Das war die zweite Plenarsitzung des Synodalen Wegs

Nach der Synodalversammlung: Ein Eklat und ein Weg, der Zeit braucht

Veröffentlicht am 03.10.2021 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 

Frankfurt am Main ‐ Chaos prägte das Ende der zweiten Synodalversammlung in Frankfurt: Die Beratungen mussten kurzfristig abgebrochen werden, weil zu wenig stimmberechtigte Synodale anwesend waren. Dieser Ausgang verdeckte die Ergebnisse, die zuvor erreicht wurden – und den Abschied von zwei Gesichtern des Wegs.

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"Ich bin ziemlich entsetzt darüber, wie viele Menschen im Laufe des Tages abgereist sind und möchte sagen: Das geht nicht!" Die Worte, mit denen der Präsident des Synodalen Wegs, Bischof Georg Bätzing, die noch anwesenden Synodalmitglieder zur Ordnung ermahnte, waren deutlich. "Hier muss eine Priorität hineinkommen." Vorausgegangen waren chaotische Szenen in der Synodalaula und ein abruptes Ende, das durchaus als Eklat gewertet werden kann.

Im Laufe der Beratungen über den Handlungstext "Rahmenordnung für Rechenschaftslegung" des Macht-Forums am Samstagnachmittag näherten sich die abgegebenen Stimmen der Synodalen immer weiter dem kritischen Wert von 154, also zwei Dritteln aller Mitglieder. Bätzing stellte einen Antrag auf Überprüfung der Beschlussfähigkeit, der mehrheitlich angenommen wurde. Bei der über die digitalen Abstimmungsgeräte stattfindenden Überprüfung kamen lediglich 149 Rückmeldungen zusammen. Weniger als eine halbe Stunde vor dem planmäßigen Schluss der Versammlung endeten die Beratungen damit abrupt in Chaos und Entsetzen. Während einige Mitglieder der Synodalversammlung andere beschuldigten, absichtlich nicht abgestimmt zu haben, um die weiteren Beratungen zu blockieren, verließen zahlreiche andere die Sitzung. Der zunächst angekündigte Impuls der überraschten Geistlichen Begleiter folgte nicht, sondern eine Erklärung des Präsidiums des Synodalen Wegs.

Bätzing: "Immer wichtiger, dass wir zusammen sind und zusammen arbeiten"

"Wir waren bei der Besprechung einer sehr entscheidenden Vorlage", erklärte Bätzing sein Vorgehen. Der Handlungstext sieht eine regelmäßige Rechenschaftspflicht für Bischöfe und Priester vor, die zudem nach ihrem Bericht eine Vertrauensfrage an das Gremium des Synodalen Rates in der Diözese oder der Pfarrei stellen sollen. Er habe verhindern wollen, dass die Vorlage in einer "zweifelhaften Abstimmung" zustande komme. In der Abschluss-Pressekonferenz erklärte der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz zudem, dass sein Antrag auch ein "gewisses pädagogisches Moment" gehabt habe. "Es wird immer wichtiger, dass wir zusammen sind und zusammen arbeiten."

Diese Zusammenarbeit hatte die vorangegangenen Tage der Synodalversammlung geprägt. 13 der 16 eingereichten Textvorlagen wurden allesamt mit großen Mehrheiten zwischen 76 und 92 Prozent von der Synodalversammlung als Bearbeitungsgrundlage angenommen und zur weiteren Bearbeitung an die zuständigen Foren oder das Synodalpräsidium verwiesen. Auch nahmen die Synodalen in ihren Redebeiträgen direkten Bezug auf die Textgrundlagen, knüpften an deren Argumentation an, lobten ihre inhaltliche Qualität – oder mahnten mehr oder weniger weitreichende Korrekturen an. Die Kurzpräsentation der Texte durch die jeweiligen Forenvorsitzenden brachten die tragenden Anliegen präzise auf den Punkt und gaben einen Einblick in die zeit- und nervenintensiven Beratungen innerhalb der Gremien. Von mehreren Forenmitgliedern wurde die Fairness im argumentativen Umgang gelobt – auch dort, wo teils gravierender Dissens bestanden habe.

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Als wichtige theologische Weichenstellungen können vor allem zwei Texte gelten: der vom Synodalpräsidium vorgelegte Orientierungstext und der Grundtext des Forums IV zur Erneuerung der kirchlichen Sexuallehre. Der Orientierungstext versteht sich als Vergewisserung über die Offenbarungsquellen des Glaubens. Die gegenwärtige Krise des Glaubens mache deutlich, so Synodalpräsident Bätzing, dass die Erfahrungen der Geschichte sowie die Zeichen der Zeit im Leben der Menschen als Bezeugungsinstanzen Gottes stark an Bedeutung gewonnen hätten. Dadurch würden die klassischen Offenbarungsquellen Schrift, Tradition und Lehramt keineswegs abgewertet, die Kirche müsse aber die Lebenswirklichkeit der Menschen theologisch stärker berücksichtigen, wenn sie ihre Legitimation behalten wolle.

Auch wenn diese Unterscheidung zwischen "eigenen" und "fremden" Fundorten der Offenbarung bereits seit dem 16. Jahrhundert fester Teil der Fundamentaltheologie ist, würde eine konsequente Würdigung der "weltlichen" Offenbarungsquellen einer theologischen Revolution gleichkommen und ein Tor für eine weitreichende "Verheutigung" des kirchlichen Lehrens und Lebens öffnen. Als erste Frucht einer solchen Neuakzentuierung kann der Grundtext des Forums "Leben in gelingenden Beziehungen – Liebe leben in Sexualität und Partnerschaft" betrachtet werden: Während Sexualität von der Kirche über Jahrhunderte maßgeblich daran gemessen wurde, ob sie ihrem "natürlichen Zweck" der Fortpflanzung gerecht wird, plädiert das Papier für eine positive grundierte Beziehungsethik, die von der Personenwürde des Menschen ausgeht. Handfeste Ergebnisse und Reformabsichten, die durch das plötzliche Ende der Beratungen in den Hintergrund gerieten.

