimmte bei der Abstimmung für eine Ablehnung von "Vollmacht und Verantwortung" als Ersatz für den Grundlagentext I und anschließend für die Annahme des Grundlagentextes – eine extra angezeigte Abstimmung der nicht-männlichen Mitglieder zeigte deren überwältigende Zustimmung. Auch alle Änderungsanträge zum Text wurden weitestgehend einmütig angenommen.
Diskussionen und Chaos gab es vor allem bei der Debatte über den Handlungstext "Gemeinsam beraten und entscheiden". Immer wieder bemängelten Mitglieder der Synodalversammlung, dass die Anträge der Änderungskommissionen nicht verständlich seien und man nicht wisse, über was eigentlich abgestimmt werde, während bereits Abstimmungen liefen. Insgesamt wurden aber auch hier alle Änderungsanträge angenommen.
Am Kaffeestand vor dem Tagungssaal gestehen zwei Bischöfe, dass man den Beratungen doch sehr aufmerksam folgen müsse, um bei komplexen Anträgen und doppelter Verneinung richtig abzustimmen. Umso größeren Respekt hätten sie vor der Arbeit in den Synodalforen, wo all die verschiedenen Stimmen und Meinungen zusammengetragen und unter einen Hut gebracht werden müssten. Als durch die halboffenen Saaltüren Klaviermusik und Gesang klingen, stellen die Bischöfe schnell ihre Tassen ab: "Ist das schon der Gottesdienst? Wir wollen doch für unseren verstorbenen Pater Hagenkord beten!" Auch dieser rasante Wechsel zwischen theologischer Debatte, kleinteiliger Abstimmungsprozesse sowie Besinnung und Gebet zeichnen diese Synodalversammlung aus.
Geistliche Elemente änderten die Stimmung
Tatsächlich konnte man während der Gottesdiensteinheiten und besonders bei der mittäglichen Eucharistiefeier erleben, wie sich die Stimmung im Frankfurter Congress Center jeweils verwandelte: Die Aluminiumträger an den Decken im Saal "Panorama", die herabhängenden Leinwände, Beamer und Scheinwerfen verbreiten eine nüchterne Tagungsatmosphäre. Und trotzdem war die Andachtsstimmung unter den Synodalen deutlich zu spüren, sobald sich die ruhigen Klänge der Synodalband ausbreiteten. Viele der Delegierten saßen dort mit geschlossenen Augen, senkten ihren Kopf in die Hände. Erhoben sich die Versammelten zum Gebet, verschwanden sogar die mikrofonübersähten Tischreihen aus dem Blickfeld. Leere Plätze fanden sich während der Gottesdienste kaum – hier wurde bei aller inhaltlichen Uneinigkeit deutlich: Wir können und wollen noch gemeinsam beten.
Kontrovers und emotional war dagegen die einstündige Aussprache zur Aufarbeitung und Aufklärung des sexuellen Missbrauchs in der Kirche. "Ich kenne die Tränen der Betroffenen", sagte Voderholzer. Er wisse auch, dass es eine Befriedung gebe, dass könnten Missbrauchsbetroffene in seinem Bistum bestätigen. "Was ich ablehne ist ein Lehramt der Betroffenen." Der Essener Bischof Franz-Josef Overbeck widersprach dem. Die Kirche sei nur dann Licht der Welt, wenn man die Tränen und schwieriger Betroffener ernst nehme. Deshalb könne man vom "Lehramt der Betroffenen" sprechen. Unter Applaus fuhr er fort: "Es ist die Lehre, die sie in die Nähe Jesu rückt. Und es ist mir sehr wichtig, dass wir an dieser Stelle wissen: Das ist das einzige wirklich unfehlbare Lehramt und dafür bin ich sehr dankbar."
Emotional angefasst richtete sich der Missbrauchsbetroffene Johannes Norpoth in Hinblick auf die abgelehnten Bischofsrücktritte an den Apostolischen Nuntius Nikola Eterovic. Er gehe davon aus, dass dieser dem Papst von der Synodalversammlung berichten werde. "Und ich möchte Sie persönlich um Folgendes bitten: Teilen Sie bitte dem Heiligen Vater die Grüße der Betroffenen in Deutschland mit und teilen Sie ihm bitte auch mit, dass diese Form von Demut Ratlosigkeit, Irritation und Sprachlosigkeit von Betroffenen zurücklässt." Er fügte an: "Ich schäme mich für diese Kirche für diese Begründung".
