Theologe über Frauenordination, Segnung homosexueller Paare und Kirchensteuer

ZdK-Präsidentschaftskandidat Hemel: Kirche muss in Bewegung geraten

Veröffentlicht am 06.11.2021 um 14:39 Uhr – Lesedauer: 

Frankfurt ‐ Ob Segnung homosexueller Paare, Frauenweihe oder Kirchensteuer: Ulrich Hemel, der für das Amt des ZdK-Präsidenten kandidiert, nimmt mehrere Streitthemen in den Blick. Er fordert: Die Kirche muss sich wieder auf die Botschaft des Evangeliums besinnen.

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Die Botschaft des Evangeliums muss nach Worten des Theologen und Unternehmensberaters Ulrich Hemel wiederentdeckt werden. "Der Mensch als solcher zählt. Das ist die Zusage des Evangeliums", sagte er im Interview der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung". Hemel kandidiert Ende November neben der Sozialwissenschaftlerin Irme Stetter-Karp für das Amt des Präsidenten des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK).

Der Theologe sprach sich für eine Segnung homosexueller Paare aus. "Eine Person, die von sich sagt, sie habe eine nicht binäre Form der Sexualität in ihrem Leben gefunden, ist und bleibt ein von Gott geliebter und gewollter Mensch. Wenn wir für diese Neubetrachtung auf unserem synodalen Weg eine Mehrheit gefunden haben, dann können wir das kirchliche Angebot wieder zum Leuchten bringen und verständlich machen." Im Reformprozess Synodaler Weg beraten die deutschen katholischen Bischöfe und das ZdK über die Zukunft kirchlichen Lebens in Deutschland.

"Jedes Recht, diese Frage ernsthaft zu stellen"

Dies betreffe auch die Ordination von Frauen, fügte Hemel hinzu. "Es gibt nach meiner Auffassung keine überzeugenden Argumente mehr, Frauen den Zugang zu kirchlichen Ämtern zu verweigern. Die deutsche Kirche hat auch gegenüber Rom jedes Recht, diese Frage ernsthaft zu stellen."

Die Kirche habe einst als Bewegung begonnen, sagte der Theologe. Nun müsse sie wieder in Bewegung geraten. "Wenn eine Organisation erstarrt, dann muss man sie an ihre Ursprünge erinnern." Er sehe in diesem Punkt keine Divergenz zu Papst Franziskus, so Hemel. Und: "Wir haben alle Chancen, dass uns das hier in Deutschland gelingt."

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Einige Bistümer reformieren aktuell ihren Verwaltungsapparat. Dabei sollten nicht bloß knapper werdende finanzielle und personelle Ressourcen leitend sein, betont Ulrich Hemel im katholisch.de-Interview. Auch sonst sieht der Vorsitzende des Bunds Katholischer Unternehmer manchen Änderungsbedarf.

Nach Hemels Einschätzung gehört zudem die Kirchensteuer auf den Prüfstand. "Die Kirchensteuer, so, wie sie in Deutschland erhoben wird, ist weltweit ziemlich einzigartig". Auch die Vereinbarung über den staatlichen Steuereinzug, den sich der Staat teuer bezahlen lasse, müsse man hinterfragen. Die Finanzierung der Kirche würde ohne dieses Instrument "eine Herausforderung", sagte Hemel. Er könne sich jedoch nicht vorstellen, "dass die Christinnen und Christen ihre Kirche im Stich lassen". Es brauche eine Finanzstrukturkommission, die Vorschläge erarbeite, wie die Finanzierung der Kirche "in den nächsten zehn oder zwanzig Jahren aussehen soll".

Hemel verwies auf das sogenannte Steuerzuwendungsmodell, das es in Italien und Teilen Spaniens gibt. Nach diesem Modell kann jeder einen Prozentsatz seines Einkommens einer bestimmten Einrichtung zukommen lassen, etwa der Kirche. "Alles, was freiwillig ist, ist zeitgemäßer", betonte er.

Professionell besetzte Finanzräte und Finanzausgleich

Darüber hinaus bräuchten die Bistümer in Deutschland "professionell besetzte Finanzräte". Auch müsse es einen Finanzausgleich zwischen den Bistümern geben. "Mehr noch: Die Gemeinden brauchen stärker als heute eigene Budgets und Entscheidungsrechte." Im Rahmen des weltweiten synodalen Prozesses, den Papst Franziskus im Oktober eröffnet hatte, ist Hemel Mitglied der Arbeitsgruppe für Finanzen. Er habe den Eindruck, dass die Kirche in diesem Bereich "stark in Richtung Partizipation und Transparenz unterwegs" sei.

Grundsätzlich sei er überzeugt, dass die Kirche sich neu erfinden könne, fügte Hemel hinzu. "Zwar können wir die massiven Krisenphänomene nicht übersehen. Und auch die Notwendigkeit nicht, dass wir nicht nur als Organisation, sondern auch als gläubige Menschen wieder an Glaubwürdigkeit gewinnen müssen." Es sei für größere Organisationen schmerzhaft, sich neu aufzustellen. "Aber es kann gelingen", so Hemel. (mal/KNA)