Nur geringer Teil der Synodalen kommentiert Vorlagen

Insgesamt wurden im Vorfeld der Versammlung 1.427 Änderungsanträge bei den Textvorlagen angefügt – von nur 74 Personen. 31 davon wurden vom Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) berufen, 14 von der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) und nur 5 stammten aus der Gruppe der Unter-Dreißigjährigen. Das bedeutet, dass der überwiegende Teil der Synodalen keine Kommentare zu den eingereichten Textvorlagen abgegeben hat. Ob das als umfassende Zustimmung zu werten ist oder eher für Unsicherheit im Beratungsprozedere oder eine zu große Textmenge spricht, lässt sich kaum feststellen.

Während die Zusammenarbeit in der Synodalaula also durchaus fruchtbar und erfolgreich war, zeigte sich doch auch eine veränderte Gesprächsatmosphäre zwischen den Synodalen der unterschiedlichen Gruppen. Dies lag mitunter auch an den auseinandergerückten Tischen im "Panorama"-Saal des Frankfurter Congress Centers. Wurde die alphabetische Sitzordnung bei der ersten Synodalversammlung noch gelobt, sorgte sie jetzt augenscheinlich oft nur für ein gemischteres Bild. Und auch die Pausen als Begegnungsmöglichkeit wurden aufgrund des straffen Zeitplans mitunter eingedampft. "Der Druck ist hoch, wir brauchen eigentlich auch etwas Zeitraum", sagte Bischof Georg Bätzing bei der Eröffnung des letzten Versammlungstages. Es brauche auch zweckfreien Austausch in den Pausen.

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Deutlich wurde, dass eine überwiegende Mehrheit Reformen in der katholischen Kirche befürwortet. Inwieweit die teils deutlichen Differenzen zwischen den Synodalen in Frankfurt nachhaltig überwunden werden konnten, bleibt abzuwarten. Die von der DBK berufene "Maria 1.0"-Vertreterin Dorothea Schmidt kritisierte in der Versammlung, dass die konservative Minderheit von einem "Lavastrom" wie auf der Insel La Palma überrollt werde und erinnerte an das Gebot Jesu, einander zu lieben. Stimmen wie die des Regensburger Bischofs Rudolf Voderholzer, die im Vorfeld der Versammlung laute Kritik am Synodalen Weg geäußert hatten, brachten sich bei den Aussprachen über die Texte aber mehrfach ein und arbeiten mit.

Wenn bei der dritten Synodalversammlung Anfang Februar kommenden Jahres zum ersten Mal Texte in zweiter Lesung beraten werden und damit auch beschlossen werden könnten, werden zwei prägende Gesichter des Synodalen Wegs dagegen nicht mehr für das Synodalpräsidium dabei sein: ZdK-Präsident Thomas Sternberg und ZdK-Vizepräsidentin Karin Kortmann. Beide werden bei den Neuwahlen des ZdK-Präsidiums nicht erneut kandidieren. Nach den Schlussworten der beiden gab es stehende Ovationen der im Plenarsaal verbliebenen Synodalen. "An diesem Synodalen Weg hängt mein Herz", sagte ein sichtlich emotionaler Sternberg und fuhr mit gebrochener Stimme und Tränen in den Augen fort. "Für mich ist es ganz ganz wichtig, dass wir diesen Weg in einem Grundvertrauen gehen."

"Wir haben hier die Weltkirche immer fest im Blick"

Kortmann wandte sich in ihrer Stellungnahme an den bereits aufbrechenden Apostolischen Nuntius Nikola Eterovic. Es sei wichtig, dass der Kommunikationsweg von Rom nach Deutschland und zurück keine Brüche erfahre. Er habe wahrnehmen können, wie sich die Synodalen in großer Einmütigkeit auf den Synodalen Weg begeben hätten. "Wir haben hier die Weltkirche immer fest im Blick", so Kortmann. "Es wäre aber dennoch hilfreich, wenn es dazu auch endlich mal ein Gesprächsangebot aus Rom geben würde, auf das wir schon so lange warten." Unter dem Applaus der Synodalen ergänzte sie: "Briefe darf man beantworten."

Bis diese Antwort aus Rom kommt, könnte allerdings noch einige Zeit verstreichen. Und auch der Reformdialog der Katholiken in Deutschland wird noch dauern. "Was wir gerade gelernt haben: Synodalität braucht Zeit und Disziplin", sagte die Moderatorin Claudia Nothelle nach der ausufernden Debatte über die Annahme des Handlungstextes "Synodalität nachhaltig stärken" am Samstagvormittag. Zeit, die der Synodalversammlung erst einmal gegeben werden dürfte: Der Vorschlag des Synodalpräsidiums am Morgen des letzten Versammlungstages, eine zusätzliche fünfte Versammlung im Januar oder Februar 2023 anzusetzen, stieß auf spontane Zustimmung. Bischofskonferenz und Zentralkomitee müssen bei ihren nächsten Sitzungen abstimmen, ob und wann genau diese tatsächlich angesetzt wird. Ob dies ausreichen wird, um die vielen drängenden Fragen zu beantworten und geforderten Reformen auf den Weg zu bringen, muss sich noch zeigen.

Von Christoph Brüwer und Moritz Findeisen