Zwischen Ortskirche und Vatikan: Das sind die Aufgaben eines Nuntius
Würde man in einer Umfrage nach bekannten Bischöfen in Deutschland fragen, würden unabhängig von tagespolitischen Aufregern wohl vor allem drei Namen genannt werden: Georg Bätzing, Reinhard Marx und Rainer Maria Woelki. Schließlich sind der Limburger Bischof und Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz sowie die beiden Kardinäle aus den Erzbistümern München und Köln schon qua Amt Schwergewichte unter Deutschlands Oberhirten und auch jenseits der katholischen Blase bekannt.
Ziemlich sicher nicht genannt werden würde dagegen ein Erzbischof, der zwar viel Einfluss auf das katholische Leben in Deutschland hat – in der Öffentlichkeit aber weithin unbekannt ist: der Apostolische Nuntius Nikola Eterovic. Als Botschafter des Heiligen Stuhls ist der Kroate der Vertreter von Papst Franziskus in der Bundesrepublik und das wichtigste Bindeglied zwischen der deutschen Ortskirche und dem Vatikan als Zentrum der Weltkirche. Eterovic mag den wenigsten Deutschen und auch nur einer Minderheit der Katholiken ein Begriff sein – seine Position als päpstlicher Gesandter macht ihn aber zu einem bedeutenden Faktor in der katholischen Kirche in Deutschland.
Rechte und Pflichten der Nuntien im kirchlichen Gesetzbuch
Doch was genau sind Eterovics Aufgaben als Apostolischer Nuntius? Welche Befugnisse hat er gegenüber der deutschen Ortskirche? Und was sind seine Pflichten gegenüber dem Papst und dem Vatikan? Auskunft darüber gibt der Codex Iuris Canonici (CIC), das kirchliche Gesetzbuch. Darin – genauer im Buch II "Volk Gottes", Teil II "Hierarchische Verfassung der Kirche", Sektion I "Die höchste Autorität der Kirche", Kapitel V "Gesandte des Papstes" – sind detailliert die Rechte und Pflichten der Nuntien aufgelistet.
Zunächst wird im CIC erläutert, dass der jeweilige Papst "das angeborene und unabhängige Recht" hat, Gesandte zu ernennen und diese in die "Teilkirchen in den verschiedenen Nationen oder Regionen wie auch zugleich zu den Staaten und öffentlichen Autoritäten zu entsenden" sowie sie zu versetzen oder abzuberufen – "allerdings unter Wahrung der Normen des internationalen Rechts, soweit es die Entsendung und Abberufung von Gesandten bei den Staaten betrifft" (can. 362). Diese Formulierung verdeutlicht, dass Nuntien nicht einfach nur Kirchenvertreter in einem anderen Staat, sondern offiziell akkreditierte Botschafter sind, deren Berufung und Abberufung bestimmten diplomatischen Spielregeln unterliegt.
Derzeit unterhält der Heilige Stuhl diplomatische Beziehungen zu 183 Staaten, in denen in der Regel auch Apostolische Nuntien residieren. Deutschland pflegt seit 1920 offizielle Verbindungen zum Heiligen Stuhl; erster Nuntius war Eugenio Pacelli, der spätere Papst Pius XII. (1939-1958). Der jetzige Nuntius Eterovic residiert seit 2013 in der Papstbotschaft in Berlin.
Wichtige Rolle bei der Ernennung neuer Bischöfe
Die im CIC aufgelisteten Aufgaben eines Nuntius betreffen im Wesentlichen zwei Sphären: die kirchliche (can. 364) einerseits und die staatliche (can. 365) andererseits. Mit Blick auf die kirchlichen Aufgaben heißt es zu Beginn beinahe pathetisch: "Hauptaufgabe eines päpstlichen Gesandten ist es, die Bande der Einheit, welche zwischen dem Apostolischen Stuhl und der Teilkirche bestehen, ständig zu stärken und wirksamer zu gestalten." Was das konkret bedeutet, wird danach aufgelistet. Unter anderem soll ein Nuntius den Heiligen Stuhl über die Lage in der Ortskirche "und über alles, was das Leben der Kirche und das Seelenheil betrifft" informieren. Außerdem soll er den Bischöfen der Ortskirche mit Rat und Tat zur Seite stehen, enge Beziehungen mit der Bischofskonferenz pflegen und die Ökumene sowie den Kontakt zu anderen Religionsgemeinschaften fördern.
