Dekan-Rücktritt nach Tanzvideo: Diese Kirche ist unglaubwürdig
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Ein stattlicher Bau ist sie, die gotische Kathedrale von Toledo (Spanien): Von außen wirkt sie fast wie eine Festung, doch im Inneren eröffnen die wenigen Kirchenfenster faszinierende Lichtblicke auf die prunkvolle Ausstattung. Ob die aktuellen Geschehnisse in und vor dem Dom Santa María de la Asunción ein Lichtblick für die Kirche sind, daran scheiden sich momentan die Geister. Grund dafür ist ein Musikvideo, das in den heiligen Hallen aufgenommen wurde und ein junges Pärchen bei einer landestypischen Freizeitaktivität zeigt: dem sinnlichen Paartanz und seinen Folgen.
Während Fans des angesagten Sängerpaars genauso wie Freunde gehobener popkultureller Unterhaltung über die Darbietung mit ihren vielen visuellen wie textuellen Anspielungen jubeln, finden vor dem Dom abendliche Sühne-Rosenkranzgebete statt und mussten erste Köpfe des Domkapitels rollen. "Dieses Video beleidigt Gott schwer", werden führende spanische Kirchenvertreter zitiert. Dabei handle das Video "Ateo" (Atheist) doch von der "Geschichte einer Bekehrung durch menschliche Liebe", schrieb Domdekan Juan Miguel Ferrer, der die Drehgenehmigung erteilt hatte, bei den Aufnahmen selbst jedoch nicht zugegen war.
Interessanterweise zeigt das Musikvideo einen Skandal ganz ähnlich dem, den es letztlich ausgelöst hat und der auch den Erzählungen des Alten und Neuen Testaments nicht unbekannt ist: Wie das in der Kathedrale tanzende Pärchen verstohlen beobachtet wird von älteren Geistlichen, wie die Darstellerin im verpixelten Evakostüm andernorts gleich einer Salomé den enthaupteten Kopf ihres Geliebten präsentiert, wie sich die Medienwelt darüber echauffiert, schließlich wie sich wenigstens ein Vertreter der Kirche dem Paar gegenüber versöhnlich zeigt. Sehr geschickt hinterfragt das Musikvideo vor diesem Hintergrund katholische Wertvorstellungen bis ins Detail, etwa wenn es in Großaufnahme nackte Menschen auf einer Darstellung des Jüngsten Gerichts zeigt.
Ich bin mir sicher, dass diese mediale Steilvorlage Eingang finden wird in den Religionsunterricht als Beispiel kirchlicher Provokation durch Kunst. Und ich halte eine Kirche für unglaubwürdig, in der ein Dekan hervorragend auf diese Provokation kirchlicher Vorstellungen reagiert hat und genau dafür seinen Hut nehmen muss.
Die Autorin
Schwester Dr. Maria Gabriela Zinkl SMCB ist Borromäerin im Deutschen Hospiz St. Charles in Jerusalem und arbeitet als Dozentin für Kirchenrecht und als Pädagogin.Hinweis
Der Standpunkt spiegelt ausschließlich die Meinung der jeweiligen Autorin bzw. des Autors wider.