Pfarrer und Weinprüfer: Das können Gläubige von Winzern lernen
Er ist Pfarrer und Weinprüfer: zwei Aufgaben, die auf den ersten Blick nichts gemein haben – und doch Ausdruck einer Kulturlandschaft sind, die insbesondere von Kirchen und Weinbau geprägt ist. Denn Ulrich Laux ist Geistlicher im Bistum Trier. Der Leiter der Trierer Diözesanstelle für Exerzitien, Geistliche Begleitung und Berufungspastoral war jahrelang Mitglied des Weinprüfungsausschusses der Landwirtschaftskammer Rheinland-Pfalz. Ein feuchtfröhliches Interview anlässlich des Gedenktags des heiligen Willibrord von Echternach, der an der Mosel als "Weinheiliger" verehrt wird.
Frage: Als Geistlicher ist Ihre Wirkungsstätte die Domstadt Trier, die von Weinreben umgeben ist. Ist dies ein fruchtbarer Nährboden für eine besondere Affinität für Wein?
Laux: Ich komme von der Mosel und bei uns in der Familie gab es immer Wein. Zum Essen wurde stets Wein serviert, denn in meinem Elternhaus war er mehr als nur Genußmittel – es war ein Lebensmittel. Wenn Gäste zu Weinproben kamen, waren wir Kinder neugierig und wollten wissen, wie der Wein schmecken würde. Mein Onkel, der aus dem Hause des Trierer Rosenzüchters Peter Lambert stammte, hatte die Gepflogenheit, Pflanzen gegen Wein zu tauschen. In dessen Weinkeller schlummerten Raritäten, die bei Weinevents für den guten Zweck – Onkel Arthur war Rotarier – kredenziert wurden.
Als ich dann 1976 ins Priesterseminar kam, spielte Wein erneut eine Rolle. Wir Priesteramtskandidaten hatten nämlich das Privileg, Weine der Bischöflichen Weingüter zu einem stark reduzierten Preis zu beziehen. Ich erinnere mich, dass wir erstklassige Weine der Jahrgänge 1969, 1971 und 1975 – das waren wirklich ausgezeichnete Jahrgänge – zu einem erschwinglichen Preis erwerben durften. Diese Jahrgänge waren zum Knien gut! Im Priesterseminar haben wir nah mit den Weingütern zusammengelebt. Immerhin bestehen die Bischöflichen Weingüter aus rund 100 Hektar Weinberge. Vor der Priesterweihe, ganz am Ende der Ausbildung, gab es eine Weinprobe im imposanten Weinkeller der Bischöflichen Weingüter – ein Ritual, das bis heute Bestand hat.
Frage: Den Keller der Bischöflichen Weingüter kennen Sie gut, denn Sie waren immerhin fünf Jahre lang Sekretär des ehemaligen Bischofs von Trier, Hermann Josef Spital (1981-2001). Welche Rolle spielte der Wein im Bischofshof? Wurden Sie da zum "Sommelier" des Bischofs?
Laux: Nun ja, zu meinen Aufgaben zählte tatsächlich, dass ich bei Empfängen vom Bischof für den Wein zuständig war. Diese Aufgabe habe ich mit viel Freude und Feingefühl erfüllt, galt es doch die passenden Weine zum Essen auszusuchen. Ich erinnere mich, dass Bischof Spital einmal zu mir sagte : "Sie haben mehr Verstand vom Wein als ich!" Und so stieg ich in den Weinkeller des Bischofs und konnte dadurch viel Kompetenz erlangen.
Frage: Eine Kompetenz, die Sie in den Weinprüfungsausschuss der Landwirtschaftskammer Rheinland-Pfalz hineinkomplimentierte?
Laux: In meiner Zeit als Krankenhausseelsorger in Bad Kreuznach nahm mich einmal eine Ärztin zu einer Weinprüfung mit, wo es galt, 40 bis 60 Sorten innerhalb von zwei Stunden zu probieren. Da ich dabei eine gute Nase und einen guten Geschmack hatte, wurde ich prompt gefragt, ob ich nicht Interesse hätte, eine Ausbildung zum Weinprüfer zu absolvieren. Die Ausbildung fand an sechs Tagen statt. Ich saß zusammen mit Absolventen der Gesellenprüfung und angehenden Kellermeistern der Hochschule Geisenheim in einer Klasse und war einer der elf von insgesamt 18 Teilnehmern, welche die Prüfung bestanden. Acht Jahre fungierte ich als Weinprüfer und war Mitglied der Prämierungskommission. In dieser Zeit habe ich nicht nur viele Weine kennengelernt, sondern auch viele Winzer an Mosel, Nahe, Ahr oder im Rheingau, mit denen ich mich freundschaftlich verbunden fühle.
Frage: Spielt es dabei eine Rolle, dass Sie auch Priester sind?
Laux: Natürlich gehen die Gespräche mit den Winzern über den Wein hinaus. Winzer sind tiefgründige Menschen. Bei Wein ist immer Kommunikation möglich und Winzer sind sehr kommunikative Leute. Viele persönliche Begegnungen mit den Winzerfamilien wurden somit sakramental und theologisch. Ich habe viele Hochzeiten, Kindertaufen und Beerdigungen mit den Winzern feiern dürfen. Ich erinnere mich an ein Begräbnis in einem evangelischen Dorf, wo ich in ökumenischem Geist einen Winzer zu Grabe tragen durfte und die Beerdigungsfeier gemeinsam mit meinem evangelischen Mitbruder geleitet habe. Auch habe ich Winzer erlebt, die noch auf dem Sterbebett an Wein dachten und nach ihrem edelsten Rebensaft verlangten, den sie im Nachtkästchen aufbewahrten.