Eine wichtige Rolle kommt dem Nuntius zudem bei der Ernennung neuer Bischöfe zu. Hierzu heißt es im kirchlichen Gesetzbuch, dass der Gesandte dem Heiligen Stuhl Namen von Kandidaten übermitteln oder vorschlagen und den Informationsprozess über die Kandidaten gemäß den vom Heiligen Stuhl erlassenen Normen durchführen soll. Als kirchenrechtliche Besonderheit kommen in Deutschland die vier geltenden Konkordate hinzu, die das Prozedere der Bischofswahl jeweils im Detail unterschiedlich regeln.
Mit Blick auf die staatliche Sphäre hat der Nuntius vor allem zwei Aufgaben: Er soll einerseits das Verhältnis zwischen dem Heiligen Stuhl und dem jeweiligen Staat fördern und pflegen – etwa durch regelmäßige Kontakte mit den obersten Repräsentanten des Staats – und andererseits Fragen behandeln, die die Beziehungen zwischen Kirche und Staat betreffen. Dies kann die Beschäftigung mit Konkordaten und ähnlichen Verträgen beinhalten, wie sie die Kirche bis heute regelmäßig mit Staaten abschließt. In vielen Staaten der Welt – darunter auch in Deutschland – ist der Apostolische Nuntius zudem Doyen des Diplomatischen Corps. Als "primus inter pares" (Erster unter Gleichen) aller in einem Staat akkreditierten Diplomaten kommen ihm damit ein zeremonielles Vorrecht sowie die Aufgabe zu, bei Konflikten innerhalb des Diplomatischen Corps zu vermitteln.
Unmissverständliche Mahnung an die deutschen Bischöfe
Wie es sich für Diplomaten gehört, sind auch die Nuntien in der Regel sehr verschwiegen. Von ihrer Kommunikation mit dem Vatikan oder den Bischöfen der Ortskirche dringt nur selten etwas nach draußen. In Deutschland tritt der Nuntius lediglich zu zwei Terminen regelmäßig öffentlich in Erscheinung – zu den Vollversammlungen der Bischofskonferenz im Frühjahr und im Herbst, an denen er traditionell als Gast teilnimmt. Bei dieser Gelegenheit wendet er sich stets mit einem Grußwort an die versammelten Bischöfe. Dass es sich dabei nicht bloß um Sonntagsreden handelt, zeigte sich zuletzt bei der Herbstvollversammlung in Fulda. Dort rief Eterovic die Bischöfe unmissverständlich dazu auf, die Einheit der Kirche zu wahren und den Weisungen des Papstes zu folgen – eine deutliche Ermahnung, die bei seinen Zuhörern durchaus Eindruck hinterlassen haben dürfte.
Überhaupt: Seit Beginn des vom Vatikan kritisch beäugten Synodalen Wegs scheint sich das Verhältnis zwischen dem Nuntius und dem Flügel der reformorientierten Bischöfe abgekühlt zu haben. Immerhin trat Eterovic seither bereits mehrfach als Überbringer päpstlicher und kurialer Mahnschreiben auf. Und als wohl erster Nuntius seit Menschengedenken musste er sich bei der Herbstvollversammlung 2020 kritische Fragen eines empörten Vorsitzenden anhören. Anlass war ein von Eterovic übermittelter und vorab durchgestochener Brief der Glaubenskongregation an die deutschen Bischöfe. Darin erteilte Rom einem deutschen Sonderweg bei der gegenseitigen Einladung von Katholiken und Protestanten zu Abendmahl und Eucharistie eine klare Absage. In einer öffentlichen E-Mail an den Nuntius hatte Bischof Georg Bätzing zuvor geschrieben: "Sie sehen mich über diesen Vorgang sehr verärgert."