Der Synodale Weg zwischen Wut und Zuversicht
Die großen Diskussionslinien beim Synodalen Weg traten auch beim ersten Tag der Synodalversammlung offen hervor. Eine Stunde standen unter anderem die Papstentscheidungen der vergangenen Wochen und Monate im Fokus – und brachten auch tieferliegende Konflikte an die Oberfläche.
Bei der Diskussion über den Grundtext des Forums "Leben in gelingenden Beziehungen" outete sich Hendrik Johannemann, beratendes Mitglied des Forums, in der Synodalversammlung als homosexuell. Mit zwölf Jahren habe er gespürt, dass er sich zu Männern hingezogen fühle. "Mir war direkt klar, das geht nicht. Gott kann mich nicht so akzeptieren." Er habe in seiner ganzen Jugend gebetet, nicht so zu sein, so weitreichend wirke die Sexualmoral der Kirche. "Ich bin heute ultrafroh, dass ich weiß, dass Gott mich liebt." Er bat inständig darum, den Grundtext des Synodalforums zu lesen und anzunehmen – was auch passierte.
Am späten Nachmittag berieten die Synodalen über den Grundtext des Priesterforums. Dass auch diese Vorlage angenommen würde, schien während der Aussprache zunächst nicht sicher. Bereits bei der Textvorstellung zeigten sich die beiden Vorsitzenden des Forums selbstkritisch: Man habe bisher zu keinem umfassend zufriedenstellenden Ergebnis gefunden, zu unterschiedlich seien die Positionen und Aussageinteressen innerhalb des Forums gewesen. Auch im Plenum wurde als Hauptproblem der Thematik wiederholt formuliert, dass in der gegenwärtigen Kirchenkrise kaum noch ein positiver Zugang zur Existenz des Priesters gefunden werde. So bezeichnete etwa der Bochumer Pastoraltheologe Matthias Sellmann das Priestertum als das heute am wenigsten verstandene Sakrament.
Kein Stein dürfe auf dem anderen bleiben
Susanne Schuhmacher-Godemann vom Berufsverband der Pastoralreferentinnen und Pastoralreferenten plädierte klar für die Ablehnung des Grundtextes: Dieser werde den fundamentalen Herausforderungen nicht gerecht, weshalb "kein Stein auf dem anderen bleiben" dürfe und der Text neu verfasst werden müsse. Die Berliner Historikerin Birgit Aschmann forderte die Versammlung auf, sich mutiger mit dem Thema Zölibat auseinanderzusetzen und wünschte sich eine ehrliche Erhebung darüber, ob und wie diese Lebensform von den Priestern überhaupt noch gelebt werde.
Der stellvertretende Vorsitzende des Priester-Forums, Stephan Buttgereit, zeigte sich zufrieden über die breite Diskussion. Über die ausstehenden Handlungsfelder werde man sich den "Juckepunkten" des Themas nun entschlossener nähern können. Und so wurde schließlich auch dieser Grundlagentext mit einer guten Zweidrittelmehrheit angenommen und zur grundlegenden Weiterbearbeitung an die Gruppe übergeben.
Mehr Zustimmung erhielt der Handlungstext "Leitung von Pfarreien, Gemeinden und pastoralen Räumen". Alle Änderungsanträge und auch der Textvorschlag des Forums "Frauen in Diensten und Ämtern in der Kirche" wurden angenommen. Deutlich wurde über den ganzen Tag hinweg die weitgehende Einmütigkeit in Diskussionen und Abstimmungen. "Ich möchte dem Forum gratulieren", sagte der Vorsitzende des Bundes Katholischer Unternehmer, Ulrich Hemel, bei der Debatte über den Grundlagentext zur Sexualmoral. "Ich empfinde das, was wir hier heute machen als eine Sternstunde unserer Kirche hier in Deutschland."