Diözese setzt Taufpatenschaft wegen Mafiabande aus

Sizilien: Vorerst keine Paten mehr im "Land des Paten"

Veröffentlicht am 20.10.2021 um 15:56 Uhr – Lesedauer: 

Catania ‐ Im Filmklassiker "Der Pate" strickt der gleichnamige Mafiaboss seine kriminellen Netzwerke. Die Patenschaft bei einer Taufe meint eigentlich etwas anderes – auf Sizilien befürchtet man aber eine Vermischung und hat das Patenamt vorerst verboten.

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Sizilien ist eines der beliebtesten Tourismusziele Italiens – doch wird auf der Mittelmeerinsel nun auch ein interner Tauftourismus einsetzen? Einzelne Familien sollen für die Taufe ihres Kindes bereits in eine Nachbarstadt geflüchtet sein. Der Grund: Die Diözese Catania hat in diesem Oktober ein Dekret erlassen, das es verbietet, Paten für die Täuflinge zu benennen, wie die "Irish Times" am Mittwoch und zuvor die "New York Times" berichteten. Die Tradition der Taufpatenschaft habe heute jegliche spirituelle Bedeutung verloren, begründet die Bistumsleitung das vorerst auf drei Jahre beschränkte Verbot. Statt die christliche Erziehung der Neugetauften zu gewährleisten, würden die Familien das Ritual als Gelegenheit zur Vernetzung nutzen, um ihren Wohlstand und ihren Einfluss zu vermehren.

Offiziell gilt die Sorge der Diözese allein der drohenden Verweltlichung des jahrtausendealten Patenamts. Der größte Teil der Taufpaten sei religiös nicht ausreichend qualifiziert oder lebe in Sünde, sagt Salvatore Genchi, der Generalvikar von Catania. Er versteht das Verbot als Experiment, um die Bevölkerung an die religiöse Bedeutung der Patenschaft zu erinnern – ist selbst aber wenig optimistisch: "Es kommt mir sehr unwahrscheinlich vor, dass jemand umkehren wird."

Hintergründig geht es bei der Entscheidung – wie könnte es im Heimatland des Filmbösewichts "Der Pate" anders sein – offensichtlich auch um die Mafia. Eine Stärkung der Familienbande bedeute in Sizilien nicht selten auch eine Stärkung der Mafiabande, urteilt die "Irish Times". Italienische Staatsanwälte sollen demnach Taufgottesdienste beobachten, um die Machtstrukturen in den Clans aufzudecken, und der Erzbischof von Reggio Calabria soll Papst Franziskus bereits 2014 um ein Aussetzen des Patenamts gebeten haben, um es vor krimineller Vereinnahmung zu schützen. Sein Vorschlag scheiterte jedoch an einer Bischofsmehrheit.

Nachbarbistum wählte einen Mittelweg

In Catania, der zweitgrößten Stadt Siziliens, erhitzt der Vorstoß der Kirche indes die Gemüter. "Das ist nicht richtig", sagt die Großmutter eines Jungen, der diesen Monat als einer der Ersten ohne Pate oder Patin getauft wurde. Auch ein langjähriger Politiker der Stadt weist die Anspielungen auf kriminelle Strukturen zurück: "Zumindest in Sizilien, wo ich gelebt habe, gibt es das nicht. Es ist eine rein religiöse Bindung, Anknüpfungspunkte zur Illegalität gibt es nicht." Er selbst hat um die 20 Patenkinder – und saß fast fünf Jahre wegen mafiöser Machenschaften im Gefängnis.

Das katholische Kirchenrecht schreibt einen Paten für die Spendung der Taufe nicht verbindlich vor. Nur "soweit dies geschehen kann", soll ein Pate oder eine Patin bestimmt werden, um "mitzuhelfen, dass der Getaufte ein der Taufe entsprechendes christliches Leben führt" (c. 872 CIC). Im angrenzenden Bistum Acireale fährt man einen salomonischen Mittelweg: Hier sind Taufpaten weiterhin erlaubt, müssen allerdings ein Formular unterschreiben, dass sie gläubig sind und nicht Mitglied der Mafia. Die ersten Tauftouristen soll es bereits geben. Die Stadtgrenze zum Bistum Catania verläuft fließend. (mfi)