Frage: Welche Eigenschaften des Weinprüfers lassen sich in das seelsorgerische Wirken hineinpflanzen?
Laux: Die ignatianischen Exterzitien sind sehr nah an dem, was die Weinsensorik meint. Wein hat über 200 Inhaltsstoffe, die es bei einer Weinprüfung zu benennen gilt. Man muss die Fakten benennen, die Fehltöne klar identifizieren: Es schmeckt nach Azeton oder es riecht nach Pferdeschweiss. Die Erinnerung an Geschmäcker ist bei der Weinprüfung wichtig. Optik, Geruch und Geschmack spielen ebenfalls in der ignatianischen Sinnesübung eine herausragende Rolle. Es braucht also einen klaren Blick, die richtige Nase und den differenzierfähigen Gaumen.
Frage: Wein kann also nach Pferdeschweiss schmecken… Wie aber können der Wein – und der Glaube – ihren vollmundigen Geschmack entfalten?
Laux: Wein ist mit viel Mühe und Arbeit verbunden, bis er fertig ist. Das gilt auch für unser Glaubensleben: Wie bei der Weinherstellung braucht es ein Wachsen und Reifen. Vor allem braucht man Geduld. Leider haben wir heutzutage keine Geduld mehr, bis die Frucht reif ist – im Weinberg wie im Glauben. Wir wollen stets ein schnelles Ergebnis. Ein Weinberg braucht mindestens fünf Jahre, bis er trägt. Alte Reben sind und bleiben eine Attraktion: Die Qualität dieser Weine kann man aus alten Steuerkarten entnehmen. Nachhaltiges Wirtschaften im Weinberg steht allerdings im Gegensatz zu einem direkten Konsum. Als ich Ende der 1970er-Jahre im Priesterseminar war, habe ich Weine aus den 1960er-Jahren gesehen, die frisch wie am ersten Tag waren. Es wurde also auch schon früher nachhaltig produziert. Heute ist das vielerorts nicht mehr so "en vogue".
„Dass Brot und Wein in der Eucharistie eingesetzt werden, zeigt, wie sehr Gott will, dass wir jeden Tag mit diesen "Früchten des neuen Himmels" verbunden bleiben.“
Frage: Bringt der Klimawandel hier ein Umdenken?
Laux: Die klimatischen Bedingungen beeinflussen natürlich den Weinbau. Das Wasser ist eines der zentralen Probleme, insbesondere bei jungen Reben. Alte Reben haben oft sehr tiefe Wurzeln, die noch Wasser finden. Auf der anderen Seite wird durch die Klimakrise so mancher Weinberg erst genießbar. Moselweine, die noch vor einigen Jahrzehnten sozusagen als Essig entsorgt wurden, sind jetzt recht ordentliche Weine. Dennoch ist der Beruf des Winzers durch die klimatischen Veränderungen nicht einfacher geworden. Viele Winzer – und das haben die Überschwemmungen in diesem Sommer gezeigt – erfahren die Kehrseite des Klimawandels.
Frage: Als Pfarrer predigen Sie Wein und trinken den besten Messwein?
Laux: Die Vorstellung der Leute, dass ich den besten Messwein trinke, ist überzogen. Spätestens hier muss der Geistliche und der Weinprüfer eine klare Grenzlinie ziehen. Jeder kann sich vorstellen, dass ein geöffneter Kabinettwein, der einige Tage hintereinander im Sakristeischrank aufbewahrt wird, nicht das Gelbe vom Ei ist. Messwein ist nicht das 'Nonplusultra' von Weinprobe. Aber darum geht es auch nicht. Ich erinnere mich an einen Vortrag, bei dem der Wein und das Brot als die "Früchte des neuen Himmels" bezeichnet wurde. Während Milch und Honig reine Naturprodukte sind, braucht es bei Brot und Wein den Einsatz des Menschen, damit es Früchte des Lebens werden. Dass Brot und Wein in der Eucharistie eingesetzt werden, zeigt, wie sehr Gott will, dass wir jeden Tag mit diesen "Früchten des neuen Himmels" verbunden bleiben. So ist es nicht verwunderlich, dass der Wein Begleitmusik für die Klöster war, weil dieser Wein als Messwein gebraucht wurde. Wo Klöster waren, gab es Wein. Viele Klöster – wie beispielsweise die Echternacher Abtei – hatten an der Mosel Niederlassungen.
Frage: Der Wein gehörte nicht nur zum Ökosystem der Klöster, sondern ist ein fast ökologischer Bestandteil der Bibel. Welches ist Ihr bevorzugtes Bibelzitat über den vergorenen Rebensaft?
Laux: In der Bibel gibt es in der Tat über 200 Referenzen zum Wein. Eines der schönsten Zitate lautet: "Trink deinen Wein mit frohem Herzen" (Kohelet 9,7). Diese Erfahrung durfte ich in der Begegnung mit Winzern wie Weinliebhabern stets machen.